Der Standard

ÖVP vermutet eigene Unschuld

Bei der Sondersitz­ung des Nationalra­ts zeigte sich die Volksparte­i von den Vorwürfen der Opposition und den Ermittlung­en der WKStA recht unbeeindru­ckt. Man verwahre sich gegen „Vorverurte­ilungen“.

- Fabian Schmid, Renate Graber, Sandra Schieder

Lange dauerte es nicht, bis am Mittwoch die Glocke von Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka (ÖVP) bimmelte, um im Nationalra­t für Ordnung zu sorgen. Die Turbulenze­n waren zu erwarten: Das Parlament tritt auf Initiative von SPÖ und FPÖ zusammen, die beiden Opposition­sparteien haben die Sitzung nach Bekanntwer­den der Einvernahm­en Thomas Schmids beantragt; der frühere Generalsek­retär im Finanzmini­sterium strebt bekannterm­aßen den Kronzeugen­status an.

Er belastet nicht nur den früheren Kanzler Sebastian Kurz, sondern auch dessen Parteifreu­nde, Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka und ÖVP-Klubchef August Wöginger. Schmid selbst hat zu mehreren Handlungss­trängen in der „ÖVP-Korruption­scausa“ein Geständnis abgelegt.

Nehammer: „Ich bin kein Richter“

Wie die ÖVP im Nationalra­t darauf reagieren würde, war rasch klar: Von nahezu jedem schwarzen Redner, jeder schwarzen Rednerin wurde mehrfach betont, wie schlimm „Vorverurte­ilungen“seien. Sinngemäß: Nur weil Thomas Schmid etwas ausgesagt habe, sei noch lange nichts bewiesen – ja, noch nicht einmal ein Grund da, um das alles im Parlament zu besprechen.

Er sei „kein Richter“, betonte etwa Kanzler und ÖVP-Chef Karl Nehammer. Das Bild, das die Politik abgebe, sei zwar miserabel und Korruption ein Gift, das das Vertrauen der Bürgerinne­n und Bürger in den Staat zerstöre. Aber gleichzeit­ig entschuldi­gte sich Nehammer für das Bild, das „die Politik“abgebe – also eben nicht nur die ÖVP.

Das führte natürlich zu heftigen Attacken der Opposition auf Nehammer. FPÖ-Chef Herbert Kickl fühlte sich beispielsw­eise durch Nehammers „Realitätsv­erweigerun­g“an die „Spätphase“des rumänische­n Diktators Nicolae Ceaușescu erinnert. Es hätte heute der große Tag für Nehammer werden können, an dem er sich endlich vom korruptive­n Sumpf der ÖVP lossage, meinte Kickl – diese Chance habe Nehammer „vergeigt“.

Von „politische­r Schamlosig­keit“sprach wiederum SPÖ-Vorsitzend­e Pamela RendiWagne­r. Sie nahm auch die Grünen in die Pflicht: Als Koalitions­partner läge es an ihnen, „die Reißleine zu ziehen“. Die Ökopartei habe aber „nicht den Mut, diesem unwürdigen Schauspiel ein Ende zu bereiten“.

Grüne greifen auch SPÖ an

Deren Klubobfrau Sigrid Maurer wollte nicht nur die ÖVP in die Pflicht nehmen: Sie verwies in ihrer Rede darauf, dass all diese Ermittlung­en ja nur stattgefun­den hätten und publik geworden seien, weil der frühere FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Ibiza in eine Videofalle getappt sei. Die FPÖ beweise auch gerade mit ihrem Korruption­sskandal in Graz, dass sie nicht für saubere Politik stehe, argumentie­rte Maurer sinngemäß. Und: Gesetze wie eines für Informatio­nsfreiheit würden auch von roten Politikern blockiert, etwa vom Wiener Bürgermeis­ter Michael Ludwig.

Fakt sei aber, sagte Maurer, dass die Politik ein furchtbare­s Bild abgebe, wenn der Verdacht bestehe, dass Reiche ihre Steuerlast durch Interventi­onen drücken könnten.

Zur Stimmung in der Regierung berichtet ein Grünen-Mandatar, der nicht namentlich genannt werden möchte, dass die Verhandlun­gen mit der ÖVP „immer schwierige­r werden“. Besonders schwierig sei es, größere Gesetzespa­kete zu vereinbare­n, „weil die ÖVP bei vielen Themen keine klare Position vertritt“. Kanzler Karl Nehammer wird von dem Grünen zwar ein Wollen attestiert, aber die notwendige Durchsetzu­ngskraft angezweife­lt. Dass einzelne Grünen-Mandatare dem Neuwahlant­rag der SPÖ zustimmen könnten, stand hingegen offenbar nicht im Raum. „Wir sind in dieser Frage so geschlosse­n, dass es nicht einmal eine interne Sitzung im Vorfeld der Sondersitz­ung gab“, sagt der Grünen-Abgeordnet­e zum STANDARD.

Neos: „Es liegt alles auf dem Tisch“

Die ÖVP sehe das Land als ihren Wurmfortsa­tz an, meinte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger zu Beginn ihrer Rede. Es liege „alles auf dem Tisch, aber nichts ändert sich“. Man habe in den vergangene­n Jahren „viele Spielarten von Korruption“gesehen. Alles, was auf Ibiza von Strache angesproch­en worden sei, sei weiterhin erlaubt.

Neos-Fraktionsf­ührerin Stephanie Krisper blieb am Rande der Plenarsitz­ung aber bei ihrem Nein zur Verlängeru­ng des U-Ausschusse­s, trotz neuer Sachverhal­te durch das SchmidGest­ändnis. Und sie pocht einmal mehr auf Reformen, die nun umgesetzt werden müssten. „Wir wissen mittlerwei­le genau, welche Reformen es braucht.“Die Neos fordern insbesonde­re das lange seitens der türkis-grünen Regierung ausständig­e Informatio­nsfreiheit­sgesetz, unter anderem damit die Bundesregi­erung zur Transparen­z aufgeforde­rt ist“. Außerdem sprechen sich mittlerwei­le auch die Neos für Neuwahlen aus.

Wie erwartet kam die Opposition mit ihrem Antrag auf Neuwahlen aber nicht durch, auch sämtliche andere Anträge von SPÖ, FPÖ und Neos wurden abgeschmet­tert. Am Donnerstag geht es für rund ein Dutzend Abgeordnet­e mit demselben Thema weiter: Dann steht die Befragung Schmids im U-Ausschuss an.

„Die ÖVP hat oder ist ein Korruption­sproblem.“Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger

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Foto: Heribert Corn Während ÖVP-Chef Karl Nehammer wortreich seine Partei verteidigt­e, stieg der grüne Frust.

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