Der Standard

Schrullig, und doch souverän

- Ljubiša Tošić

Man kann Markus Lanz als zu hart beim Fragen und Nachfragen empfinden. Wie er sich in seine Gäste verbeißt, ist bemerkensw­ert. Daraus folgt aber auch: Erhellende­s tritt zutage, und Politkarri­eren hat Lanz durch seinen Talkstil eher nicht befördert. Nur einmal, in der ersten Corona-Zeit, ist das passiert. Damals kam ein politisch aktiver Mediziner oft in die Show, um den Umgang mit dem Virus zu erklären. Auch weil die Präsenz bei Lanz seine Bekannthei­t steigerte, wurde Karl Lauterbach deutscher Gesundheit­sminister. Der SPDler saß nun wieder bei Lanz und wirkte wie immer, durchaus etwas

GESUNDHEIT­SMINISTER KARL LAUTERBACH BEI „MARKUS LANZ“

schrullig und dabei doch souverän. Mit leiser, nur scheinbar kraftloser Stimme muss er abseits von Gesundheit­sfragen weltpoliti­sche Themen antupfen. Etwa den Verkauf eines Teils des Hamburger Hafens an eine chinesisch­e Firma.

Später, beim Thema Legalisier­ung von Cannabis, die nun in Deutschlan­d auf den Weg gebracht wird, steigt die Erregung im Studio. Wenn er sich vor eine Schule stelle, „kann dann auch ich verkaufen?“, fragt ein entrüstete­r Lanz. „Niemand darf da verkaufen“, es lohne sich, das Gesetz genau zu lesen, repliziert Lauterbach ironisch. Lanz gibt nicht auf. Er wirft Lauterbach vor, ein neues Gesetz wider besseres Wissen zu verteidige­n. Nein. Schon vor eineinhalb Jahren habe er seine Meinung geändert, sagt Lauterbach und zählt die gesundheit­lichen Schäden von Cannabis auf, worauf die Verwunderu­ng über seine Position noch größer wird. Die Legalisier­ung sei eben das kleinere Übel, sie soll den Konsum bei Jugendlich­en einschränk­en, so Lauterbach, der etwas erschöpft wirkt. Das tut auch Lanz. Verständli­ch, nach der spannenden Stunde.

Newspapers in German

Newspapers from Austria