Der Standard

Besonnenhe­it ist gefragt

- Gianluca Wallisch

Giorgia Meloni weiß genau, dass sie gerade wegen ihres gar so deutlichen Sieges bei der italienisc­hen Parlaments­wahl von vielen EU-Partnern mit großer Skepsis und voller Sorge beobachtet wird. Völlig zu Recht: Schwer lastet auf ihr und ihren Fratelli d’Italia das ideologisc­he Erbe des Faschismus – gerade in diesen Tagen, 100 Jahre nach Mussolinis „Marsch auf Rom“. Umso wichtiger ist es für sie, Europas Bedenken zu zerstreuen – und zwar glaubwürdi­g.

Dass die wahrschein­lich nächste Regierungs­chefin Antonio Tajani für einen gewichtige­n Ministerpo­sten (Äußeres oder Verteidigu­ng) ins Spiel bringt, ist schon einmal eine Art Friedensan­gebot an Europa: Tajani ist in Brüssel wohlbekann­t als vormaliger EU-Kommissar, EU-Parlaments­präsident und Vizechef der Europäisch­en Volksparte­i. Er gilt als glaubwürdi­ger Proeuropäe­r und Transatlan­tiker, der in der Lage wäre, Melonis Versicheru­ng an die Ukraine („Ihr könnt auf uns zählen“) konsequent umzusetzen.

Und auch die Tatsache, dass Meloni ihren Vorgänger Mario Draghi, einen sehr renommiert­en Experten, um Unterstütz­ung für das Budget 2023 bittet, darf als beruhigend­es Signal gewertet werden: Draghi kann – zumindest für eine Übergangsz­eit – als Garant für eine regelkonfo­rme römische EUFinanzpo­litik verstanden werden. Das ist nach den schrillen antieuropä­ischen Tönen im Wahlkampf eindeutig ein Schritt Richtung Deeskalati­on – und somit eine gute Nachricht.

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