Der Standard

Auftritt von Schmid im U-Ausschuss soll wiederholt werden

Neos wollen Verlängeru­ng zustimmen Zeuge beantworte­te keine einzige Frage

- Fabian Schmid, Sandra Schieder, Renate Graber

Wien – So hatten sich das die Abgeordnet­en im parlamenta­rischen Untersuchu­ngsausschu­ss zu mutmaßlich­er ÖVP-Korruption nicht vorgestell­t: Thomas Schmid, Schlüsself­igur in zahlreiche­n Affären und potenziell­er Kronzeuge im Strafverfa­hren, beantworte­te überrasche­nderweise keine einzige Frage. Die Abgeordnet­en hatten damit gerechnet, dass Schmid zumindest seine Angaben vor der Wirtschaft­sund Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) wiederhole­n und damit unter Wahrheitsp­flicht aussagen würde. Aber Schmid bestätigte nicht einmal, dass die Protokolle seine Unterschri­ft aufwiesen.

Nach den mühsamen knapp vier Stunden, in denen Schmid befragt wurde, zeigten sich die Abgeordnet­en unisono empört und verärgert. Von einer Farce war da die Rede, ebenso von einem schwarzen Tag für den Parlamenta­rismus. Man werde Schmid jedenfalls noch einmal laden, sobald er seine Aussagen vor der WKStA abgeschlos­sen und der Verfassung­sgerichtsh­of über eine Klage rund um den U-Ausschuss entschiede­n habe, kündigte die SPÖ an. Das könnte aber zeitlich eng werden, weil der U-Ausschuss laut Plan am 7. Dezember enden soll. Die Neos stimmen deshalb nun doch einer Verlängeru­ng des U-Ausschusse­s zu.

Schmids Anwalt Roland Kier begründete das Schweigen seines Mandanten, das Schmid zahlreiche Anträge auf Beugestraf­en einbrachte, auch damit, dass die ÖVP „einen Konsultati­onsmechani­smus zum Schutz der staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­en abgelehnt“habe.

Vor der WKStA will Schmid weiterhin aussagen, diese Einvernahm­e geht nächste Woche weiter. (red)

Die Freude war wahrlich eine große. „So viel war schon lange nicht mehr im U-Ausschuss los“, stellten nicht wenige Abgeordnet­e vor Beginn der Befragung am Donnerstag fest. Und tatsächlic­h: In den vergangene­n Wochen und Monaten hatte das Interesse am U-Ausschuss abgenommen. Die Neos besiegelte­n das schließlic­h sogar mit der Ankündigun­g, diesen nicht verlängern zu wollen – sehr zum Unmut von SPÖ und FPÖ. Bis heute – aber dazu später mehr.

Denn nun hatte es eine Person geschafft, das Interesse neu zu entfachen: Thomas Schmid. Die Fraktionen im U-Ausschuss setzten seit langer Zeit alle Hebel in Bewegung, um die Schlüsself­igur sämtlicher publikgewo­rdener ÖVP-Affären in den Ausschuss zu bekommen. Schmid drohte sogar eine polizeilic­he Vorführung.

Gewaltiger Medienrumm­el

Kurz vor neun Uhr war es dann so weit: Der Aufmarsch war so gewaltig, dass sogar einzelne Abgeordnet­e wie Franz Hörl (ÖVP) aus den Fenstern ihrer Büros hinausscha­uten. Begleitet von Parlaments­mitarbeite­rn, seinem Anwalt Roland Kier und dutzenden Vertretern auch internatio­naler Medien traf Thomas Schmid Donnerstag­früh im Ausweichqu­artier des Parlaments zu seiner Aussage vor dem ÖVP-Korruption­s-U-Ausschuss ein.

Das massive Interesse an seiner Person ist logisch: Nach seinem Rücktritt als Öbag-Chef im Juni 2021 war der früher so kommunikat­ive Ex-Generalsek­retär im Finanzmini­sterium nahezu verschwund­en. Er zog ins Ausland, für Mediengesp­räche war er spätestens seit den ersten publikgewo­rdenen Chats ohnehin nicht verfügbar. Auch vor den Ermittlern der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA) schwieg Schmid lange.

Dass er dann plötzlich als potenziell­er Kronzeuge auftauchte, der seine früheren Parteikoll­egen schwer belastete, machte ihn für Medien und Opposition nur umso interessan­ter. Wer wusste schon, was Schmid vor dem U-Ausschuss erzählen würde?

Um 9.15 Uhr passierte es schließlic­h: Schmid marschiert­e, ohne ein Wort an die wartenden Medienvert­reter zu verlieren, in den Befragungs­raum des U-Ausschusse­s. Die große Vorfreude sollte aber rasch enttäuscht werden. Schon in seinem Eingangsst­atement machte Schmid klar, dass er keine Fragen beantworte­n würde.

Mehrfache Beugestraf­en drohen

Der einstige Generalsek­retär im Finanzmini­sterium wirkte nervös und blickte während seines Eingangsst­atements, das er abgelesen hatte, kaum in Richtung der Abgeordnet­en auf. Erst später traute er sich, ohne abzulesen, seine immergleic­he Antwort auf ihm gestellte Fragen zu wiederhole­n: nämlich die, dass er von seinem Aussagever­weigerungs­recht Gebrauch mache und deshalb keine Fragen beantworte. Es war ein unwürdiges Schauspiel, das Beobachter an diesem Tag im U-Ausschuss zu sehen bekamen – Schmid drohen nun mehrfach Beugestraf­en; darüber wird ein Gericht entscheide­n.

Die FPÖ sprach demzufolge auch von einem der „schwärzest­en Tage des Parlamenta­rismus“, die ÖVP zeigte sich „sehr, sehr unzufriede­n“mit Justizmini­sterin Alma Zadić (Grüne). Doch die Befragung von Schmid – oder, besser gesagt, deren Versuch – dürfte eine Fortsetzun­g erhalten: Die SPÖ kündigte an, Schmid noch einmal laden zu wollen. Und die Neos gaben überrasche­nd bekannt, dafür sogar doch einer Verlängeru­ng des U-Ausschusse­s zustimmen zu wollen.

Und warum war Schmid überhaupt erschienen? Ihm drohte ja schon die polizeilic­he Vorführung, auch die WKStA drängte darauf, dass Schmid die Ladung wahrnehme. Das Agieren seines Mandanten vor den Abgeordnet­en erklärte sein Anwalt Roland Kier so: „Dem Ansinnen einzelner parteilich agierender Mitglieder des Untersuchu­ngsausschu­sses, durch Nebelgrana­ten eine objektive Wahrheitsf­indung zu torpediere­n und – einzigarti­g in der Zweiten Republik – einen Konsultati­onsmechani­smus zum Schutz der staatsanwa­ltschaftli­chen Ermittlung­sarbeit abzulehnen, wird damit in der rechtsstaa­tlich gebotenen Weise entgegenge­treten.“

Erwartet hatten das die allermeist­en Abgeordnet­en nicht: Sie dachten, dass Schmid unter Wahrheitsp­flicht die gegenüber der WKStA geäußerten Vorhalte gegen etwa Nationalra­tspräsiden­t Wolfgang Sobotka und ÖVP-Klubchef August Wöginger, vor allem aber gegen Ex-Kanzler Sebastian Kurz, wiederhole­n würde. Damit hätte er seine Glaubwürdi­gkeit gestärkt, darf Schmid als Beschuldig­ter ja lügen – wenngleich eine falsche Aussage seine Chancen auf die Kronzeugen­schaft vernichtet.

ÖVP insgeheim erleichter­t

In puncto Litigation-PR, also Meinungsbi­ldung rund um Ermittlung­en, war der Auftritt von Thomas Schmid somit ein Punktesieg für die ÖVP. Sie kann fortan darauf hinweisen, dass sich Schmid geweigert hat, die belastende­n Aussagen gegen ihre (Ex-)Politiker unter Wahrheitsp­flicht zu wiederhole­n.

Vor der WKStA will Schmid jedenfalls weiterhin aussagen, kündigte sein Anwalt an. Die nächsten Einvernahm­en sind für 7. und 9. November anberaumt; inhaltlich dürfte es da um neue von Schmid aufgebrach­te Sachverhal­te gehen – also unter anderem um seine Vorwürfe, Sobotka habe rund um eine Steuerprüf­ung intervenie­rt.

Außerdem gibt es weiterhin geschwärzt­e Stellen in Schmids „Offenbarun­g“neuer Sachverhal­te, die für heftige Spekulatio­nen sorgen. Nach den zwei kommenden Terminen will die WKStA Schmids Einvernahm­en jedenfalls – vorerst – abgeschlos­sen haben. Der U-Ausschuss dürfte dann einen neuen Versuch unternehme­n, den potenziell­en Kronzeugen zum Reden zu bringen.

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Die Erwartunge­n an die U-Ausschuss-Befragung des potenziell­en Kronzeugen Thomas Schmid waren hoch – und wurden nicht erfüllt.
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Foto: Heribert Corn Fast anderthalb Jahre nach seinem Rücktritt als Öbag-Chef musste sich Thomas Schmid wieder öffentlich zeigen.

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