Auftritt von Schmid im U-Ausschuss soll wiederholt werden
Neos wollen Verlängerung zustimmen Zeuge beantwortete keine einzige Frage
Wien – So hatten sich das die Abgeordneten im parlamentarischen Untersuchungsausschuss zu mutmaßlicher ÖVP-Korruption nicht vorgestellt: Thomas Schmid, Schlüsselfigur in zahlreichen Affären und potenzieller Kronzeuge im Strafverfahren, beantwortete überraschenderweise keine einzige Frage. Die Abgeordneten hatten damit gerechnet, dass Schmid zumindest seine Angaben vor der Wirtschaftsund Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) wiederholen und damit unter Wahrheitspflicht aussagen würde. Aber Schmid bestätigte nicht einmal, dass die Protokolle seine Unterschrift aufwiesen.
Nach den mühsamen knapp vier Stunden, in denen Schmid befragt wurde, zeigten sich die Abgeordneten unisono empört und verärgert. Von einer Farce war da die Rede, ebenso von einem schwarzen Tag für den Parlamentarismus. Man werde Schmid jedenfalls noch einmal laden, sobald er seine Aussagen vor der WKStA abgeschlossen und der Verfassungsgerichtshof über eine Klage rund um den U-Ausschuss entschieden habe, kündigte die SPÖ an. Das könnte aber zeitlich eng werden, weil der U-Ausschuss laut Plan am 7. Dezember enden soll. Die Neos stimmen deshalb nun doch einer Verlängerung des U-Ausschusses zu.
Schmids Anwalt Roland Kier begründete das Schweigen seines Mandanten, das Schmid zahlreiche Anträge auf Beugestrafen einbrachte, auch damit, dass die ÖVP „einen Konsultationsmechanismus zum Schutz der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen abgelehnt“habe.
Vor der WKStA will Schmid weiterhin aussagen, diese Einvernahme geht nächste Woche weiter. (red)
Die Freude war wahrlich eine große. „So viel war schon lange nicht mehr im U-Ausschuss los“, stellten nicht wenige Abgeordnete vor Beginn der Befragung am Donnerstag fest. Und tatsächlich: In den vergangenen Wochen und Monaten hatte das Interesse am U-Ausschuss abgenommen. Die Neos besiegelten das schließlich sogar mit der Ankündigung, diesen nicht verlängern zu wollen – sehr zum Unmut von SPÖ und FPÖ. Bis heute – aber dazu später mehr.
Denn nun hatte es eine Person geschafft, das Interesse neu zu entfachen: Thomas Schmid. Die Fraktionen im U-Ausschuss setzten seit langer Zeit alle Hebel in Bewegung, um die Schlüsselfigur sämtlicher publikgewordener ÖVP-Affären in den Ausschuss zu bekommen. Schmid drohte sogar eine polizeiliche Vorführung.
Gewaltiger Medienrummel
Kurz vor neun Uhr war es dann so weit: Der Aufmarsch war so gewaltig, dass sogar einzelne Abgeordnete wie Franz Hörl (ÖVP) aus den Fenstern ihrer Büros hinausschauten. Begleitet von Parlamentsmitarbeitern, seinem Anwalt Roland Kier und dutzenden Vertretern auch internationaler Medien traf Thomas Schmid Donnerstagfrüh im Ausweichquartier des Parlaments zu seiner Aussage vor dem ÖVP-Korruptions-U-Ausschuss ein.
Das massive Interesse an seiner Person ist logisch: Nach seinem Rücktritt als Öbag-Chef im Juni 2021 war der früher so kommunikative Ex-Generalsekretär im Finanzministerium nahezu verschwunden. Er zog ins Ausland, für Mediengespräche war er spätestens seit den ersten publikgewordenen Chats ohnehin nicht verfügbar. Auch vor den Ermittlern der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) schwieg Schmid lange.
Dass er dann plötzlich als potenzieller Kronzeuge auftauchte, der seine früheren Parteikollegen schwer belastete, machte ihn für Medien und Opposition nur umso interessanter. Wer wusste schon, was Schmid vor dem U-Ausschuss erzählen würde?
Um 9.15 Uhr passierte es schließlich: Schmid marschierte, ohne ein Wort an die wartenden Medienvertreter zu verlieren, in den Befragungsraum des U-Ausschusses. Die große Vorfreude sollte aber rasch enttäuscht werden. Schon in seinem Eingangsstatement machte Schmid klar, dass er keine Fragen beantworten würde.
Mehrfache Beugestrafen drohen
Der einstige Generalsekretär im Finanzministerium wirkte nervös und blickte während seines Eingangsstatements, das er abgelesen hatte, kaum in Richtung der Abgeordneten auf. Erst später traute er sich, ohne abzulesen, seine immergleiche Antwort auf ihm gestellte Fragen zu wiederholen: nämlich die, dass er von seinem Aussageverweigerungsrecht Gebrauch mache und deshalb keine Fragen beantworte. Es war ein unwürdiges Schauspiel, das Beobachter an diesem Tag im U-Ausschuss zu sehen bekamen – Schmid drohen nun mehrfach Beugestrafen; darüber wird ein Gericht entscheiden.
Die FPÖ sprach demzufolge auch von einem der „schwärzesten Tage des Parlamentarismus“, die ÖVP zeigte sich „sehr, sehr unzufrieden“mit Justizministerin Alma Zadić (Grüne). Doch die Befragung von Schmid – oder, besser gesagt, deren Versuch – dürfte eine Fortsetzung erhalten: Die SPÖ kündigte an, Schmid noch einmal laden zu wollen. Und die Neos gaben überraschend bekannt, dafür sogar doch einer Verlängerung des U-Ausschusses zustimmen zu wollen.
Und warum war Schmid überhaupt erschienen? Ihm drohte ja schon die polizeiliche Vorführung, auch die WKStA drängte darauf, dass Schmid die Ladung wahrnehme. Das Agieren seines Mandanten vor den Abgeordneten erklärte sein Anwalt Roland Kier so: „Dem Ansinnen einzelner parteilich agierender Mitglieder des Untersuchungsausschusses, durch Nebelgranaten eine objektive Wahrheitsfindung zu torpedieren und – einzigartig in der Zweiten Republik – einen Konsultationsmechanismus zum Schutz der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsarbeit abzulehnen, wird damit in der rechtsstaatlich gebotenen Weise entgegengetreten.“
Erwartet hatten das die allermeisten Abgeordneten nicht: Sie dachten, dass Schmid unter Wahrheitspflicht die gegenüber der WKStA geäußerten Vorhalte gegen etwa Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka und ÖVP-Klubchef August Wöginger, vor allem aber gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz, wiederholen würde. Damit hätte er seine Glaubwürdigkeit gestärkt, darf Schmid als Beschuldigter ja lügen – wenngleich eine falsche Aussage seine Chancen auf die Kronzeugenschaft vernichtet.
ÖVP insgeheim erleichtert
In puncto Litigation-PR, also Meinungsbildung rund um Ermittlungen, war der Auftritt von Thomas Schmid somit ein Punktesieg für die ÖVP. Sie kann fortan darauf hinweisen, dass sich Schmid geweigert hat, die belastenden Aussagen gegen ihre (Ex-)Politiker unter Wahrheitspflicht zu wiederholen.
Vor der WKStA will Schmid jedenfalls weiterhin aussagen, kündigte sein Anwalt an. Die nächsten Einvernahmen sind für 7. und 9. November anberaumt; inhaltlich dürfte es da um neue von Schmid aufgebrachte Sachverhalte gehen – also unter anderem um seine Vorwürfe, Sobotka habe rund um eine Steuerprüfung interveniert.
Außerdem gibt es weiterhin geschwärzte Stellen in Schmids „Offenbarung“neuer Sachverhalte, die für heftige Spekulationen sorgen. Nach den zwei kommenden Terminen will die WKStA Schmids Einvernahmen jedenfalls – vorerst – abgeschlossen haben. Der U-Ausschuss dürfte dann einen neuen Versuch unternehmen, den potenziellen Kronzeugen zum Reden zu bringen.