Der Standard

Schweigen ist Gold?

- ANALYSE: Renate Graber, Fabian Schmid

„Trotz unredliche­r Anwürfe gegen seine Person wird Schmid den eingeschla­genen Weg der Kooperatio­n (mit der WKStA, Anm.) fortsetzen.“Schmids Anwalt Roland Kier

Nicht wenige hatten erwartet, dass Thomas Schmid die Vorwürfe, die er vor der WKStA erhoben hat, im U-Ausschuss wiederholt und ihnen somit Nachdruck verleiht. Doch Schmid schwieg eisern. Ob seine Strategie aufgeht und er Kronzeuge wird, ist nach wie vor offen. Seinem Image hat der Auftritt jedenfalls geschadet.

Die Erwartungs­haltung war groß, die Enttäuschu­ng ebenso. Am Donnerstag ist Thomas Schmid doch noch vor dem parlamenta­rischen U-Ausschuss zu mutmaßlich­er ÖVP-Korruption erschienen – freilich nur, um zu schweigen. Ungefähr 110 Medienvert­reter waren ins Camineum gekommen, zum Teil sogar aus dem Ausland. So viele Interessie­rte hatte es bislang nur bei den Befragunge­n von Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gegeben.

Doch die Spannung fiel nach wenigen Minuten in sich zusammen. In seinem Eingangsst­atement entschuldi­gte sich der frühere Generalsek­retär im Finanzmini­sterium dafür, dass er erst jetzt gekommen sei, und kündigte gleich an, „keinerlei Fragen“zu beantworte­n. Er wolle zwar „reinen Tisch machen“, allerdings nur gegenüber den Ermittlern der Wirtschaft­s- und Korruption­sstaatsanw­altschaft (WKStA).

Stunden des Schweigens

Mit Verweis auf sein Recht, sich zu laufenden Ermittlung­en entschlage­n zu dürfen, ließ Schmid letztlich alle Fragen an sich abprallen. Das galt etwa für Fragen nach einer etwaigen ÖVP-Mitgliedsc­haft, aber sogar für jene, ob er wisse, wessen Unterschri­ft auf dem Protokoll seiner Einvernahm­en vor der WKStA stehe. Zur Erklärung: Jede Seite trägt seine Paraphe. Doch Schmid schwieg.

Die offenbar von Schmids Rechtsanwa­lt Roland Kier gewählte Taktik sorgte zunehmend für Unruhe im Sitzungssa­al, in dem sich dieses Mal besonders viele Medienvert­reter eingefunde­n hatten. Immer wieder beriet sich die Zweite Nationalra­tspräsiden­tin Doris Bures (SPÖ; sie führte statt des von Schmid belasteten Wolfgang Sobotka von der ÖVP den Vorsitz) mit Verfahrens­richter Wolfgang Pöschl. Und rund 20- bis 25-mal kamen beide zur Rechtsansi­cht, Schmid habe seine Entschlagu­ngsgründe nicht glaubhaft gemacht. Die Folge: Der U-Ausschuss wird für etliche Entschlagu­ngen Beugestraf­en beim Bundesverw­altungsger­icht (BVwG) beantragen. Zu Unrecht nicht beantworte­te Fragen können Strafen von bis zu tausend Euro nach sich ziehen. Ob dieser Betrag für jede einzelne allenfalls zu Unrecht nicht beantworte­te Frage schlagend wird, ist noch nicht ausjudizie­rt.

Geht es nach seinem Auftreten und seiner Mimik, hat sich Schmid in seiner Rolle vor den Abgeordnet­en nicht rasend wohlgefühl­t. Nervös spielte er mit seinen Fingern oder einem Kugelschre­iber, seine stets gleichlaut­ende Entschlagu­ng las er vom Blatt. Erklärunge­n seines neben ihm sitzenden Anwalts notierte er auf einem Block. Eines war klar: Keine Silbe wollte Schmid dem Zufall überlassen.

Schmid musste erscheinen

Spontan mögen einst seine Chatnachri­chten entstanden sein, sein Auftritt vor dem UAusschuss war ein exakt vorbereite­ter Pflichtter­min, mit dem Ziel, sich nicht zu schaden. Kier erklärte später per Aussendung so: „Die Verfahrens­ordnung für parlamenta­rische Untersuchu­ngsausschü­sse gewährt jedem Beschuldig­ten – auch einem geständige­n Beschuldig­ten – das Recht, keine Angaben zu machen.“Schmid werde trotz „unredliche­r Anwürfe gegen seine Person den eingeschla­genen Weg der Kooperatio­n mit den Strafverfo­lgungsbehö­rden konsequent fortsetzen“. Soll heißen: keine Antworten für die Parlamenta­rier, aber für die Ermittler.

Wäre Schmid nicht gekommen, hätte ihm die Vorführung gedroht: Der U-Ausschuss hatte das Innenminis­terium beauftragt, Schmid bei seinem nächsten Aufenthalt in Österreich wenn nötig mit Zwangsgewa­lt ins Parlament zu bringen. Immer wieder nach Österreich reisen musste der zu Jahresbegi­nn in die Niederland­e übersiedel­te Ex-Öbag-Chef aber, um seine Chance auf Zuerkennun­g des Kronzeugen­status zu wahren. Seit Juni wurde er an fünfzehn Tagen einvernomm­en, die letzten beiden geplanten Termine im September hatte die WKStA bereits vorsichtsh­alber abgesagt. Davor hatte sie mehrfach urgiert, Schmid solle sich beim U-Ausschuss melden.

Der Ladungster­min kam aber erst zustande, nachdem die WKStA selbst Schmids Wunsch nach dem Kronzeugen­status Mitte Oktober publik gemacht hatte. Womit das nächste Problem auf dem Tisch lag: Die WKStA wollte sicherstel­len, dass durch Schmids Aussagen vor dem U-Ausschuss die von ihr immer noch geführten Ermittlung­en nicht beeinträch­tigt werden. Also übermittel­te sie den Fraktionen einen Themenkata­log für erlaubte Fragen. Man werde sich in seinen parlamenta­rischen Kontrollre­chten sicher nicht beschneide­n lassen, reagierte die ÖVP.

Lange Gesichter

Das wiederum brachte das Justizmini­sterium auf den Plan. Ministerin Alma Zadić (Grüne) wandte sich an den Verfassung­sgerichtsh­of, der nun entscheide­n soll, ob der von der WKStA eingebrach­te Fragenkata­log für die Abgeordnet­en bindend sein kann.

Nach Schmids Abgang zeigten sich die Fraktionen durch die Bank enttäuscht, empört und frustriert. ÖVP-Fraktionsc­hef Andreas Hanger will dem Justizmini­sterium schreiben, dass man Schmid unter diesen Umständen den Kronzeugen­status nicht gewähren könne; in dieselbe Kerbe schlug sein blaues Pendant Christian Hafenecker. Bei den Grünen herrschte Unverständ­nis über Schmids Strategie, und die SPÖ hat noch während der Sitzung einen Antrag auf neuerliche Ladung von Schmid eingebrach­t.

Der wurde am Ende des Tages von allen Fraktionen angenommen – auch von den Neos. Sie hatten sich bislang gegen eine Verlängeru­ng des U-Ausschusse­s ausgesproc­hen, der somit am 7. Dezember seine letzte Befragung durchgefüh­rt hätte. Am Donnerstag schwenkten die Neos jedoch um: Sollte die Gerichtsen­tscheidung zur Beugestraf­e bis dahin nicht da sein – was zu erwarten ist –, werden die Neos eine weitere Befragung von Schmid ermögliche­n. Verfahrens­richter Wolfgang Pöschl geht da noch weiter: Er meinte gegenüber Ö1, dass dann wohl mehr Befragunge­n stattfinde­n sollten, die sich mit den von Schmid gegenüber der WKStA offengeleg­ten Themen beschäftig­en würden. Für dessen Befragung hatte Pöschl eine recht einprägsam­e Beschreibu­ng: „Gräuliche, um nicht zu sagen gräusliche Stunden“seien das gewesen.

Offiziell wollte sie es nicht zeigen, aber eines war am Donnerstag rasch klar: Die ÖVP freut sich einen Hax’n aus. Sie kann mantraarti­g ihre Interpreta­tion verbreiten. Aus dem Umfeld von Kurz hieß es zum STANDARD etwa: „Seine totale Aussagever­weigerung im U-Ausschuss zeigt einmal mehr, dass er Angst vor der Wahrheit hat. Nach Tonbandbel­eg und Auftritt im U-Ausschuss weiß nun das ganze Land, dass Thomas Schmid mit Unwahrheit­en und falschen Aussagen versucht, den Kronzeugen­status zu erlangen.“

Unter Juristen ist die Strategie von Schmids Rechtsanwa­lt nicht unumstritt­en. Zumindest zu den simplen Fragen wie jener nach seiner Unterschri­ft auf dem Einvernahm­eprotokoll hätte er antworten können, um wenigstens den Hauch einer Kooperatio­nsbereitsc­haft mit dem U-Ausschuss zu signalisie­ren, meinen die meisten. Auch in der öffentlich­en Wahrnehmun­g dürfte diese Sicht der Dinge dominieren. Andere argumentie­ren, dass Schmids Schweigen nicht zuletzt angesichts seiner Anspannung und Nervosität der richtige Weg gewesen sei. So hat er sich nicht in Gefahr gebracht, sich in riskante Diskussion­en verwickeln zu lassen.

Heikle Kronzeugen­entscheidu­ng

Und hat Schmids Verhalten nun Auswirkung­en auf seine Chance, Kronzeuge zu werden? Geht man nach dem Gesetz, nicht: Demnach muss er vor den Strafbehör­den ein reumütiges Geständnis ablegen und die Ermittler auf neue Sachverhal­te bringen; Kooperatio­n mit dem Parlament ist keine Voraussetz­ung. Entschiede­n wird über die Zuerkennun­g des Kronzeugen­status allerdings von der Justizmini­sterin, die der Empfehlung ihres Weisungsra­tes folgt. Und Ministerin Zadić ist eine Politikeri­n, die ihre Entscheidu­ngen letztlich auch der Öffentlich­keit erklären muss. Zu vermarkten, dass jemand Kronzeuge wird, der das Parlament in seiner Kontrollar­beit derartig düpiert hat, ist allerdings eine schwierige Sache.

Nur eines scheint derzeit gewiss: Den Heldenstat­us, den Schmid in Teilen der Öffentlich­keit durch sein Auspacken vor der WKStA gewonnen hat, den ist er nun wieder los.

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Foto: Picturedes­k/Halada Augen und Mund zu und durch: Nach eineinhalb Jahren trat ein schweigsam­er Thomas Schmid vor dem U-Ausschuss auf.

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