Der Standard

Diese Inflation ist anders

- Joseph Gepp

Es sind also 10,5 Prozent. Die Inflation in Österreich hat ihren höchsten Wert seit Juli 1952 erreicht. Die starke Teuerung bringt den Menschen im Land hohe Verluste an Kaufkraft und Wohlstand. Es muss etwas geschehen, so viel ist klar. Aber was?

Das klassische – und häufig wirksame – Mittel gegen Inflation sind: Leitzinser­höhungen. Ebendiese verfügen Zentralban­ken weltweit gerade fast täglich, ob in der Eurozone, den USA, Großbritan­nien oder der Schweiz. Höhere Zinsen führen dazu, dass Geldsparen lukrativer wird und Kredite teurer werden – sodass weniger Geld ausgegeben wird und die Preise nicht weiter steigen.

Doch diesmal ist die Inflation anders. Zinserhöhu­ngen funktionie­ren vornehmlic­h dann, wenn die Ursachen der Inflation in Inneren einer Volkswirts­chaft liegen. Wenn also die Löhne zu hoch, der Konsum zu rege, die Wirtschaft zu überhitzt ist, dann erfüllen höhere Zinsen ihren Zweck und kühlen das wirtschaft­liche System hinunter.

Die derzeitige Inflation jedoch kommt hauptsächl­ich von außen, aus einer Verknappun­g des Angebots. Konkret liegt sie an den hohen Energiepre­isen, die wiederum vor allem aus dem Krieg in der Ukraine und dem Ausfall russischer Erdgaslief­erungen resultiere­n. Was kann eine straffere Geldpoliti­k hier ausrichten? Nicht viel. Anschaulic­hes Beispiel: Man stelle sich vor, die Energiever­sorgung würde vollends zusammenbr­echen, zum Beispiel infolge weiterer Anschläge auf Pipelines. Dann würden Preise und Inflation auf Rekordhöhe­n schießen – ganz egal, wie hoch die EZB die Leitzinsen noch schraubt.

Daraus folgt, dass die Notenbanke­n das Problem der Inflation nicht lösen werden. Es braucht stattdesse­n die Behebung des Energieman­gels. Um die Preise in den Griff zu bekommen, müssen die EU-Regierunge­n vor allem schnellstm­öglich die erneuerbar­en Energien ausbauen, ob Windräder oder Solarpanee­le. In zweiter Linie gilt es, kurzfristi­ge –und vorübergeh­ende – Alternativ­en zu russischen Energieimp­orten zu finden und zu nutzen: von Flüssigerd­gas über Kohle bis zur Atomkraft.

Die Zentralban­ken hingegen müssen vorsichtig sein mit überstürzt­en Zinserhöhu­ngen. Schraubt die EZB die Zinsen nämlich zu hoch, kann dies eine tiefe Rezession auslösen. Dann könnte am Ende das schlechtes­te Szenario überhaupt eintreten: hohe Arbeitslos­igkeit verbunden mit weiterhin hoher Inflation, weil der Mangel an Energie ja nicht behoben ist.

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