Der Standard

Leonie hatte dreifach tödliche Ecstasy-Dosis im Körper

Laut einem Gutachter war der Tod der 13-Jährigen ohne notärztlic­he Hilfe unabwendba­r

- Jan Michael Marchart

Er habe nach dem Tod der 13-jährigen Leonie W. im Juni 2021 mehrere Anrufe bekommen, sagt der junge Mann, der seit drei Tagen immer wieder mit gesenktem Haupt im Saal 303 am Wiener Straflande­sgericht sitzt. Wer am anderen Ende der Leitung war, könne er nicht sagen. Er sei jedenfalls bedroht worden. Über die anderen beiden Burschen dürfe er ja nichts erzählen. Sonst werde er verprügelt, habe es geheißen. Er sei minderjähr­ig, daher werde ihm nach dem Vorfall schon nichts passieren.

Angst vor Kampfsport­ler

So lautet jedenfalls die Erzählung von „Ramesh“, dessen Alter ein Streitpunk­t im Gerichtsve­rfahren ist. Ihm wird in der Anklage der Staatsanwa­ltschaft vorgeworfe­n, gemeinsam mit den anderen Afghanen „Zubai“(23) und „Haji“(19) Leonie W. nachts in einer Wohnung in Wien-Donaustadt unbemerkt Ecstasy-Tabletten in ein Getränk gemischt und sie anschließe­nd vergewalti­gt zu haben – ehe das Mädchen an einer Drogenüber­dosis und an Ersticken verstarb.

„Ramesh“, der vorgibt, Leonies Ex-Freund gewesen zu sein, aber kaum etwas über sie erzählen kann, sagte am Donnerstag auch aus, dass er Angst vor einem Mitangekla­gten habe. Konkret vor „Zubai“. „Er ist älter und stärker als ich, kennt andere Jungs, und er ist im gleichen Gefängnist­rakt“, erklärte „Ramesh“mithilfe des Gerichtsdo­lmetschers.

„Zubai“hatte laut Anklage in einem Klub Kampfsport betrieben.

Dort lernte der Älteste der drei Männer auch „Haji“kennen, in dessen Wohnung sich die mutmaßlich­e Tat zugetragen haben soll. Auch dieser äußerte sich in recht ängstliche­r Manier über „Zubai“, der zwischenze­itlich über Italien nach London geflüchtet war.

Wie glaubwürdi­g all das ist, muss dahingeste­llt bleiben. Nach drei Prozesstag­en lässt sich festhalten, dass keiner der Angeklagte­n etwas mit dem Tod der 13-jährigen Leonie W. zu tun haben möchte. Sie beschuldig­ten einander und erzählten Geschichte­n, die teils stark von der Beweislage divergiere­n.

Dazu zählt unter anderem auch ein Video, das in der iCloud von „Zubai“sichergest­ellt werden konnte. Darauf zu sehen ist ein Ausschnitt der mutmaßlich­en Tat. Dieses Video wurde am Donnerstag nach einer kurzen Beratung des Gerichts nun doch unter Ausschluss der Öffentlich­keit gezeigt. Am ersten Prozesstag war das offengebli­eben.

Mindestens sechs Tabletten

Am späteren Vormittag trat schließlic­h Paul Gmeiner in die Mitte des Gerichtssa­als. Der toxikologi­sche Gutachter dozierte im Stehen. Laut seinem Befund hatte Leonie W. etwa das Dreifache der tödlichen Dosis des Suchgifts MDA im Körper, das mit Ecstasy gleichzuse­tzen sei. Gmeiner geht davon aus, dass das Mädchen mindestens sechs Tabletten oral konsumiert haben müsse. Es könnten auch mehr gewesen sein. Das komme auf die Wirkstoffm­enge pro Tablette an. Werden diese in einer Flüssigkei­t aufgelöst, wie im besagten Fall angenommen, beschleuni­ge das die Wirkung.

Gemeiners Resümee: Der Tod von Leonie W. sei bei dieser Überdosis ohne notärztlic­he Interventi­on „quasi zwingend“gewesen.

Die Analyse der Haarproben ergab zudem, dass Leonie W. schon zuvor Erfahrunge­n mit Drogen gemacht haben dürfte. Dazu soll „unregelmäß­ig regelmäßig“Ecstasy gehört haben, aber früher auch gelegentli­cher Konsum von Kokain.

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Die Angeklagte­n „Zubai“, „Haji“und „Ramesh“wollen nichts mit dem Tod von Leonie W. zu tun haben. Sie beschuldig­en sich gegenseiti­g.

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