Die Suche nach der Regel der Ausnahme
Kleine Erinnerung an Mike Basman. Der Avantgardist und Aficionado verstarb im 77. Lebensjahr.
Er war unser Held der frühen Jahre – hierorts im STANDARD, als die Kolumnen noch auf Disketten übermittelt wurden und die Diagramme mit LetrasetAnreibebuchstaben hergestellt werden mussten. Michael Basman wurde 1946 in London geboren, er stammte aus einer armenischen Familie und bildete gemeinsam mit dem Kanadier Duncan Suttles, Rolf Martens aus Schweden und Rainer Schlenker, dem Herausgeber des kultischen deutschen Schachmagazins Randspringer, das Kleeblatt der kreativen Außenseiter zu Beginn der 1990er-Jahre. Das Experiment war ihre Geschäftsgrundlage, die Regel der Ausnahme ihr Forschungsfeld, ihr (einziger) Glaubenssatz war das christlich-dadaistische „Credo quia absurdum“– ich glaube daran, weil es der Vernunft zuwiderläuft. Weiter als Basman konnte man sich vom Juste Milieu im Schach kaum entfernen.
Es waren vor allem „Quixotische Eröffnungen“(Schlenker), die der Engländer unter die Lupe nahm. Bekannt wurde er mit seinen Analysen zur „St. George Eröffnung“(1. a6 und 2… b5 auf alles, was Weiß spielt) oder zu 1. g4 bzw. 1… g5, was neuerdings durch Magnus Carlsen eine Renaissance erlebte. In den wilden 1960er-Jahren gehörte Basman zu den stärksten Spielern der Insel. Nur knapp entging Michail Botwinnik beim Neujahrsturnier 1967/68 einer Niederlage gegen ihn, reihenweise schlug er in seiner besten Zeit starke Großmeister wie Andras Adorjan oder Tony Miles. Gegen Wassili Smyslow vermied er im englischen
Team bei der Schacholympiade 1968 gegen die Sowjetunion ein Remis, spielte unerschrocken auf Sieg – und verlor. England verpasste dadurch den Einzug ins Finale, aber niemand machte ihm einen Vorwurf. 1973 gewann er gemeinsam mit William
Hartston die englische Meisterschaft, 1980 wurde er Internationaler Meister. Später machte sich Basman als Schachjournalist und als Turnierorganisator für Kinder und Jugendliche einen Namen. Nun ist der große Avantgardist und Aficionado im 77. Lebensjahr in Carshalton, einem Vorort Londons, verstorben. Auch wenn er nie Großmeister wurde, so sind viele Impulse von ihm ausgegangen. Die Bezeichnung
„basmaniac“für eine wilde,
aber subtile Zugfolge im Englischen kennt jeder Spieler
seiner Generation.
Speelman – Basman Brighton 1980
1.e4 g5 2.d4 h6 Die „Borg-Verteidigung“, eine umgekehrte Grob-Eröffnung (1.g4). 3.h4 Der direkte Versuch einer Widerlegung. 3… gxh4 In späteren Jahren spielte Basman das ambitionierte 3... g4 4.Dxg4 d5 5.De2 dxe4 6.Dxe4 Sf6. 4.Txh4 d5 Auch 4... e5 5.Sf3 exd4 und 4... c5 5.d5 d6 6.c4 Lg7 wurde schon gespielt. 5.exd5 e6 6.Th5 Der spätere WM-Kandidat auf ungewohntem Terrain. 6... Sf6 7.dxe6 Danach schwindet der weiße Vorteil, der mit 7.Lg5 exd5 8.Sc3 De7+ 9.Sge2 c6 10.Th1 gehalten werden konnte. 7... Lxe6 8.Sc3?! Nicht der Weisheit letzter Schluss. 8.Th4 oder 8.Lg5 sehen besser aus. 8… Sxh5 9.Dxh5 Lb4 Auch 9... Dxd4 10.Le3 Dg4 11.Db5+ Sd7 12.Dxb7 führt zu gleichen Chancen. 10.Sge2 Sc6 11.Le3 Dd7 12.a3 Lg4 Schwarz hat sich befreit, Weiß ist auf der Suche nach Gegenspiel. 13.Db5 a6! 14.Dd3 14.Dxb7? Ta7 kostet die Dame. 14… Lxc3+ 15.Dxc3 Nach 15.Sxc3 0–0–0 16.d5 Se5 hat Weiß nicht viel vorzuweisen. 15... 0–0–0 16.f3 Le6 17.0–0–0 Se7 18.Sf4 Sd5 19.Sxd5 Lxd5 20.Dd2 Dc6 21.Kb1 h5 22.Lg5 Tde8 23.Lf4 23… Lc4! Schwarz verteidigt sich aktiv und neutralisiert die weißen Möglichkeiten. 24.Le5 Nach 24.b3 Lxf1 25.Txf1 Db5 steht Schwarz sehr bequem. 24... Thg8 25.d5?! Ein Bauernopfer, das nichts bringt. 25.Lxc4 Dxc4 26.b3 Dd5 musste geschehen. 25... Lxd5 26.Dd4? Danach sollte
es bergab gehen. 26.Df4 war noch erträglich. 26... Lb3? Eine Fehlkombination. Mit sofort 26... Td8 27.Df4 La2+ 28.Kc1 Txd1+ 29.Kxd1 Db6 konnte Schwarz die unglückliche Konstellation der weißen Figuren nutzen. 27.Ld3? Erkennt nicht die große Chance, mit 27.cxb3 Td8 28.Tc1 Txd4 29.Txc6 Td1+ 30.Tc1 Txc1+ 31.Kxc1 in ein günstiges Endspiel einzulenken. 27... Td8 Jetzt ist wieder alles in Ordnung für Schwarz.
28.De3 Nach 28.Df2 La2+! 29.Kxa2 Dd5+ 30.Kb1 Dxe5 gewinnt Schwarz. 28... Lc4! Eine unangenehme Fesselung, mit der Schwarz wieder ein Stückchen weiterkommt.
29.Da7? Ein Ausflug ins Blaue. 29.g3 musste versucht werden. 29... Lxd3 30.cxd3 Aussichtslos ist 30.Da8+ Kd7
31.Txd3+ Ke7. 30… Db6 Am einfachsten. Das folgende Endspiel ist eine Sache präziser Technik. 31.Dxb6 cxb6 32.g3 32… Kd7! Der König hat ein Ziel – er will nach b3, um die weiße Stellung völlig zu lähmen. 33.Lf4 Kc6 34.Tc1+ Kb5 35.Tc7 Falls 35.Th1, so 35… Txd3 36.Txh5+ Kc4. 35... Txd3 36.Txf7 Txf3 Schneller ging 36... h4 37.Tf5+ Kc4 38.gxh4 Txf3 39.Tf7 Kb3. 37.Tf5+ Kc4 38.Txh5 Kb3 Das Ziel ist erreicht, weiterer Widerstand zwecklos. 39.Th1 Tf2 40.Lc1 Txg3 41.Th7 Oder 41.Th4 a5 42.Th7 Tg1 43.Th3+ Ka4 44.b3+ Kb5 45.Th5+ Ka6. 41... b5 42.Tc7 b6 43.Tc6 Th3 44.Tg6 Tc2 Die Einkreisung wird vollendet. 45.Tg1 a5 46.Tg6 Tc5 0–1 wegen 47.Tg1 Tc4 und b5-b4, axb4 und a4.