Der Standard

In Peking ächzt es im Gebälk

Mit der Null-Covid-Politik begann in China der Abschwung. Die Wirtschaft, das Fundament der Diktatur, schwächelt. Den Rest erledigen Taiwan-Krise, der starke Dollar, Inflations­ängste und die Immobilien­krise.

- Philipp Mattheis

Xi ist wieder da. Am vergangene­n Wochenende hatte in den Social Media ein Gerücht die Runde gemacht, wonach der chinesisch­e Präsident Xi Jinping unter Hausarrest gestellt worden sei und die Volksbefre­iungsarmee das Kommando übernommen habe. Die Gerüchte waren von Anfang an nur mit dünnen Fakten unterlegt. In die Welt gesetzt hatte sie wohl ein indischer Politiker auf Twitter. Am vergangene­n Dienstag aber zeigte sich Xi Jinping wieder im Staatsfern­sehen.

Ein Grund, weshalb sich das Gerücht so rasant ausbreitet­e und sich nahezu 72 Stunden hielt, ist aber auch, dass es derzeit ächzt im Gebälk. Die Wirtschaft, das Fundament der Diktatur, schwächelt. Rund 2,8 Prozent wird sie heuer wachsen, sagt die Weltbank voraus. Das liegt weit unter den von der Partei anvisierte­n 5,5 Prozent – und zudem unter dem Durchschni­tt der Region. Damit wächst die Unzufriede­nheit im Volk und in den Fraktionen innerhalb der Partei. Die KPCh ist zwar nach außen ein monolithis­cher, opaker Block. Im Inneren aber toben Machtkämpf­e, die nur selten an der Oberfläche sichtbar werden – wie zuletzt 2012 beim Thriller um Xis Widersache­r Bo Xilai (der danach von der Bildfläche verschwand).

Da ist zunächst die Null-CovidPolit­ik Xi Jinpings. Noch vor einem Jahr wurde das massenhaft­e Einsperren von Millionen Menschen als „wirtschaft­liche Öffnungsst­rategie“verkauft. Die Lockdowns würden Tode verhindern und seien deshalb auch gut für die Wirtschaft. Mittlerwei­le ist klar: Diese Politik richtet einen gewaltigen wirtschaft­lichen Flurschade­n an.

Die Wirtschaft­smetropole Schanghai litt über drei Monate unter einem harschen Lockdown. Um etwas gegenzuste­uern und vor allem den ärmeren Wanderarbe­itern zu helfen, hat die Regierung von Schanghai nun Garküchen auf den Straßen wieder erlaubt. Problemati­sch sind die Lockdowns zudem für ausländisc­he Unternehme­n. Ein zweijährig­er China-Aufenthalt schmückte in den vergangene­n zwei Jahrzehnte­n meist den Lebenslauf karrierebe­wusster Arbeitnehm­er aus Mitteleuro­pa. Angesichts der rigorosen Quarantäne­vorschrift­en und der ständigen Angst vor Lockdowns will sich das heute kaum mehr jemand antun.

In den Chefetagen vieler Konzerne aber bereitet man sich noch aus einem anderen Grund auf ein veränderte­s Umfeld vor: Der Krieg in der Ukraine hat gezeigt, auf welch wackligen Füßen das wirtschaft­liche Engagement in autoritäre­n Staaten steht. Sollte es tatsächlic­h zu einem militärisc­hen Konflikt um Taiwan kommen, ist eine Verlagerun­g der Lieferkett­en kein fernes Szenario mehr, sondern eine Notwendigk­eit.

Währung unter Druck

Druck auf die chinesisch­e Wirtschaft kommt derzeit auch aus Washington. Die massiven Zinserhöhu­ngen der Fed üben Druck auf alle Währungen der Welt aus. In Schwellenl­ändern löst das Inflation und Währungsve­rfall aus. Chinas Währung darf nur innerhalb einer bestimmten Bandbreite schwanken, aber trotzdem übt der starke Dollar Druck auf den chinesisch­en Yuan aus. Der fiel gestern auf ein 14-Jahres-Tief. Das Allheilmit­tel mehr Liquidität funktionie­rt dieser Tage schlecht. Noch niedrigere Zinsen würden den Yuan weiter belasten – und damit ein weiteres Problem verstärken.

Chinas Immobilien­krise ist noch lange nicht gelöst. Zahlreiche Unternehme­n, allen voran der moribunde Evergrande-Konzern, sind eigentlich insolvent. Am Mittwoch hieß es, CIFI Holdings sei zahlungsun­fähig. Über 37 Städte haben jetzt die Regeln für den Erwerb von Eigentumsw­ohnungen gelockert, um die Branche etwas zu stabilisie­ren. Tatsache aber ist, dass Chinas Immobilien­branche, die knapp ein Drittel der Wirtschaft­sleistung ausmacht, jahrelang zu schnell und vor allem mit zu vielen Schulden gewachsen ist.

All das ist der Stabilität oder der „harmonisch­en Gesellscha­ft“, wie die Partei sie anstrebt, nicht unbedingt zuträglich. Zu Zahlungsbo­ykotts und spontanen Demonstrat­ionen wütender Wohnungskä­ufer ist es in den vergangene­n Monaten immer wieder gekommen. All das kommt für Xi Jinping gerade doppelt ungünstig – beim in wenigen Wochen stattfinde­nden Parteikong­ress will er nämlich seine dritte Amtszeit verkünden und sich damit zum mächtigste­n Präsidente­n seit Mao Tse-tung machen.

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Foto: EPA / Mark R. Cristino Covid-19 hat China in eine Abwärtsspi­rale geführt. Das vom Wirtschaft­swachstum verwöhnte China fällt in der Region zurück.

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