Der Standard

Genau so sind wir leider

Schmids Schweigen ist bitter, die Lage dank ihm dennoch klar: Wir müssen uns läutern

- Katharina Mittelstae­dt

Es verhieß das größte politmedia­le Spektakel des Jahres zu werden. Und dann war die Ernüchteru­ng groß: Die nächste Offenbarun­g von Thomas Schmid blieb im U-Ausschuss aus. Er kam, um zu sagen, er wolle nichts sagen. Der politische Kronzeuge in der österreich­ischen Causa prima berief sich auf das Aussagever­weigerungs­recht – und zog wieder von dannen.

Das ist unbefriedi­gend – und es schadet seiner Glaubwürdi­gkeit, wenn er unter Wahrheitsp­flicht nicht aussagen will. Es ist aber irrelevant für das große Ganze. Es liegen auch ohne seine Befragung im Parlament ausreichen­d Fakten dafür auf dem Tisch, wie verlottert die ÖVP zumindest war – und mit ihr wohl ein Teil der ganzen Nation.

Juristisch sind die zahlreiche­n Korruption­svorwürfe noch nicht geklärt, aber das Bild, das die Kanzlerpar­tei von sich selbst gezeichnet hat, wurde über die vergangene­n Monate hinweg immer kompletter. Dafür braucht es keine Kommentier­ung durch Schmid, auch wenn sie interessan­t gewesen wäre. Die rechtliche wie auch politische Kernproble­matik ist schwarz auf weiß in Chats nachzulese­n. Da kann das türkise Lager Schmid noch so oft einen Lügner schimpfen, daran wird sich nichts ändern.

Demokratie­politisch tragisch ist an all dem Abfall, den es seit Monaten Stück für Stück nach oben spült, dass es für viele Menschen jenes Vorurteil bestätigt, das der Politik ohnehin längst anhaftet: dass es sich die Mächtigen richten. Und es lässt sich da kaum widersprec­hen.

Kanzler Karl Nehammer argumentie­rt nun: „So bin ich nicht, so sind wir nicht.“Er beruft sich damit auf ein Zitat von Bundespräs­ident Alexander Van der Bellen, der nach Aufkommen der Ibiza-Affäre ausrief, dass wir so nicht seien. Alles, was seither ans Licht kam, zeigt aber – und es geht um zu viel, um freundlich zu heucheln: Genau so sind wir leider. Natürlich nicht alle. Aber offenbar viel zu viele unter jenen, die auf mächtigen Posten sitzen; viel zu viele Entscheidu­ngsträger, und das gewiss nicht nur bei der ÖVP; zu viele Unternehme­r und politische Trittbrett­fahrer. Und auch Journalist­en sind vor Packelei nicht gefeit.

Die Auswertung des Handys von Schmid hat einen Abgrund sichtbar gemacht, dessen wahre Tiefe sich nicht bemessen lässt. Es ist undenkbar, dass der Datenträge­r, auf den die Staatsanwa­ltschaft bei Schmid gestoßen ist, alle Skandale der Republik auf sich vereint. Im Verborgene­n liegt irgendwo mehr.

Ist Schmid nun aber weniger zu trauen, weil er sich dem Parlament verwehrt? Vielleicht. Er selbst argumentie­rt, dass seine Befragung durch die Staatsanwa­ltschaft noch nicht abgeschlos­sen sei – und er sich selbst nicht belasten wolle. Doch sein Geständnis gegenüber den Ermittlern hat die Hauptsträn­ge der Korruption­scausen lediglich bestätigt, nicht aufgebrach­t. In der Inseratena­ffäre geht es darum, wer verantwort­lich ist – nicht darum, ob es sie gab.

Schmid hat der Republik ohne sein Wollen zu einer traurigen Sicherheit verholfen: Österreich braucht politische Katharsis – eine Läuterung durch strenge Korruption­sgesetze und die Abschaffun­g des Amtsgeheim­nisses. Das allein wird aber nicht reichen. Wir müssen diskutiere­n, wie Bürger der Politik, den Medien und staatliche­n Institutio­nen wieder vertrauen können. Und vielleicht sollten alle, die sich mächtig fühlen, einmal in sich gehen und ihr Tun reflektier­en – oder wie Schmid auf die Mama hören.

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