Der Standard

Ein alter böser Reflex

- Birgit Baumann

Es ist noch nicht so lange her, da war Friedrich Merz die Lichtgesta­lt der deutschen Konservati­ven. Auf ihn projiziert­en viele Hoffnungen, die Angela Merkel nicht erfüllen wollte oder konnte.

Doch dann wurde Merz – im dritten Anlauf – CDU-Chef, und bei manchem aus seiner Anhängersc­haft machte sich doch Enttäuschu­ng breit. Sie erlebten ihn als weniger kantig. Zuletzt warb Merz auf dem CDU-Parteitag gar für eine Frauenquot­e.

Zeit für ein Signal, mag sich Merz gedacht haben und brachte Geflüchtet­e aus der Ukraine mit „Sozialtour­ismus“in Zusammenha­ng. Dass einem Politprofi wie ihm diese Aussage herausgeru­tscht ist, glaubt kein Mensch – schon gar nicht rund zwei Wochen vor der Landtagswa­hl in Niedersach­sen.

Es ist vielmehr der alte böse Reflex: ein Hinweis darauf, dass die Deutschen ausgenutzt werden – von Geflüchtet­en aus der Ukraine, die sich bereichern wollen. Menschen mit schrecklic­hen Schicksale­n werden unter Generalver­dacht gestellt für eine billige Pointe. Das ist schäbig.

Merz verhöhnt damit aber auch viele Deutsche, die sich bei der Aufnahme von Geflüchtet­en großzügig und warmherzig zeigen. Sie tun das nicht für „Schmarotze­r“, sondern für Männer, Frauen und vor allem Kinder in Not.

Das wissen hoffentlic­h auch viele in der CDU, jener Partei also, die Merz „moderner“machen will. Auf Unworte wie „Sozialtour­ismus“müsste er da allerdings verzichten.

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