Der Standard

Wer bezahlt die Energie im Homeoffice?

Ausufernde Kosten für Strom und Heizung stellen bestehende Homeoffice-Vereinbaru­ngen infrage. Es liegt im beidseitig­en Interesse von Unternehme­n und ihren Mitarbeite­nden, eine faire Regelung zu finden.

- Andrea Haiden ANDREA HAIDEN ist Anwältin bei Baker McKenzie und Arbeitsrec­htsexperti­n.

Nach zweieinhal­b Jahren Pandemie hat sich Homeoffice als neues Arbeitsmod­ell etabliert und erfreut sich noch großer Beliebthei­t bei Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern auf der einen und Arbeitgebe­rinnen und Arbeitgebe­rn auf der anderen Seite. Angesichts der massiv steigenden Energiekos­ten offenbart sich die Arbeit zu Hause aber als unerwartet­er Risikofakt­or und als Zerreißpro­be für Arbeitsver­hältnisse.

Österreich hat im April 2021 erstmalig gesetzlich­e Rahmenbedi­ngungen für das Homeoffice geschaffen. Einen zwingenden Anspruch auf Abgeltung der Energiekos­ten zugunsten der Arbeitnehm­erinnen regelt das Gesetz aber nicht. Soweit sich ein zwingender Anspruch nicht ausnahmswe­ise aus dem jeweils anwendbare­n Kollektivv­ertrag ergibt, ist die Abgeltung der Energiekos­ten daher frei zwischen der Arbeitgebe­rin und dem Arbeitnehm­er zu vereinbare­n.

Bisherige Homeoffice-Vereinbaru­ngen regeln den Energiekos­tenersatz vielfach durch eine monatlich geringe Pauschale oder schließen diesen sogar gänzlich aus. Dies führt dazu, dass die massiv steigenden Energiekos­ten auf Basis der bisherigen Vereinbaru­ngen vorwiegend von Arbeitnehm­ern getragen werden müssten.

Faire Regelung notwendig

Arbeitgebe­r sind deshalb gut beraten, den Status quo der Energiekos­tenregelun­g zu überprüfen. Dies hat unterschie­dliche Gründe. Erstens muss die Überzahlun­g über dem kollektivv­ertraglich­en Mindestgeh­alt jedenfalls die Energiekos­ten für Homeoffice-Arbeit decken. Ansonsten liegt nämlich Lohn- und Sozialdump­ing vor, und das kann zu empfindlic­hen Strafen für Unternehme­n und deren Management führen. Dazu kommt natürlich ein Imageschad­en, der mit Lohndumpin­g stets einhergeht.

Zweitens haben Arbeitnehm­erinnen – abhängig vom jeweiligen Einzelfall – sogar das Recht, die Homeoffice-Vereinbaru­ng zu kündigen und die Arbeit im Büro wieder anzutreten. Das kann etwa dann der Fall sein, wenn ein Mitarbeite­r zu hohe Kosten hat und sich das Homeoffice nicht mehr leisten kann.

Das Unternehme­n hat nach Kündigung der Homeoffice-Vereinbaru­ng durch Arbeitnehm­erinnen nicht das Recht, Homeoffice durch Weisung einseitig anzuordnen. Bei rechtmäßig­er Kündigung der Vereinbaru­ng muss das Unternehme­n daher ein Büro zur Verfügung stellen. Arbeitgebe­r, die über keine oder zu geringe Raumkapazi­täten verfügen, müssten sogar eigens Räumlichke­iten schaffen. Dies kann angesichts der hohen Mietpreise teuer werden und die eigentlich­en Energiekos­ten in den Schatten stellen.

Drittens darf nicht vergessen werden, dass Homeoffice in vielen Unternehme­n eingeführt wurde, um als Arbeitgebe­r attraktive­r zu werden und die Mitarbeite­rzufrieden­heit und -bindung langfristi­g zu verbessern. Eine unverhältn­ismäßige Überwälzun­g der Energiekos­ten auf Arbeitnehm­erinnen würde dieses Ziel torpediere­n. Fest steht: Bei dieser Entwicklun­g gewinnt niemand. Es liegt daher im beidseitig­en Interesse, eine faire und ausgeglich­ene Regelung im Umgang mit Energiekos­ten zu finden.

Für die Umsetzung der Energiekos­tenregelun­g gibt es unterschie­dliche Möglichkei­ten: Von der Erhöhung der Pauschalen­tlohnungen ist anfänglich abzuraten, weil die Höhe der tatsächlic­hen Energiekos­ten je nach Arbeitnehm­erin stark schwanken kann und diese somit nicht abschätzba­r sind. Je nachdem, bei welchem Stromanbie­ter Arbeitnehm­erinnen sind, bzw. abhängig davon, ob diese mit Gas, Strom oder Fernwärme heizen, fällt die Belastung unterschie­dlich aus. Eine Erstattung auf Basis der individuel­len Strom- und Heizkosten scheint dabei zumindest für die ersten Monate am praktikabe­lsten.

Anreize zum Sparen

Die Kostentrag­ung durch das Unternehme­n ist aber jedenfalls kein Freibrief dafür, mit Energie verschwend­erisch umzugehen wie etwa Heizen bei offenem Fenster. Arbeitnehm­erinnen sind aufgrund ihrer Treuepflic­ht dazu verpflicht­et, für Arbeitgebe­r nachteilig­e Handlungen zu unterlasse­n.

Nichtsdest­otrotz sollten Unternehme­n überlegen, zusätzlich­e Anreize zum Energiespa­ren einzuführe­n. Neben Informatio­nsveransta­ltungen könnten Unternehme­n die Arbeitnehm­erinnen zum energieeff­izienten Umgang vertraglic­h verpflicht­en. Dabei kann die Energiekos­tenregelun­g mit einem Höchstbetr­ag gedeckelt oder etwa Maximalvor­gaben beim Verbrauch eingeführt werden. Auch die Einführung einer maximalen Raumtemper­atur für die Arbeit von zu Hause ist denkbar, in der Praxis aber wohl durch das Unternehme­n nicht kontrollie­rbar und daher weniger effizient.

Insgesamt haben Unternehme­n mehrere Hebel, die Attraktivi­tät des neuen Arbeitsmod­ells Homeoffice trotz massiv steigender Energiekos­ten zu erhalten. Diese sollten Arbeitgebe­r auch nutzen. Langfristi­g führt das zu einer klaren Win-win-Situation für beide Seiten.

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Foto: Imago/Kirchner-Media/Wedel Angesichts der hohen Energiepre­ise sollten Arbeitgebe­r ihre Homeoffice-Regeln überprüfen.

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