Deutsche fahren bald für 49 Euro in allen Öffis
So billig wie im Sommer wird es nicht mehr. Da konnten die Deutschen für nur neun Euro den gesamten Nahverkehr nutzen und taten es ausgiebig. Nun kommt die Nachfolge-Flatrate, sie wird allerdings 49 Euro pro Monat kosten.
Es war der Hit des Sommers 2022 in Deutschland: das Neun-Euro-Ticket für den öffentlichen Nahverkehr.
Überall konnte man es zücken: in Bussen, U-Bahnen, S-Bahnen, Straßenbahnen, auf Fähren sogar und natürlich in den Regionalzügen. Nicht möglich war damit nur die Nutzung schnellerer Züge (Intercity, Eurocity oder ICE).
Und man durfte damit im Juni, Juli und August überall fahren, in ganz Deutschland. Wer also in Berlin ein Neun-Euro-Ticket kaufte, konnte damit auch von München bis Salzburg fahren. Nicht nur der Preis begeisterte die Deutschen, sondern auch das einfache Konzept. Niemand musste sich mehr vor Fahrtantritt durch den Tarifdschungel der verschiedenen Verkehrsverbünde quälen.
Punks nutzten, unter großem medialem Interesse, das Ticket für einen Besuch auf der Nobelinsel Sylt, beliebte Strecken waren in manchen Bundesländern so gefragt, dass die Polizei immer wieder Regionalzüge räumte. Insgesamt wurde das Ticket 52 Millionen Mal verkauft, und es war nach dem Auslaufen schnell klar: Das muss irgendwie fortgesetzt werden.
Aber wie? Über die Finanzierung konnten sich der Bund und die 16 deutschen Bundesländer nicht sofort einig werden. Nun aber, beim Treffen des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder, hat es geklappt.
„Wir haken uns unter, und wir lösen die Probleme unseres Landes gemeinsam“, sagte Scholz, und der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) betonte als Vorsitzender der MinisterpräsidentenKonferenz ebenfalls: „Heute war es ein gutes Treffen.“
Das neue Ticket wird 49 Euro pro Monat kosten und hat auch schon einen Namen. „Deutschlandticket“soll es heißen und – wie der Name suggeriert – im ganzen Land gültig sein. Der Start des Tickets ist für den
1. Januar 2023 geplant, jedoch sind die deutschen Verkehrsunternehmen skeptisch. Sie sehen eher den
1. März als Starttermin, weil noch so viele Vorbereitungen nötig seien. Außerdem rechnen sie damit, dass in einer Übergangsphase auch noch Papiertickets verkauft werden.
Geplant ist eigentlich, dass Kundinnen und Kunden das 49-EuroTicket digital und als Plastikkarte erwerben können. Es ist jeweils für einen Monat gültig und nur im Abonnement zu haben. Dieses kann man aber monatlich kündigen. Der neue Flatrate-Fahrschein ist zwar um einiges teurer als das legendäre Neun-Euro-Ticket, aber viele Nutzerinnen und Nutzer werden besser aussteigen als jetzt mit ihren derzeitigen Tickets.
Größte Tarifreform
„Jetzt ist der Weg frei für die größte ÖPNV-Tarifreform in Deutschland“, jubelt der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing (FDP). Finanzminister Christian Lindner (FDP) hatte eine Verlängerung des Neun-Euro-Tickets im Sommer noch mit den Worten, er sei gegen eine „Gratismentalität“, abgelehnt. Nun aber wollen sich Bund und Länder die drei Milliarden Euro für das 49-Euro-Ticket teilen.
Das Angebot soll zunächst auf zwei Jahre befristet sein, danach könnte es teurer werden. Geplant ist eine „Dynamisierung“in Form eines automatischen Inflationsausgleichs.
Gemischt fallen in Deutschland die Reaktionen aus. Der Interessenverband Allianz pro Schiene lobt den Beschluss als „historischen Schritt“auf dem Weg zu einer modernen Verkehrspolitik. „Es ist ein Riesenschritt fürs Klima und eine Richtungsentscheidung für die Verkehrswende, dass die Politik den ÖPNV (öffentlichen Personennahverkehr, Anm.) tatsächlich leichter zugänglich, preiswerter und attraktiver machen will“, sagt Verbandsgeschäftsführer Dirk Flege.
Auch die Deutsche Bahn ist erfreut. „Damit revolutionieren wir die Art, wie sich die Menschen in Deutschland im Alltag fortbewegen“, erklärt die neue Vorständin für den Regionalverkehr, Evelyn Palla.
Kritik an den Kosten kommt von den Linken und vom Sozialverband Deutschland. Beide finden das neue Angebot zu teuer. Tatsächlich hatten im Sommer, als nur neun Euro zu bezahlen waren, viele Menschen erstmals öffentliche Verkehrsmittel für weitere Fahrten benutzt.
Michaela Engelmeier, die Vorstandsvorsitzende des Sozialverbandes Deutschland, betont, nicht alle könnten sich die 49 Euro leisten. Ihr Verband fordert ein 365-EuroJahresticket. „Ein Euro pro Tag für Mobilität, das wäre wirklich sozial verträglich“, so Engelmeier.
Ausgedünnte Fahrpläne
Und der Präsident des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister von Münster, Markus Lewe, kritisiert, mit den in Aussicht gestellten Mitteln sei ein besseres Verkehrsangebot nicht realisierbar. „Es droht weiter, dass Fahrpläne ausgedünnt werden müssen. Die Verkehrswende droht damit auf dem Abstellgleis zu landen“, sagte Lewe.
Bund und Länder haben sich aber bei ihrem jüngsten Treffen nicht nur beim 49-Euro-Ticket geeinigt, sondern auch bei der geplanten Gaspreisbremse. Sie soll ab 1. März die Gaspreise deckeln, dies gilt auch für Fernwärme.
„Eine Rückwirkung zum 1. Februar 2023 wird angestrebt“, heißt es im Beschluss. Wie vom Kabinett am Mittwoch in Berlin bereits auf den Weg gebracht, übernimmt der deutsche Staat vorher im Dezember eine Abschlagszahlung für Gas und Fernwärme. Die Strompreisbremse soll ab 1. Januar 2023 kommen.