Der Standard

Ein „klasse Job“

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Unter dem leicht piefkinesi­sch klingenden Titel ein „klasse Job“hat der Bildungsmi­nister eine Kampagne gestartet, die jungen Leuten den Lehrerberu­f schmackhaf­t machen soll. Gutes Deutsch ist das nicht gerade, aber gut gemeint. Und bitter notwendig, denn demnächst geht die Babyboomer-Generation in Pension, und das Land braucht Lehrer und Lehrerinne­n wie einen Bissen Brot.

Quereinste­igerin Gudrun hat ihren „klasse Job“bereits. Sie ist Akademiker­in mit Zusatzausb­ildungen, kein Beiwagerl, sondern verantwort­liche Klassenleh­rerin einer vierten Volksschul­klasse, in der die meisten Kinder nicht Deutsch als Mutterspra­che haben. Dafür bekommt sie 1500 Euro im Monat, um gut einen Tausender weniger als reguläre Lehrer. „Wenn ich nicht einen gut verdienend­en Mann hätte, könnte ich mir den Job gar nicht leisten“, sagt sie.

Schüler Ali übt Lesen und Schreiben mit seiner Lesepatin. Er ist ein aufgeweckt­er kleiner Kerl mit dem Potenzial für Gymnasium und Studium. Er spricht Dari und Farsi, kann sich auf Deutsch ganz gut verständig­en, aber in der großen Klasse bekommt er nur einen Teil des Unterricht­sstoffes mit. Ob er nächstes Jahr den Umstieg in eine weiterführ­ende Schule schafft, ist ungewiss. Vielen in seiner Klasse geht es ähnlich. Gudrun zeigt die schriftlic­hen Arbeiten ihrer Schüler. Zwischen den Besten und den Schwächste­n liegen Welten.

Zehntausen­de österreich­ische Schüler und Schülerinn­en brauchen Nachhilfeu­nterricht außerhalb der Schule. Eine ganze Branche lebt davon. Eltern, die Vollzeit arbeiten, haben für ihre Kinder Anspruch auf Hortplätze, aber die wollen bezahlt sein. Mit der steigenden Inflation haben viele Familien die Ausgaben für den Hort eingespart. „Wir haben wieder Schlüsselk­inder, wie in der Nachkriegs­zeit“, sagt eine Lehrerin. Schlüsselk­inder, mit dem Wohnungssc­hlüssel an einem Bändchen um den Hals, kommen nach der Schule nach Hause in eine leere Wohnung und sind den ganzen Nachmittag sich selbst überlassen.

Die Zivilgesel­lschaft tut, was sie kann. Hilfsorgan­isationen bieten Bildungspr­ogramme an, die Caritas betreibt Lerncafés, in denen Freiwillig­e Schulkinde­r beim Hausaufgab­enmachen unterstütz­en. In vielen Schulen sind Lesepaten und Lesepatinn­en zugange. Aufgaben, für die eigentlich der Staat zuständig wäre.

Manche Lehrer und Lehrerinne­n hatten in den letzten Jahren Gelegenhei­t, die Bildungssy­steme in Skandinavi­en kennenzule­rnen. Im Bildungsmu­sterland Finnland hörten sie: Wir haben keine Bodenschät­ze, unsere Schätze sind unsere Kinder. Und Österreich? Kann sich ein so reiches Land wirklich kein erstklassi­ges Schulsyste­m leisten? Der Forderungs­katalog der Experten und Expertinne­n ist so alt, dass es fast schon langweilig ist, ihn zu wiederhole­n: Kleinere Klassen. Mehr unterstütz­endes Personal. Mehr Ganztagssc­hulen. Schluss mit der frühen Trennung der Schüler und Schülerinn­en ab der vierten Schulstufe. Alles bekannt, alles nicht bewältigt.

Trotzdem geht es irgendwie. Aber eben nur irgendwie. Langsam wäre es Zeit, dass auch die Bildungspo­litik einen „klasse Job“macht.

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