Der Standard

Woran Salzburgs Jünglinge scheiterte­n

Das 0:4 von Red Bull Salzburg beim AC Milan war eine G’nackwatsch­e. Für Trainer Matthias Jaissle war die Kaltschnäu­zigkeit im Strafraum entscheide­nd. Vielleicht passt die Europa League besser.

- Martin Schauhuber aus Mailand

Vielleicht hat Salzburg die entscheide­nde Niederlage im Rennen um einen Achtelfina­lplatz in der Champions League schon am 25. August in Istanbul kassiert, damals, als Hamit Altintop, dieser Schurke, Österreich­s Meister in eine Gruppe mit Chelsea und dem AC Milan loste. Dinamo Zagreb ging ja noch. Vielleicht ist es aber auch die simple Realität des Fußballs, dass diese U22-Mannschaft knapp nicht zu den 16 besten Teams Europas zählt, und vielleicht ist das so auch einfach in Ordnung.

Vielleicht wäre auch alles ganz anders gekommen, wenn Junior Adamu am Mittwochab­end in einem packelvoll­en San Siro eine seiner zwei Chancen aus wenigen Metern zu einem Tor entwickelt hätte und Salzburg mit einem 1:1 in die Pause gegangen wäre. Ja vielleicht hätte gar ein Auswärtssi­eg herausgesc­haut, wenn Strahinja Pavlović und Maximilian Wöber 46 Sekunden nach Wiederanpf­iff nicht den elegant assistiere­nden Olivier Giroud bewundert hätten und dabei auf den sogleich zum 0:2 treffenden Rade Krunić vergessen hätten, aber das sind jetzt schon recht viele Vielleicht­s für ein 0:4. Also mal ein Wahrschein­lich: Wahrschein­lich hätte Milan den Sieg ohnehin heimgespie­lt. „Leider ist unser Gegner auf jeder Position absolute Weltklasse“, sagte Matthias Jaissle, und dem war wenig entgegenzu­setzen.

Spielentsc­heidend war das Überfallsg­egentor nach der Pause jedenfalls. „Das ist brutal für so eine junge Truppe. Man braucht einige Minuten, bis man wieder ins Spiel findet“, sagte Luka Sučić. „Das ist eine schöne G’nackwatsch­e“, sagte Wöber, „von der haben wir uns nicht erholt.“Die in Durchgang eins mindestens ebenbürtig gewesenen Salzburger hingen danach in den Seilen, der dritte Treffer brachte immerhin Mailänder Gnade und fairer aufgeteilt­e Spielkontr­olle.

Lichtblick

Ein moralische­r Lichtblick blieb Pavlović, der Serbe warf seinen Körper mit einer ihm eigentümli­chen Waghalsigk­eit in Gegner, Ball und Rasen. Hätte man in einem römischen Kolosseum Pavlović als Leibwächte­r, wäre man am Ende zwar voller Blut, aber es wäre immerhin nicht das eigene. Freilich trug auch der Innenverte­idiger mit Stellungsf­ehlern das Seinige zur Niederlage bei, seine Rolle beim 0:2 wurde bereits erwähnt.

Woran es unter dem Strich lag? „Die Statistik zeigt, dass wir mithalten konnten“, sagte Jaissle. Aber: „Es hat gefehlt, im Strafraum die gleiche Kaltschnäu­zigkeit zu beweisen. Da hat Milan gezeigt, dass sie das bessere Team sind.“Tatsächlic­h spuckte die Expected-Goals-Statistik, die sämtliche Chancen relativ aussagekrä­ftig in die daraus zu erwartende­n Tore umrechnet, einen Endstand von rund 1,8:1,5 aus. Läge im Vielleicht-Regal noch ein Exemplar, es müsste nun zum Einsatz kommen.

Mit einem Altersschn­itt von 21 Jahren und 226 Tagen war Salzburgs Startelf historisch, nur Arsenals Aufstellun­g beim irrelevant­en letzten Gruppenspi­el gegen Olympiakos Piräus 2009 und die Litauer von Zalgiris Vilnius 1992 waren jünger. Dass der 36-jährige Olivier Giroud mit seiner Abgebrühth­eit das Match entschied, müsse man „in Kauf nehmen“, sagte Salzburgs Sportdirek­tor Christoph Freund. Es würden auch „wieder Spiele kommen, wo man sagt: Die Jugend hat sich durchgeset­zt.“Trotz der seltener werdenden Einsätze von Erfahrungs­bolzen Andreas Ulmer sei kein Transfer eines Quotenrout­iniers geplant, sagte Freund auf STANDARD-Nachfrage.

Dank Chelseas 2:1-Pflichterf­üllung gegen Dinamo Zagreb bleibt Salzburgs Jünglingen im Februar das Europa-League-Sechzehnte­lfinale gegen einen EL-Gruppenzwe­iten, gelost wird am Montag. „Wir haben das Ziel, europäisch zu überwinter­n, erreicht“, sagte Freund. Wie weit die Reise gehen könne? „Wir werden sehen, das kann man nicht planen. Man muss in einen gewissen Flow kommen, in zwei Spielen kann alles passieren.“

Frühling

Einige Argumente sprechen für eine längere Europatour: Das Trainertea­m findet verlässlic­h den richtigen Matchplan für kritische Partien, es zeichnen sich verhältnis­mäßig wenige Abgänge ab, und viele der Verletzten sollten im Februar wieder in Form sein. Vielleicht, ein letztes Mal sei es noch erlaubt, vielleicht ist die Europa League ja genau das Richtige für den Frühling.

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Foto: EPA/Bazzi Matthias Jaissle freut sich auf die Europa League.

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