Der Standard

Viel strapazier­te „Bubenstrei­che“

- Karl Fluch

Als Österreich­er weiß man: Wenn’s wo stinkt, gilt die Unschuldsv­ermutung. Da sind wir sogar bereit, die deutsche Sprache zu beugen und erfinden den Plural für „Einzelfall“. Widersinni­g zwar, aber notwendig, bei der Menge an vermuteter Unschuld.

Die Unschuld und ihre Vermutung schwingen auch in einem anderen Begriff mit, der gerne für Burschen und Schaften ins Treffen geführt wird, wenn diese wieder einmal Lieder aus der guten alten Zeit singen, ihnen im Bierrausch das Braune aus den Augen tritt und sie die Hand wie von 1000-jähriger Magie in Richtung Sonne strecken.

Wird so ein Taumel von demokratie­verliebten Spaßbremse­n kritisch hinterfrag­t, wird er als Bubenstrei­ch gerechtfer­tigt. Boys will be boys, was soll man machen? Da müsse man ein Auge zudrücken, das würde sich auswachsen. Zu Auswüchsen wie „Einzelfäll­e“.

Egal, aus welcher Ecke damit argumentie­rt wird, man wittert, dass der Verweis auf bübische Unschuld und Keckheit etwas sei, das zu ertragen sein müsse. Selbst wenn es unerträgli­ch ist. Der von Gott übers Maß erfüllte St. Pöltener Bischof Kurt Krenn nannte es „dumme Bubenstrei­che“, als Buben in seinem Priesterse­minar gestreiche­lt und mehr wurden.

Vergleichs­weise harmlos ist da jener Akt kindlicher Freude, der André Heller in die Schlagzeil­en gebracht hat. Der Alleskünst­ler beruft sich aktuell auf einen „kindischen Streich“, mit dem er einen selbst angefertig­ten Rahmen als einen des Künstlers Jean-Michel Basquiat ausgegeben hatte. 800.000 Euro war die „Wer bastelt mit?“-Arbeit Hellers einem Sammler wert. Den Betrag hat Heller, ein Mann von Ehre, zurückgeza­hlt – als er aufflog.

Er steht da eher in der Tradition des Michel aus Lönneberga. Der Lausbub hat ebenfalls vielen viele Streiche gespielt und in seinem Stall beherzt gebastelt. Doch im Unterschie­d zu all den Volljährig­en, die sich stets auf infantile Streiche berufen, war der Michel halt tatsächlic­h ein Bub.

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