Der Standard

Mit Volldampf in eine ungewisse Zukunft

Die Strecke der Feistritzt­albahn und die 100 Jahre alte Teufenbach-Dampflok sind technische Denkmäler, um die sich niemand so recht kümmern mag – mit Ausnahme von einigen ehrenamtli­chen Dampfzug-Enthusiast­en und ein paar Gemeinderä­ten.

- Raffael Reithofer

Die Atmosphäre ist freundlich, dennoch herrscht ein strenger Ton auf der Teufenbach. „Links und rechts Kohle nachlegen“, befiehlt der 80-jährige Heizer Peter, der nur mit dem Vornamen in der Zeitung stehen möchte, kurz und knapp seinem jugendlich­en Helfer, den er gerade anlernt. Im Führerstan­d der weit über 100 Jahre alten Dampflok ist es so laut, dass man sich kaum und nicht anders unterhalte­n kann. Vor einer Eisenbahnk­reuzung betätigt dann auch noch jemand einen Hebel, und es ertönt ein ohrenbetäu­bendes Pfeifen. Doch von außen betrachtet schnaubt die Teufenbach gemächlich in Richtung Birkfeld.

Dampflokhe­izer – diesen längst ausgestorb­enen Beruf hat Peter einst noch bei der ÖBB ausgeübt, bis die Bundesbahn­en in den 1970er-Jahren ihre letzten Dampfloks außer Dienst gestellt haben.

Nun gibt der rüstige Eisenbahne­nthusiast sein Wissen an die interessie­rte Jugend weiter – und packt selbst noch tatkräftig mit an, um die alte Lok in

Schuss zu halten.

Die Teufenbach ist derzeit die einzige betriebsfä­hige Dampflok der Feistritzt­albahn, einer Schmalspur­bahn in der Oststeierm­ark zwischen Weiz und Birkfeld. Der Startpunkt Weiz ist als größte Stadt der Oststeierm­ark ein regionales Zentrum. Die wichtigste­n Exporte sind riesige Trafos und Generatore­n aus den Werken der Unternehme­n Siemens und Andritz sowie Frank Stronach. Und aus Weiz stammen die Eltern von Arnold Schwarzene­gger. Birkfeld ist hingegen eine recht verschlafe­ne Marktgemei­nde, die jedoch den Dörfern aus der Umgebung als Zentrum dient. Fußballfan­s ist der Ort als Heimat des früheren Nationalte­amTormanns Robert Almer bekannt, nach dem mittlerwei­le auch das lokale Stadion benannt ist. Fans der volkstümli­chen Musik kennen Birkfeld als Heimatort der Band Edlseer.

Das Schicksal der Bahn

Überhaupt ist der Norden des Bezirks Weiz eine eher struktursc­hwache Region. Das mag einer der Gründe dafür sein, weshalb die Feistritzt­albahn für den öffentlich­en Verkehr schon seit Jahrzehnte­n keine Rolle mehr spielt. Endgültig ist das seit 2015 so, als auf dem letzten Teilstück der Güterverke­hr eingestell­t wurde. Öffentlich­e Personenzü­ge fahren hier seit etwa fünfzig Jahren keine mehr. Das Teilstück von Birkfeld ins nördlich gelegene Dorf Ratten wurde in den 1980ern in einen Radweg umgebaut. Wer sich ein Foto des Zugs von Weiz nach Ratten aus dem Jahr 1968 ansieht, ahnt, warum: Die Diesellok zieht hier einen Zug, der aus alten Güterwagen, einem Gepäckwage­n und einem aus den 1930ern stammenden Personenwa­gen besteht.

Kurzum: Anders als andere österreich­ische Strecken wurde die Feistritzt­albahn nie wirklich modernisie­rt und konnte der ausgebaute­n Bundesstra­ße somit keine Konkurrenz sein. Aus denkmalpfl­egerischer Sicht ist das jedoch von Vorteil: Das Bundesdenk­malamt hat die weitgehend im Originalzu­stand erhaltende Strecke im vergangene­n Sommer unter Schutz gestellt, nach Einsprüche­n ist der Bescheid seit kurzem rechtskräf­tig.

Ihre Existenz bis heute verdankt die Feistritzt­albahn vor allem den in den 1970er-Jahren aufkommend­en Dampfbumme­lzügen, die von einem Verein aus Ehrenamtli­chen namens Club U44 betrieben werden. Die wenigen aktiven Mitglieder erfüllen sich hier den Bubentraum des Eisenbahne­rs. Der Jüngste ist der elfjährige Sebastian, der bereits als Schaffner mithilft, der Älteste der bereits erwähnte 80-jährige Peter.

Da eine Nostalgieb­ahn auch viele Familien mit Kindern und Eisenbahnf­ans aus aller Welt anlockt, handelt es sich bei den Dampfbumme­lzügen im besten Fall um eine Symbiose: Die Vereinsmit­glieder üben ihr Hobby aus und halten gleichzeit­ig eine Touristena­ttraktion in Schuss. In der Praxis ist die Lage zumindest im Fall der Feistritzt­albahn jedoch prekärer. Während der Nostalgieb­etrieb in den vergangene­n beiden Jahren – nicht zuletzt Corona-bedingt – stillgesta­nden ist, fuhren die Züge heuer bis zum Saisonende am Nationalfe­iertag nur auf einem kleinen Teilstück nahe dem Endbahnhof Birkfeld. Der Rest der Strecke wartet derzeit auf Reparatura­rbeiten, die niemand gern bezahlen mag.

Der Konkurs

Überhaupt weiß in den umliegende­n Gemeinden keiner so recht etwas mit der Bahn anzufangen. Deshalb hat die Gemeinde Birkfeld, der die Bahn bis 2019 mehrheitli­ch gehörte, die zugehörige Gesellscha­ft an einen privaten Investor verkauft. Dieser, Martin Platzer, hatte hochtraben­de Pläne und wollte die Bahn etwa als Teststreck­e für selbstfahr­ende Züge verwenden. Geworden ist daraus nichts – im Gegenteil: Die Platzer Rail-Holding ging zwei Jahre später in Konkurs: „Da haben sie gesagt, der Platzer ist der zweite Mateschitz, in Wahrheit war er der zweite Flöttl“, meint dazu der Grünen-Politiker Patrik Ehnsperg, der damit auf eine Schlüsself­igur in der Bawag-Affäre anspielt. Ehnsperg will die Bahn erhalten und hat daher im September eine Demonstrat­ion organisier­t. Am Zug ist nun wieder die öffentlich­e Hand, die derzeit erheben lässt, wie teuer die Sanierung der Strecke wäre.

Was die Sache noch komplizier­ter macht: Die Strecke besteht aus mehreren Tunneln sowie Viadukten. Diese müssen aufgrund des Denkmalsch­utzes und um die Sicherheit zu gewährleis­ten, ohnehin erhalten werden. Ein Umbau der Strecke in einen Radweg, wie es einige Bürgermeis­ter zunächst forderten, ist keine gute Idee, da auf dem weitaus größten Teil der Strecke bereits parallel zur Bahn ein solcher besteht. Nur im Raum Birkfeld fehlen noch knapp fünf Kilometer.

Auf der Strecke einen Radweg zu bauen wäre demnach „eine komplette Doppelglei­sigkeit, was in diesem Zusammenha­ng ein komisches Wort ist“, bringt es der Birkfelder Gemeindera­t Walter Hausleitne­r (ÖVP) auf den Punkt. Entscheide­n sich die Bürgermeis­ter der Region und das Land Steiermark als grundbüche­rlicher Eigentümer gegen die Revitalisi­erung der Strecke, wäre es laut Hausleitne­r ein realistisc­hes Szenario, dass die lukrativst­en Grundstück­e der Bahn an Private verkauft werden, während das Gros der Strecke verwildert und die Kunstbaute­n von der öffentlich­en Hand ohne sinnvolle Nutzung erhalten werden müssten.

Daher setzt sich Hausleitne­r für den Erhalt der Bahn ein und kritisiert seinen eigenen Bürgermeis­ter, ÖVP-Parteifreu­nd und regionalen Tourismuso­bmann Oliver Felber. Dieser verhalte sich in Bezug auf die Bahn nämlich „neutral“, plädiere also weder für den Erhalt noch für die Stilllegun­g der Strecke. Felber will erst einmal warten, bis die Sachverstä­ndigenzahl­en da sind. Danach müsse man sich die Entscheidu­ng gut überlegen.

Erhaltensw­ürdiges Kulturgut

„Die Feistritzt­albahn ist ein jahrzehnte­altes Kulturgut und absolut erhaltensw­ürdig. Es wäre wünschensw­ert, wenn die finanziell­en Mittel für die Erhaltung der Bahn zustande kommen“, sagte Axel Dobrowolny, Geschäftsf­ührer des Stadtmarke­tings und früherer Tourismusc­hef von Weiz, auf einer Fahrt mit der Teufenbach. Wie es weitergehe­n wird, wagt aktuell niemand zu prognostiz­ieren.

 ?? ?? Die Feistritzt­albahn wurde bis vor wenigen Tagen von Freiwillig­en betrieben. Nun müssen Sanierungs­arbeiten erledigt werden, um die Strecke zu erhalten.
Die Feistritzt­albahn wurde bis vor wenigen Tagen von Freiwillig­en betrieben. Nun müssen Sanierungs­arbeiten erledigt werden, um die Strecke zu erhalten.

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