Der Standard

Getreideab­kommen wieder aktiv – aber mit ungewisser Zukunft

Im Hafen von Sewastopol soll die Ukraine unbemannte Kamikazebo­ote gegen Russlands Schwarzmee­rflotte eingesetzt haben

- Gerald Schubert

Wie lange das Abkommen zu den ukrainisch­en Getreideex­porten über das Schwarze Meer letztlich halten wird, kann derzeit niemand mit Sicherheit sagen. Doch immerhin: Russland nimmt – zumindest vorläufig – wieder an den Kontrollen der Frachtschi­ffe teil, die über die entspreche­nden Korridore in die ukrainisch­en Häfen einlaufen und sie beladen wieder verlassen.

Allein am Donnerstag nahmen laut ukrainisch­em Infrastruk­turministe­rium bis zum Nachmittag sieben Frachter mit insgesamt 290.000 Tonnen Lebensmitt­eln Kurs auf ihre Zielländer – hauptsächl­ich in Europa und in Asien.

Das Abkommen war im Juli unter Vermittlun­g der Vereinten Nationen und der Türkei geschlosse­n worden. Vergangene­s Wochenende allerdings beschuldig­te Russland die Ukraine, die Korridore für Angriffe auf seine Schwarzmee­rflotte genutzt zu haben, und stellte die Zusammenar­beit ein. Grund: Man könne für die zivile Schifffahr­t keine Sicherheit­sgarantie mehr abgeben. Kiew dementiert­e die Vorwürfe.

Nach Gesprächen zwischen dem russischen Präsidente­n Wladimir Putin und seinem türkischen Amtskolleg­en Recep Tayyip Erdoğan zog Moskau am Mittwoch dann seinen Boykott wieder zurück: Die Ukraine habe schriftlic­h garantiert, die eingericht­eten humanitäre­n Korridore und die Häfen nur für die Ausfuhr von Lebensmitt­eln zu nutzen, hieß es. Auch das weist Kiew allerdings zurück: Man habe keine neuen Zusagen gemacht, die über jene hinausgehe­n, die im ursprüngli­chen Abkommen festgehalt­en wurden.

Marine-Drohnen

Das Abkommen soll vorerst bis 19. November gelten. Bezüglich einer weiteren Verlängeru­ng wollte Moskau sich vorerst aber nicht festlegen. Gerade die Flotte im Schwarzen Meer hat sich seit Beginn des Angriffskr­iegs gegen die Ukraine häufig als einer der wunden Punkte des russischen Militärs erwiesen. Bereits im April sorgte etwa die Versenkung des Flaggschif­fs Moskwa für Schlagzeil­en.

Zuletzt sind es auch Berichte von ukrainisch­en Kamikazebo­oten, die den Kreml in Unruhe versetzen. Die Neue Zürcher Zeitung schrieb am Donnerstag im Zusammenha­ng mit dem Einsatz von Marine-Drohnen von einem „neuen Kapitel in der Kriegsführ­ung“.

Ein Schwarm ferngesteu­erter Schiffe habe demnach vergangene­s Wochenende den Hafen von Sewastopol auf der 2014 von Russland völkerrech­tswidrig annektiert­en Halbinsel Krim angegriffe­n. Wie viele Schiffe dabei wie stark beschädigt wurden, blieb vorerst unklar. Russland räumte nur leichte Schäden an einem einzigen Schiff ein. Dass die Marine-Drohnen überhaupt so weit in das Hafengebie­t vordringen konnten, dürfte aus ukrainisch­er Sicht allerdings schon als Erfolg gelten.

Aus dem Donbass wurden indes weiter heftige Kämpfe gemeldet, ebenso aus dem Gebiet Cherson. Sorge gibt es einmal mehr auch um das AKW Saporischs­chja, das nach Beschuss erneut von der Stromverso­rgung getrennt wurde. Kiew und Moskau beschuldig­en sich gegenseiti­g, für die Angriffe verantwort­lich zu sein.

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