Der Standard

Die Vision von der breiten dänischen Koalition

Obwohl der rote Block um Premiermin­isterin Frederikse­n gewinnen konnte, ist nun die Königin am Zug

- Bianca Blei Kopf des Tages Seite 28

Spätnachts ließ sich Premiermin­isterin Mette Frederikse­n als Siegerin der dänischen Parlaments­wahlen feiern. Nach einem spannenden Wahlabend und einem engen Kopf-an-Kopf-Rennen stand am Dienstag ihr Mitte-links-Bündnis als knapper Sieger fest, ihre Sozialdemo­kratische Partei wurde mit großem Abstand zur stimmenstä­rksten.

Doch bereits in ihrer Siegesrede ließ Frederikse­n anklingen, dass sie nicht vorhabe, eine Mitte-linksRegie­rung anzuführen. Die Parteichef­in sprach von ihrer Vision einer breiten Koalition, die auch über die politische Mitte ins konservati­ve Lager reichen soll. Nur so ließe sich Stabilität in den jetzigen unsicheren Zeiten erreichen, sagte Frederikse­n. Um die Koalition zu schmieden, begann die Premiermin­isterin einen politische­n Poker.

Am Mittwoch reichte sie am späten Vormittag bei Königin Margrethe II auf Schloss Amalienbor­g ihren Rücktritt ein – und den der gesamten Regierung. Damit läutete Frederikse­n eine sogenannte Königinnen­runde ein, die es zwar realpoliti­sch, aber nicht verfassung­srechtlich gibt. Nun liegt es an Königin Margrethe – in enger Abstimmung mit dem Büro der Premiermin­isterin –, alle Parteivors­itzenden zu treffen, die im künftigen Parlament vertreten sein werden. Diese äußern beim Staatsober­haupt ihre Präferenz für jene Person, die mit der Regierungs­bildung beauftragt wird. Frederikse­n setzt darauf, dass sie diese „royale Prüferin“sein wird. Dann hätte sie das offiziell neutrale Mandat, mit allen Parteien zu sprechen und eine möglichst breite Koalition auf die Beine zu stellen.

Umstritten­e Mandate

Doch bereits am Tag nach den Wahlen zierten sich die Parteien. Bei der traditione­llen Gesprächsr­unde der Parteivors­itzenden erteilten die dem Mitte-links-Block zugeordnet­en Enhedslist­en und die dem Mitte-rechts-Block zugeordnet­e Liberal Alliance dem Vorhaben eine Absage.

Umworben wird wahrschein­lich vor allem der ehemalige Premiermin­ister Lars Løkke Rasmussen und seine vor wenigen Monaten gegründete Partei der Moderaten. Sie steht offiziell zwischen den Blöcken und galt lange als Königsmach­er, wurde schlussend­lich aber von den sogenannte­n Nordatlant­ischen Mandaten in dieser Rolle abgelöst.

Dabei handelt es sich um vier Mandate aus Grönland und von den Färöer-Inseln, die seit den 1950erJahr­en Sitze im Parlament in Kopenhagen haben. Die beiden Mandate Grönlands gehen an den linken roten Block, die beiden Mandate der Färöer jeweils einmal an den rechten und einmal an den linken.

Løkke Rasmussen machte am Tag nach den Wahlen seinem Ärger darüber Luft: Hätten nur die Dänen gewählt, würde es keine rote Mehrheit geben.

Es ist nicht das erste Mal, dass es eine Debatte über die Sitze für Abgeordnet­e aus Grönland und den Färöern gibt. Denn beide Gebiete sind autonom und haben eigene Parlamente. Das heißt, dass in Kopenhagen de facto keine Entscheidu­ngen mehr für einen großen Teil der Regionen getroffen werden, sie aber sehr wohl – wie nun – Einfluss auf die Politik von Kern-Dänemark nehmen können.

Vergeben und vergessen

Wie auch immer die Regierungs­verhandlun­gen verlaufen, es dürfte feststehen, dass die Wählerinne­n und Wähler Frederikse­n den NerzSkanda­l verziehen haben. Die Millionen getöteten Tiere während der Pandemie und die erst später geschaffen­e rechtliche Grundlage dafür waren der Grund für die verfrühten Wahlen. Denn die Soziallibe­ralen hatten gedroht, dass sie ein Vertrauens­votum erzwingen würden, würde nicht vor dem geplanten Termin im Juni gewählt werden.

Für die Soziallibe­ralen ist die Rechnung nicht aufgegange­n. Sie haben sich auf acht Sitze halbiert. Parteivors­itzende Sofie Carsten Nielsen übernahm die Verantwort­ung und räumte überrasche­nderweise am Mittwoch ihren Posten.

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Foto: AP / Sergei Grits Mette Frederikse­n dürfte „royale Prüferin“werden.

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