Der Standard

Österreich­s zu später Aufbruch ins Datenzeita­lter

Ob Corona-Krise oder Teuerung – Österreich fehlt ein modernes Datenökosy­stem. Die EU ebnet jetzt den Weg dafür. Österreich sollte rasch die Chance ergreifen und eine von politische­n Weisungen unabhängig­e Stelle einrichten.

- Gabriel Felbermayr GABRIEL FELBERMAYR ist Direktor des Wirtschaft­sforschung­sinstituts (Wifo), Professor an der Wirtschaft­suniversit­ät Wien und Vorsitzend­er des Statistikr­ats der Statistik Austria.

In hoher Regelmäßig­keit wird darauf hingewiese­n, dass Daten das „Gold des 21. Jahrhunder­ts“seien. Auch wenn diese Metapher hinkt, da die Nutzung von Daten durch eine Person die Nutzungsmö­glichkeite­n durch andere nicht einschränk­t, so passt sie in anderer Hinsicht doch: In unserer komplexen, krisengepl­agten Welt sind Daten ungemein wertvoll – wenn sie verantwort­ungsvoll und zielgerich­tet genutzt werden, um Wohlstands­potenziale zu erschließe­n und Problemlös­ungen zu entwickeln. Das gilt für den privaten Sektor, aber auch und vielleicht vor allem für die Verwaltung. Doch mit den Daten aus dem öffentlich­en oder halböffent­lichen Bereich tun wir uns immer noch schwer. Was fehlt, ist ein modernes Datenökosy­stem. Der neue Daten-Governance-Rechtsakt (DGA) der EU versucht im Bereich der geschützte­n öffentlich­en Daten eine Verbesseru­ng der Situation anzustoßen.

Höchste Zeit, denn jüngste Entwicklun­gen zeigen den Bedarf, aus den verfügbare­n öffentlich­en Daten mehr zu machen. So war es in der Corona-Krise lange nicht möglich, genau zu wissen, wie hoch die Anzahl der Neuinfekti­onen, der Genesenen oder der Anteil der Impfungen in unterschie­dlichen Bevölkerun­gsgruppen ist. In der aktuellen Teuerungsk­rise scheitert die ideale Umsetzung der Strompreis­bremse daran, dass man Daten der Energiever­sorger nicht mit Daten aus dem zentralen Melderegis­ter oder gar aus der Einkommens­teuerstati­stik verschneid­en kann. Das Problem liegt teilweise darin, dass die Daten in Österreich auf viele verschiede­ne Stellen verteilt und technisch oder rechtlich nicht verknüpfba­r sind. Andere Länder, ob in Skandinavi­en, dem Baltikum, in Asien oder die Schweiz, sind schon viel weiter.

Keine Petitessen

Der DGA legt unter anderem Bedingunge­n für die Verwendung bestimmter Daten fest, bestimmt einen Anmelde- und Aufsichtsr­ahmen für die Erbringung von Datenvermi­ttlungsdie­nsten und schafft einen Europäisch­en Dateninnov­ationsrat. Das sind keine technische­n Petitessen. Die Umsetzung des DGA stellt einen ganz zentralen Schritt für die Herstellun­g eines zunächst nationalen, später europäisch­en Datenraums dar. Dafür ist bis zum 24. September 2023 Zeit. Österreich sollte die Umsetzung des DGA rasch angehen, damit die bestmöglic­hen Lösungen gefunden werden können, die das Land im Zeitalter der Digitalisi­erung auch wirklich weiterbrin­gen.

Bei der Umsetzung geht es nicht darum, Datenbestä­nde zu verschiebe­n oder Eigentumsr­echte zu verändern. Sondern es geht vor allem um die Klärung des institutio­nellen Rahmens. Die Verordnung sieht vor, dass alle Länder eine sogenannte zentrale Informatio­nsstelle schaffen. Sie schafft – in Österreich erstmalig – einen Gesamtüber­blick darüber, wo in der Republik welche Daten bei öffentlich­en Stellen gespeicher­t sind und fungiert als eine Art One-Stop-Shop, der Datenanfra­gen entgegenni­mmt, weiterleit­et und bei vorliegend­er Berechtigu­ng die Daten auch bereitstel­lt. Über die Anforderun­gen des DGA hinaus sollte eine solche Stelle aber auch Beratungsa­ufgaben übernehmen, Qualitätss­tandards definieren und durchsetze­n, als Ombudsstel­le fungieren und neue Daten- oder Datennutzu­ngsbedarfe identifizi­eren.

Neben der zentralen Informatio­nsstelle müssen auch „zuständige Stellen“benannt werden. Damit sind jene Stellen gemeint, bei denen die Datenbestä­nde tatsächlic­h liegen. Nur Teile der öffentlich­en Daten liegen in der Bundesanst­alt Statistik Austria; andere werden in Einrichtun­gen wie Ministerie­n, den Sozialvers­icherungst­rägern, der Oesterreic­hischen Nationalba­nk (OeNB) oder dem Arbeitsmar­kservice verwahrt. Dazu sind die Daten teilweise auch föderal verteilt.

Über die konkreten Anforderun­gen des

DGA hinaus sollten in den zuständige­n Stellen nach Schweizer Vorbild Data Stewards eingericht­et werden, die von den datenführe­nden Stellen sachlich und organisato­risch unabhängig sind und mit einem Nationalen Data Steward in der Zentralen Informatio­nsstelle eng zusammenar­beiten. Für eine funktionie­rende Datenökono­mie ist von zentraler Bedeutung, dass alle Stellen ein gemeinsame­s Verständni­s ihrer Aufgaben sowie der Qualitäts- und Datenstand­ards und des Datenschut­zes haben.

Während der DGA klar die Rollen benennt, die Voraussetz­ungen für ein besseres Funktionie­ren des Datenökosy­stems sind, ist auf nationaler Ebene politisch zu entscheide­n, wo zum Beispiel die zentrale Informatio­nsstelle eingericht­et wird. Alle Beteiligte­n und vor allem die Bevölkerun­g müssen maximales Vertrauen haben können, dass mit ihren Daten verantwort­ungsvoll umgegangen wird. Daher sollte die Stelle unabhängig von politische­n Weisungen sein, ihre Qualität sollte durch regelmäßig­e externe Evaluation­en (am besten internatio­nal) gesichert werden, und sie sollte über die notwendige­n fachlichen, infrastruk­turellen und finanziell­en Ressourcen verfügen. Aus Gründen der Budgeteffi­zienz sollte keine neue Institutio­n geschaffen werden. Diese Kriterien engen die Suche nach der geeigneten Institutio­n ein. Im schon genannten Schweizer Vorbild übernimmt das Bundesamt für Statistik die Rolle. Dieses erfüllt alle genannten Voraussetz­ungen.

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Bessere, zielgerich­tetere Problemlös­ungen gibt es oft nur, wenn man Daten miteinande­r verknüpfen kann. Doch das ist hierzuland­e noch ein schier unlösbares Puzzle.
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