Österreichs zu später Aufbruch ins Datenzeitalter
Ob Corona-Krise oder Teuerung – Österreich fehlt ein modernes Datenökosystem. Die EU ebnet jetzt den Weg dafür. Österreich sollte rasch die Chance ergreifen und eine von politischen Weisungen unabhängige Stelle einrichten.
In hoher Regelmäßigkeit wird darauf hingewiesen, dass Daten das „Gold des 21. Jahrhunderts“seien. Auch wenn diese Metapher hinkt, da die Nutzung von Daten durch eine Person die Nutzungsmöglichkeiten durch andere nicht einschränkt, so passt sie in anderer Hinsicht doch: In unserer komplexen, krisengeplagten Welt sind Daten ungemein wertvoll – wenn sie verantwortungsvoll und zielgerichtet genutzt werden, um Wohlstandspotenziale zu erschließen und Problemlösungen zu entwickeln. Das gilt für den privaten Sektor, aber auch und vielleicht vor allem für die Verwaltung. Doch mit den Daten aus dem öffentlichen oder halböffentlichen Bereich tun wir uns immer noch schwer. Was fehlt, ist ein modernes Datenökosystem. Der neue Daten-Governance-Rechtsakt (DGA) der EU versucht im Bereich der geschützten öffentlichen Daten eine Verbesserung der Situation anzustoßen.
Höchste Zeit, denn jüngste Entwicklungen zeigen den Bedarf, aus den verfügbaren öffentlichen Daten mehr zu machen. So war es in der Corona-Krise lange nicht möglich, genau zu wissen, wie hoch die Anzahl der Neuinfektionen, der Genesenen oder der Anteil der Impfungen in unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen ist. In der aktuellen Teuerungskrise scheitert die ideale Umsetzung der Strompreisbremse daran, dass man Daten der Energieversorger nicht mit Daten aus dem zentralen Melderegister oder gar aus der Einkommensteuerstatistik verschneiden kann. Das Problem liegt teilweise darin, dass die Daten in Österreich auf viele verschiedene Stellen verteilt und technisch oder rechtlich nicht verknüpfbar sind. Andere Länder, ob in Skandinavien, dem Baltikum, in Asien oder die Schweiz, sind schon viel weiter.
Keine Petitessen
Der DGA legt unter anderem Bedingungen für die Verwendung bestimmter Daten fest, bestimmt einen Anmelde- und Aufsichtsrahmen für die Erbringung von Datenvermittlungsdiensten und schafft einen Europäischen Dateninnovationsrat. Das sind keine technischen Petitessen. Die Umsetzung des DGA stellt einen ganz zentralen Schritt für die Herstellung eines zunächst nationalen, später europäischen Datenraums dar. Dafür ist bis zum 24. September 2023 Zeit. Österreich sollte die Umsetzung des DGA rasch angehen, damit die bestmöglichen Lösungen gefunden werden können, die das Land im Zeitalter der Digitalisierung auch wirklich weiterbringen.
Bei der Umsetzung geht es nicht darum, Datenbestände zu verschieben oder Eigentumsrechte zu verändern. Sondern es geht vor allem um die Klärung des institutionellen Rahmens. Die Verordnung sieht vor, dass alle Länder eine sogenannte zentrale Informationsstelle schaffen. Sie schafft – in Österreich erstmalig – einen Gesamtüberblick darüber, wo in der Republik welche Daten bei öffentlichen Stellen gespeichert sind und fungiert als eine Art One-Stop-Shop, der Datenanfragen entgegennimmt, weiterleitet und bei vorliegender Berechtigung die Daten auch bereitstellt. Über die Anforderungen des DGA hinaus sollte eine solche Stelle aber auch Beratungsaufgaben übernehmen, Qualitätsstandards definieren und durchsetzen, als Ombudsstelle fungieren und neue Daten- oder Datennutzungsbedarfe identifizieren.
Neben der zentralen Informationsstelle müssen auch „zuständige Stellen“benannt werden. Damit sind jene Stellen gemeint, bei denen die Datenbestände tatsächlich liegen. Nur Teile der öffentlichen Daten liegen in der Bundesanstalt Statistik Austria; andere werden in Einrichtungen wie Ministerien, den Sozialversicherungsträgern, der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) oder dem Arbeitsmarkservice verwahrt. Dazu sind die Daten teilweise auch föderal verteilt.
Über die konkreten Anforderungen des
DGA hinaus sollten in den zuständigen Stellen nach Schweizer Vorbild Data Stewards eingerichtet werden, die von den datenführenden Stellen sachlich und organisatorisch unabhängig sind und mit einem Nationalen Data Steward in der Zentralen Informationsstelle eng zusammenarbeiten. Für eine funktionierende Datenökonomie ist von zentraler Bedeutung, dass alle Stellen ein gemeinsames Verständnis ihrer Aufgaben sowie der Qualitäts- und Datenstandards und des Datenschutzes haben.
Während der DGA klar die Rollen benennt, die Voraussetzungen für ein besseres Funktionieren des Datenökosystems sind, ist auf nationaler Ebene politisch zu entscheiden, wo zum Beispiel die zentrale Informationsstelle eingerichtet wird. Alle Beteiligten und vor allem die Bevölkerung müssen maximales Vertrauen haben können, dass mit ihren Daten verantwortungsvoll umgegangen wird. Daher sollte die Stelle unabhängig von politischen Weisungen sein, ihre Qualität sollte durch regelmäßige externe Evaluationen (am besten international) gesichert werden, und sie sollte über die notwendigen fachlichen, infrastrukturellen und finanziellen Ressourcen verfügen. Aus Gründen der Budgeteffizienz sollte keine neue Institution geschaffen werden. Diese Kriterien engen die Suche nach der geeigneten Institution ein. Im schon genannten Schweizer Vorbild übernimmt das Bundesamt für Statistik die Rolle. Dieses erfüllt alle genannten Voraussetzungen.