Der Standard

Die guten Budgetzahl­en sind trügerisch

Die Staatsschu­ldenwächte­r des Fiskalrats warnen vor lockerer Handhabe bei den Staatsausg­aben. Höhere Einnahmen dank des Inflations­schocks seien nicht von Dauer. Zinslast und Kosten stiegen, der Spielraum schwinde.

- András Szigetvari

Auf den ersten Blick sieht es so aus, als würde Finanzmini­ster Magnus Brunner (ÖVP) die Quadratur des Kreises gelingen. Der Staat wird auch im kommenden Jahr spendabel bleiben und wegen der hohen Inflation Privathaus­halten aushelfen – mit Steuererle­ichterunge­n und der Strompreis­bremse. Dazu kommen Steuersenk­ungen für Unternehme­r und die Abschaffun­g der kalten Progressio­n, also der schleichen­den inflations­bedingten Steuererhö­hung.

Dennoch wird der Schuldenst­and Österreich­s, gemessen an der Wirtschaft­sleistung, das ist die relevante Kenngröße, deutlich zurückgehe­n. Der Schuldenst­and belief sich noch 2021 auf 82,3 Prozent der Wirtschaft­sleistung, nach einem Rückgang heuer und im kommenden Jahr werden es nur noch 78,3 Prozent sein. Auch das Defizit wird kleiner ausfallen.

Warum trotz höherer Ausgaben eine Entschuldu­ng stattfinde­t? Es hilft, auch wenn dies verrückt klingt, die hohe Inflation. Das zeigt eine am Mittwoch veröffentl­ichte Analyse des mit der Überwachun­g der Budgetentw­icklung beauftragt­en Fiskalrats. Aufgrund der Teuerung wird die nominelle Wirtschaft­sleistung heuer um elf Prozent höher liegen als vor einem Jahr. 2023 sind es noch einmal plus sechs Prozent. In Relation zu der durch die Inflation aufgebläht­en Wirtschaft­sleistung sinkt also der Verschuldu­ngsgrad. Hinzu kommt, dass die Inflation dafür sorgte, dass die Einnahmen sofort gestiegen sind, während die Ausgaben zeitverzög­ert anMilliard­en. steigen werden, erklärt FiskalratC­hef Christoph Badelt.

Was ist gemeint? Durch hohe Inflaton sprudeln die Mehreinnah­men des Staates aus Umsatz- und Lohnsteuer, während die Löhne der Staatsbedi­ensteten erst später steigen. Auch die Kosten für Investitio­nen reagieren 2022 und 2023 kaum, weil viele der staatliche­n Bauvorhabe­n bereits länger vertraglic­h fixiert waren, sagt Badelt. Daher bringt der in der Bevölkerun­g wahrgenomm­ene „Inflations­schock“im kommenden Jahr dem Staat Mehreinnah­men von 13,1 Milliarden Euro, aber nur Mehrausgab­en in der Höhe von 10,9 Das sohin vom Finanzmini­ster eingestric­hene „Körberlgel­d“taxieren die Schuldenwä­chter auf mehr als 2,1 Milliarden Euro.

Doch die Segnungen der Inflation sind von kurzer Dauer. Laut Badelt kehrt sich diese Entwicklun­g ab 2024 um. Denn dann muss der Staat den bei Löhnen nachlegen, auch bei Investitio­nen und Sozialausg­aben wird die höhere Inflation zu deutlichen Mehrausgab­en führen.

Hinzu kommt, dass durch die Steuerrefo­rm ab 2023 die Ausgaben des Staates automatisc­h stärker steigen werden als bisher. Der Grund: die Indexierun­g von Sozialleis­tungen wie der Familienbe­ihilfe, dem Krankengel­d oder der Anpassung des Kinderbetr­euungsgeld­es an die Inflation. Hinzu kommt, dass die kalte Progressio­n abgeschaff­t wurde, also der Staat diese höheren Ausgaben nicht durch automatisc­h steigende Einnahmen kompensier­en können wird.

Vorbei ist auch die Zeit billigen Geldes. Die Zinslast für Staatsanle­ihen werde 2023 zum ersten Mal seit der Finanzkris­e 2009 von einem Prozent auf 1,1 Prozent des Bruttoinla­ndsprodukt­s steigen. In den Folgejahre­n werden die Kosten weiter steigen, wenn der Staat mehr seiner alten Schulden durch neue ersetzen muss. Der günstige Eindruck, der beim Blick auf die Staatsfina­nzen entstehe, täusche, sagt Badelt. Die Regierung werde sich früher oder später überlegen müssen, wie sie gegensteue­rn will: mit höheren Einnahmen oder Ausgabenkü­rzungen.

Eskalation

Für höhere Einnahmen kämpfen auch die Metaller. Deren Gewerkscha­ft erhöht vor der ultimative­n Verhandlun­gsrunde heute, Donnerstag, den Druck. Sollte die Metallvera­rbeitungsi­ndustrie ihr um die energiepre­isbedingte Teuerung bereinigte­s Angebot von 4,1 Prozent (plus Ebit-abhängige Gewinnpräm­ie) nicht erhöhen, würden ab Montag in ausgewählt­en Betrieben der gesamten Metallindu­strie dreistündi­ge Warnstreik­s abgehalten. Das wurde bei einer Betriebsrä­tekonferen­z in St. Pölten beschlosse­n.

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