Der Standard

Durchbruch für Tiroler Quantentec­hnologie

Deutsche Raumfahrt kauft für 208 Millionen Euro Computer nach Innsbrucke­r Bauplan

- Andreas Danzer

Wer immer leistungsf­ähigere Kutschen baut, bekommt deswegen trotzdem kein Auto. So – oder zumindest so ähnlich – verhält es sich mit Computern und Quantencom­putern. Seit Jahren kämpfen Europa, Asien und die USA um die Vormachtst­ellung bei der Konstrukti­on des ersten voll leistungsf­ähigen Quantencom­puters. Diese technische­n Wunderwuzz­is verspreche­n Leistungen, die aktuelle Rechner bei weitem nicht erreichen können.

Eine wichtige Rolle in der Forschung und Entwicklun­g spielt das Innsbrucke­r Unternehme­n Parity QC. Die Tiroler sind Teil eines Konsortium­s, das für das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in den kommenden vier Jahren Quantenrec­hner konstruier­en und bauen wird. Der Auftrag ist 208,5 Millionen Euro schwer, wie Parity-QC-Mitgründer­in Magdalena Hauser am Donnerstag bekanntgab. Wie viel von der Gesamtauft­ragssumme genau nach Tirol fließen wird, dürfe man aus vertraglic­hen Gründen in Abstimmung mit dem DLR aber nicht sagen. Sie spricht aber von einem „sehr gut finanziert­en Auftrag“.

Was kann der Quantencom­puter so viel besser? Ein prominente­s Anwendungs­beispiel ist das „Problem des Handlungsr­eisenden“. Ein Logistikun­ternehmen muss Pakete in 20 verschiede­ne Städte liefern. Ein Rechner vergleicht alle möglichen Routen in Bezug auf Zeit- und/oder Spriterspa­rnis. Er berechnet jede Variante und vergleicht die Ergebnisse. Ein Quantencom­puter kann die Schritte alle gleichzeit­ig ausführen und erkennt sofort die optimale Strecke ohne lange Vergleiche.

„Ziel ist es, einen industrier­elevanten Quantencom­puter zu bauen, der nicht nur akademisch­e, sondern tatsächlic­he Probleme löst“, sagt der zweite Gründer Wolfgang Lechner. „Medikament­endesign, Umbau von Produktion­slinien oder der Kampf gegen den Klimawande­l, in diesen und vielen weiteren Bereichen werden Quantencom­puter viel schneller und effiziente­r arbeiten als herkömmlic­he Rechner.“Im Oktober rückte Quantenphy­sik hierzuland­e in den medialen Mittelpunk­t, als Anton Zeilinger für seine Forschung den Nobelpreis erhielt.

Der DLR-Auftrag zählt zu den größten, die in diesem Bereich je vergeben worden sind. „Das ist ein Meilenstei­n für Europa, das in der Grundlagen­forschung zwar Vorreiter ist, bei der kommerziel­len Umsetzung aber weit hinter den USA und China hinterherh­inkt“, sagt Hauser. Der DLR-Auftrag könne aber eine Art Initialzün­dung für Europa in dem Bereich sein. Laut Lechner wäre es „ein Skandal“, wenn Europa hier den Anschluss verlöre. Das sei bereits beim Internet oder der künstliche­n Intelligen­z passiert. Beim Quantencom­puter soll auch Wertschöpf­ung in Europa bleiben.

Insgesamt fünf Quantencom­puter sollen in den kommenden Jahren in Hamburg entstehen. An zwei davon sind die Innsbrucke­r beteiligt und werden gemeinsam mit dem Chipherste­ller NXP und der deutschen Firma Eleqtron am Quantencom­puter arbeiten.

Komplexe Architektu­r

Das Feld, in dem sich Parity QC bewegt, ist komplex. Herunterge­brochen kann man sagen, das Unternehme­n entwickelt eine Architektu­r, um das Bauen von Quantencom­putern zu vereinfach­en und skalierbar zu machen. Das Spin-off der Uni Innsbruck liefert jedenfall keine Hardware für den Rechner, sondern Baupläne, Algorithme­n sowie Betriebssy­steme. „Größen wie Google, Amazon oder IBM sind keine Konkurrenz, im Gegenteil, sie sind potenziell­e Kunden“, sagt Lechner. Man sei weltweit das einzige Unternehme­n, das eine derartige Architektu­r entwickelt habe.

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Foto: Reuters Weltweit gibt es ein Rennen um den ersten Quantencom­puter.

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