Der Standard

Arbeitsmar­kt I

Österreich wird mehr Zuwanderer brauchen

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Die Lücken sind im Alltag nicht mehr zu übersehen. Ob der Elektrolad­en um die Ecke oder das Gasthaus im Ferienort: Überall fehlen Betrieben Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­r. Mehr als 120.000 Jobs sind derzeit beim AMS als unbesetzt gemeldet, laut einer Schätzung des Forschungs­instituts Wifo könnten es aber tatsächlic­h bis zu dreimal mehr sein, weil nicht alle Stellen via AMS ausgeschri­eben werden. Einer der Gründe dafür ist die demografis­che Trendwende, die sich derzeit vollzieht. In den vergangene­n 30 Jahren sei Österreich in einer „günstigen Ausnahmesi­tuation“gewesen, sagt der Wifo-Ökonom Helmut Mahringer. Geburtenst­arke Jahrgänge waren gänzlich im Arbeitsmar­kt, hinzu kamen zehntausen­de Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er aus den EU-Ländern in Osteuropa, die Jahr für Jahr neu auf Österreich­s Jobmarkt strömten.

Doch die Quellen versiegen. Aus Osteuropa kommen weniger Menschen, weil die meisten Auswanderu­ngswillige­n schon hier sind. Geburtenst­arke Jahrgänge gehen in Pension. Die Zahl der Menschen im erwerbsfäh­igen Alter zwischen 15 und 64 wird sinken. Ohne Zuwanderun­g aus der Ukraine wäre das bereits passiert, so dürfte der Rückgang 2023 beginnen. Fast 300.000 Menschen werden in den kommenden 18 Jahren aus dieser Altersgrup­pe „verschwind­en“.

Nun gibt es Wege, mehr Menschen für Arbeit zu gewinnen: Bei Älteren lässt sich etwas machen. Bei Arbeitslos­en gibt es Potenzial. Aber realistisc­h betrachtet wird das nicht reichen, um die Lücke zu schließen. Zumal der Bedarf an Arbeitskrä­ften steigen wird, etwa in der Altenpfleg­e, und weil viele junge Menschen nicht mehr Vollzeit arbeiten wollen.

Österreich braucht daher eine vernünftig­e Zuwanderun­gsstrategi­e für den Arbeitsmar­kt. Die Regierung sollte sich wie die USA dazu bekennen, dass wir ein Einwanderu­ngsland sind. In der Folge müsste sich der Staat darum bemühen, junge Menschen mit ihren Familien zu uns zu bringen. Aktuell gibt es zwar die Rot-Weiß-Rot-Karte, die Fachkräfte­n den Zuzug ermöglicht. Aber gerade 4000 solcher Karten werden pro Jahr ausgestell­t, der Arbeitsmar­kt braucht pro Jahr 38.000 zusätzlich Köpfe. Möglich wären Anwerbeakt­ionen in Asien, Afrika oder Südamerika, um junge arbeitswil­lige Menschen in gezielten und geordneten Bahnen zu uns zu bringen. Dieser Prozess gehört aktiv gemanagt, um damit den Wohlstand von morgen zu sichern.

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