Der Standard

Kein Irrtum an der Kassa

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Das waren noch Zeiten, als die französisc­hen Supermarkt­kassiereri­nnen die Klientel der Superoder Hypermärkt­e geruhsam abfertigen konnten, ohne dass von jenseits des Rollbands Kommentare laut wurden. Heute, da die Preise für Lebensmitt­el um fast zehn Prozent nach oben geschnalzt sind, müssen die Kassiereri­nnen wohl oder übel die Aufgabe der psychologi­schen Erstversor­gung von Kundschaft­en übernehmen, die beim Blick auf den Kassenzett­el ihren Augen nicht trauen. Und das tun fast alle, selbst in Saint-Tropez, wo nicht die Unbetuchte­sten zu Hause sind.

Die Zeitung Le Monde, die sich in Supermärkt­en umgehört hat, hat ein ganzes Bouquet typischer Wortmeldun­gen an den Kassen eingesamme­lt. „Was, so viel kostet das?“, „Das gebe ich zurück, das ist mir zu teuer“und vor allem: „Sie müssen sich geirrt haben.“Nein, haben sie nicht. Baguette, Butter oder Bordeaux – alle Preise schießen in die Höhe.

Eine Kassiereri­n berichtete von einer noblen Bobo-Dame, die eine Dose sauteuren Thunfisch umtauschen wollte, welche ihr Gatte tags zuvor gekauft hatte. Er habe aus Versehen gemeint, es handle sich um „Katzenfutt­er“. Dieser fadenschei­nige Versuch, den Anschein finanziell­er Überforder­ung zu zerstreuen, wäre vielleicht sogar lustig, wenn er nicht so traurig wäre. Wie sollte es auch lustig sein, wenn eine nationale Esskultur, die sich immer noch sehen und schmecken lassen kann, von der Inflation so fest in die Zange genommen wird?

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