Liebe heilt gebrochene Herzen
Der als Kuschelhormon bezeichnete Botenstoff Oxytocin könnte helfen, beschädigtes Gewebe im Herzen nach einem Herzinfarkt zu heilen. Bei Fischen funktioniert das bereits.
Zugegeben, die Bedeutung von Oxytocin sollte nicht auf seine kuschelig machende Wirkung reduziert werden. Zwar ist ein beruhigender und vertrauensbildender Effekt ebenso belegt wie seine Fähigkeit, sexuelle Lust zu steigern. Doch das Hormon ist auch bei der Geburt wichtig, wo es die Wehen einleitet. Kürzlich gesellte sich zu seinen erstaunlichen Fähigkeiten – Oxytocin beruhigt etwa auch Löwen und bringt Hunde zum Weinen – sogar eine mögliche therapeutische Wirkung bei Alzheimerkranken. Japanischen Forschenden gelang es, mittels Oxytocin die Signalfähigkeit beschädigter Nervenzellen wiederherzustellen.
Nun gibt es Hinweise auf einen weiteren heilenden Effekt des Wunderhormons. Forschende der Michigan State University konnten in einer im Fachjournal Frontiers in Cell and Developmental Biology veröffentlichten Studie zeigen, dass Oxytocin sogar in der Lage ist, beschädigtes Herzgewebe zu reparieren. Der Mechanismus funktioniert so, dass Zellen aus dem Epikard, der äußersten, transparenten Hülle des Herzens, dazu angeregt werden, sich in spezielle „Reparaturzellen“umzuwandeln. Diese können ins Innere des Herzmuskels wandern, wo sie sich in Muskelzellen verwandeln. Das ist bedeutsam, weil die Zellen des Herzmuskels so spezialisiert sind, dass sie vom Körper im Fall einer Beschädigung nicht einfach ersetzt werden können.
Dieser Effekt war bereits aus früheren Studien bekannt. Unter Normalbedingungen ist er beim Menschen aber nicht stark genug, um das massenweise Absterben von Muskelzellen, wie es bei einem Herzinfarkt auftritt, zu kompensieren.
Zebrafische können es
Allerdings gibt es Tiere, die dazu in der Lage sind. Der Zebrafisch, auch Zebrabärbling genannt, kann bei Bedarf verschiedene Organe vollständig regenerieren. Nicht nur Hirn und Leber werden bei einem Verlust wieder neu gebildet, auch das Herz verfügt über eine außergewöhnliche Regenerationsfähigkeit und kann einen Verlust von drei Vierteln seiner Zellen überstehen.
Zum Teil kommen dabei wie beim Menschen auch die Reparaturzellen aus der äußeren Herzschicht zum Einsatz. Zebrafische schaffen es offenbar, die Produktion dieser Stammzellen so stark anzukurbeln, dass sich das Herz auch nach starken Beschädigungen regenerieren kann. Wie die Forschenden aus Michigan herausfanden, scheint genau dafür eben das Hormon Oxytocin verantwortlich zu sein.
Drei Tage nach einer Verletzung des Herzens durch Kälte wurde im Hirn der Fische eine verstärkte Produktion von Oxytocin nachgewiesen. Das Hormon wandert von dort ins Epikard, wo es sich an einen dafür vorgesehenen Rezeptor bindet und eine Kettenreaktion auslöst, die zur Bildung von Stammzellen zur Reparatur des Herzmuskels führt.
Und beim Menschen?
Bei Versuchen an menschlichem Gewebe ließ sich in der Folge zeigen, dass auch dort ein relevanter Effekt nachweisbar ist. Menschliche pluripotente Stammzellen – das sind Stammzellen, die in der Lage sind, sich in jeden anderen Zelltypus zu entwickeln – verwandelten sich durch die Behandlung mit Oxytocin in die bereits beschriebenen Vorläuferzellen der Kardiomyozyten. Kein anderes der 14 getesteten Hormone hatte diese Wirkung. Als weiteren Test schalteten die Forschenden den Oxytozin-Rezeptor in den Zellkulturen aus. Das Hormon konnte sich daraufhin nicht mehr an die Zellen binden, und der Effekt verschwand.
Obwohl die verwendeten Zellen nicht exakt dieselben sind wie im Fall der Fische, bezeichnen die Forschenden die Erkenntnisse als bedeutenden Fortschritt: „Wir zeigen, dass Oxytocin in der Lage ist, Herzreparaturmechanismen in verletzten Herzen in Zebrafisch- und menschlichen Zellkulturen zu aktivieren. Das öffnet die Tür zu potenziellen neuen Therapien für die Herzregeneration beim Menschen“, erklärt Aitor Aguirre vom Forschungsteam.
Es handle sich offenbar um einen allgemeinen, im Menschen evolutionär zum Teil konservierten Regenerationseffekt, führt Aguirre weiter aus. Ein Hindernis für den therapeutischen Einsatz sei jedoch, dass Oxytocin im Körper sehr kurzlebig ist. Die Verweildauer müsste mit geeigneten Medikamenten erhöht werden. Forschungen an Menschen dazu sind geplant.