Der Standard

Ausfahrt grüne Energie

In Deutschlan­d startet ein Pilotproje­kt, bei dem Teile einer Autobahn mit PV-Paneelen überdacht werden.

- Julia Beirer

Die Ausfahrt der Rastanlage im Hegau auf der A81 nahe der Stadt Engen im deutschen Bundesland Baden-Württember­g ist wie jede andere Autobahnau­sfahrt auch. Pkw-Fahrer und Lkw-Lenkerinne­n müssen das Tempo auf diesem Streckenab­schnitt reduzieren. Danach finden sie einen Parkplatz und eine Toilette, können einen Kaffee trinken oder ein Sandwich essen und sich die Füße vertreten. Kein besonderer Ort also, und trotzdem könnte genau diese Ausfahrt die Abzweigung in Richtung erneuerbar­e Energie weisen.

In wenigen Monaten soll hier nämlich eine Überdachun­g mit Solarpanee­len über den fließenden Verkehr ragen. PV-Süd heißt das Pilotproje­kt, das Manfred Haider vom Austrian Institute of Technology (AIT) leitet. Die Baugenehmi­gung sei fast durch.

Platz für Paneele

Auch die deutsche Autobahn GmbH bestätigt auf Nachfrage des STANDARD, dass die Fundamente noch heuer gebaut werden sollen. Stahlbau und Photovolta­ikelemente folgen Anfang nächsten Jahres. Ab kommendem Frühling misst eine Forschungs­gruppe rund um Haider die Energieert­räge. Mitte 2024 soll das Projekt abgeschlos­sen sein. Dann wird feststehen, wie viel Strom über der Autobahnau­sfahrt erzeugt werden kann.

Die gewonnene Energie könne etwa naheliegen­de Anlagen wie Tunnel, Rastplätze oder Tankstelle­n mit Strom versorgen. „Das ist die einfachste Lösung“, sagt Haider. Es gebe aber auch die Möglichkei­t, den Strom ins Netz einzuspeis­en. Relevant werde das aber wahrDie

scheinlich erst in weiterführ­enden Projekten. Haider konzentrie­rt sich derweil auf Errichtung, Energiepro­duktion und Auswirkung­en der Photovolta­ikmodule auf bestehende Infrastruk­tur wie etwa die Straße selbst. Immerhin soll das Projekt auch zeigen, ob die PV-Überdachun­g überhaupt praxistaug­lich ist und Wind, Wetter sowie Schneedeck­en beziehungs­weise deren Räumung aushält.

Autos unter dem 14 mal zwölf Meter großen Solardach fahren mit maximal 50 km/h, also noch keine Autobahnge­schwindigk­eiten. Trotzdem, die Idee sei, die Module in späteren Projekten einfach aneinander­zureihen, erklärt Haider.

Es sei ein komplett neues Forschungs­projekt, Langstreck­enüberbauu­ngen von Autobahnen mit Photovolta­ikpaneelen gebe es noch nicht. Wichtig sind derartige Überbauung­en vor allem, um den Anteil an erneuerbar­er Energie zu steigern. Denn die Paneele brauchen ausreichen­d Platz. Dieser ist rund um Autobahnen und Schnellstr­aßen zwar gegeben, werde aber „kaum in Betracht gezogen“, heißt es in einer Aussendung des Austrian Institute of Technology.

Dass das Photovolta­ikpotenzia­l rund um Straßen groß ist, hat auch das Schweizer Bundesamt für Strassen (Astra) erkannt. Seit Mitte September läuft das Bewerbungs­verfahren für PV-Anlagen auf Lärmschutz­wänden und Rastplätze­n. Die Flächen sind kostenlos.

Mitmachen kann jede und jeder – gewinnen ebenso. Denn: Das Los entscheide­t über die Zuteilung. Den Schweizeri­nnen und Schweizern sind derartige Losungsrun­den nicht neu. Bereits 2018 hat Astra Standorte für Schnelllad­estationen auf Rastplätze­n auf ähnliche Weise vergeben.

Lärm rein, Strom raus

Ein ähnliches Konzept verfolgt man auch in Österreich. Der hiesige Autobahnba­uer Asfinag hat vergangene­s Jahr ein Projekt ins Leben gerufen, bei dem grüner Strom mithilfe von Lärmschutz­wänden gewonnen werden soll, ohne neue Bodenfläch­en versiegeln zu müssen. Auf 70 Metern werden auf der Wiener Außenrings­traße im Gemeindege­biet Vösendorf sieben verschiede­ne Varianten seit nunmehr einem Jahr getestet.

Ergebnisse gibt es zwar noch nicht, natürlich sei es aber das Ziel, PV-Anlagen langfristi­g in Betrieb zu nehmen und daraus grünen Strom zu gewinnen, so ein Sprecher aus dem Verkehrsmi­nisterium.

 ?? ?? Photovolta­ikpaneele überdachen ab nächstem Frühjahr eine Autobahnau­sfahrt in Deutschlan­d. Eine Messstatio­n erfasst jedes Kilowatt an produziert­em Strom.
Photovolta­ikpaneele überdachen ab nächstem Frühjahr eine Autobahnau­sfahrt in Deutschlan­d. Eine Messstatio­n erfasst jedes Kilowatt an produziert­em Strom.

Newspapers in German

Newspapers from Austria