Mit Volldampf in eine ungewisse Zukunft
Die Strecke der Feistritztalbahn und die 100 Jahre alte Teufenbach-Dampflok sind technische Denkmäler, um die sich niemand so recht kümmern mag – mit Ausnahme von einigen ehrenamtlichen Dampfzug-Enthusiasten und ein paar Gemeinderäten.
Die Atmosphäre ist freundlich, dennoch herrscht ein strenger Ton auf der Teufenbach. „Links und rechts Kohle nachlegen“, befiehlt der 80-jährige Heizer Peter, der nur mit dem Vornamen in der Zeitung stehen möchte, kurz und knapp seinem jugendlichen Helfer, den er gerade anlernt. Im Führerstand der weit über 100 Jahre alten Dampflok ist es so laut, dass man sich kaum und nicht anders unterhalten kann. Vor einer Eisenbahnkreuzung betätigt dann auch noch jemand einen Hebel, und es ertönt ein ohrenbetäubendes Pfeifen. Doch von außen betrachtet schnaubt die Teufenbach gemächlich in Richtung Birkfeld.
Dampflokheizer – diesen längst ausgestorbenen Beruf hat Peter einst noch bei der ÖBB ausgeübt, bis die Bundesbahnen in den 1970er-Jahren ihre letzten Dampfloks außer Dienst gestellt haben.
Nun gibt der rüstige Eisenbahnenthusiast sein Wissen an die interessierte Jugend weiter – und packt selbst noch tatkräftig mit an, um die alte Lok in
Schuss zu halten.
Die Teufenbach ist derzeit die einzige betriebsfähige Dampflok der Feistritztalbahn, einer Schmalspurbahn in der Oststeiermark zwischen Weiz und Birkfeld. Der Startpunkt Weiz ist als größte Stadt der Oststeiermark ein regionales Zentrum. Die wichtigsten Exporte sind riesige Trafos und Generatoren aus den Werken der Unternehmen Siemens und Andritz sowie Frank Stronach. Und aus Weiz stammen die Eltern von Arnold Schwarzenegger. Birkfeld ist hingegen eine recht verschlafene Marktgemeinde, die jedoch den Dörfern aus der Umgebung als Zentrum dient. Fußballfans ist der Ort als Heimat des früheren NationalteamTormanns Robert Almer bekannt, nach dem mittlerweile auch das lokale Stadion benannt ist. Fans der volkstümlichen Musik kennen Birkfeld als Heimatort der Band Edlseer.
Das Schicksal der Bahn
Überhaupt ist der Norden des Bezirks Weiz eine eher strukturschwache Region. Das mag einer der Gründe dafür sein, weshalb die Feistritztalbahn für den öffentlichen Verkehr schon seit Jahrzehnten keine Rolle mehr spielt. Endgültig ist das seit 2015 so, als auf dem letzten Teilstück der Güterverkehr eingestellt wurde. Öffentliche Personenzüge fahren hier seit etwa fünfzig Jahren keine mehr. Das Teilstück von Birkfeld ins nördlich gelegene Dorf Ratten wurde in den 1980ern in einen Radweg umgebaut. Wer sich ein Foto des Zugs von Weiz nach Ratten aus dem Jahr 1968 ansieht, ahnt, warum: Die Diesellok zieht hier einen Zug, der aus alten Güterwagen, einem Gepäckwagen und einem aus den 1930ern stammenden Personenwagen besteht.
Kurzum: Anders als andere österreichische Strecken wurde die Feistritztalbahn nie wirklich modernisiert und konnte der ausgebauten Bundesstraße somit keine Konkurrenz sein. Aus denkmalpflegerischer Sicht ist das jedoch von Vorteil: Das Bundesdenkmalamt hat die weitgehend im Originalzustand erhaltende Strecke im vergangenen Sommer unter Schutz gestellt, nach Einsprüchen ist der Bescheid seit kurzem rechtskräftig.
Ihre Existenz bis heute verdankt die Feistritztalbahn vor allem den in den 1970er-Jahren aufkommenden Dampfbummelzügen, die von einem Verein aus Ehrenamtlichen namens Club U44 betrieben werden. Die wenigen aktiven Mitglieder erfüllen sich hier den Bubentraum des Eisenbahners. Der Jüngste ist der elfjährige Sebastian, der bereits als Schaffner mithilft, der Älteste der bereits erwähnte 80-jährige Peter.
Da eine Nostalgiebahn auch viele Familien mit Kindern und Eisenbahnfans aus aller Welt anlockt, handelt es sich bei den Dampfbummelzügen im besten Fall um eine Symbiose: Die Vereinsmitglieder üben ihr Hobby aus und halten gleichzeitig eine Touristenattraktion in Schuss. In der Praxis ist die Lage zumindest im Fall der Feistritztalbahn jedoch prekärer. Während der Nostalgiebetrieb in den vergangenen beiden Jahren – nicht zuletzt Corona-bedingt – stillgestanden ist, fuhren die Züge heuer bis zum Saisonende am Nationalfeiertag nur auf einem kleinen Teilstück nahe dem Endbahnhof Birkfeld. Der Rest der Strecke wartet derzeit auf Reparaturarbeiten, die niemand gern bezahlen mag.
Der Konkurs
Überhaupt weiß in den umliegenden Gemeinden keiner so recht etwas mit der Bahn anzufangen. Deshalb hat die Gemeinde Birkfeld, der die Bahn bis 2019 mehrheitlich gehörte, die zugehörige Gesellschaft an einen privaten Investor verkauft. Dieser, Martin Platzer, hatte hochtrabende Pläne und wollte die Bahn etwa als Teststrecke für selbstfahrende Züge verwenden. Geworden ist daraus nichts – im Gegenteil: Die Platzer Rail-Holding ging zwei Jahre später in Konkurs: „Da haben sie gesagt, der Platzer ist der zweite Mateschitz, in Wahrheit war er der zweite Flöttl“, meint dazu der Grünen-Politiker Patrik Ehnsperg, der damit auf eine Schlüsselfigur in der Bawag-Affäre anspielt. Ehnsperg will die Bahn erhalten und hat daher im September eine Demonstration organisiert. Am Zug ist nun wieder die öffentliche Hand, die derzeit erheben lässt, wie teuer die Sanierung der Strecke wäre.
Was die Sache noch komplizierter macht: Die Strecke besteht aus mehreren Tunneln sowie Viadukten. Diese müssen aufgrund des Denkmalschutzes und um die Sicherheit zu gewährleisten, ohnehin erhalten werden. Ein Umbau der Strecke in einen Radweg, wie es einige Bürgermeister zunächst forderten, ist keine gute Idee, da auf dem weitaus größten Teil der Strecke bereits parallel zur Bahn ein solcher besteht. Nur im Raum Birkfeld fehlen noch knapp fünf Kilometer.
Auf der Strecke einen Radweg zu bauen wäre demnach „eine komplette Doppelgleisigkeit, was in diesem Zusammenhang ein komisches Wort ist“, bringt es der Birkfelder Gemeinderat Walter Hausleitner (ÖVP) auf den Punkt. Entscheiden sich die Bürgermeister der Region und das Land Steiermark als grundbücherlicher Eigentümer gegen die Revitalisierung der Strecke, wäre es laut Hausleitner ein realistisches Szenario, dass die lukrativsten Grundstücke der Bahn an Private verkauft werden, während das Gros der Strecke verwildert und die Kunstbauten von der öffentlichen Hand ohne sinnvolle Nutzung erhalten werden müssten.
Daher setzt sich Hausleitner für den Erhalt der Bahn ein und kritisiert seinen eigenen Bürgermeister, ÖVP-Parteifreund und regionalen Tourismusobmann Oliver Felber. Dieser verhalte sich in Bezug auf die Bahn nämlich „neutral“, plädiere also weder für den Erhalt noch für die Stilllegung der Strecke. Felber will erst einmal warten, bis die Sachverständigenzahlen da sind. Danach müsse man sich die Entscheidung gut überlegen.
Erhaltenswürdiges Kulturgut
„Die Feistritztalbahn ist ein jahrzehntealtes Kulturgut und absolut erhaltenswürdig. Es wäre wünschenswert, wenn die finanziellen Mittel für die Erhaltung der Bahn zustande kommen“, sagte Axel Dobrowolny, Geschäftsführer des Stadtmarketings und früherer Tourismuschef von Weiz, auf einer Fahrt mit der Teufenbach. Wie es weitergehen wird, wagt aktuell niemand zu prognostizieren.