Der Standard

Jetzt fährt auch der Mégane elektrisch vor

Mégane als Namen zu nehmen für jenes Fahrzeug, mit dem Renault die Massen-Elektroaut­o-Ära auf eigener E-Plattform eröffnet, war ein kluger Schachzug. Wir haben uns den Mégane E-Tech Electric im Alltagsein­satz angesehen.

- Michael Völker

Man muss schon zweimal hinschauen, um den Mégane als Mégane zu erkennen und den Unterschie­d von Mégane zu Mégane zu sehen. Der neue Elektro-Mégane ist eigentlich als kompakter SUV angelegt, also genau als diese Art von Auto, nach dem der Markt schreit, sprich: die Kunden verlangen. Auch in der Elektroaus­führung. Mit einer Höhe von 1,5 Metern ist dieser SUV ein wenig niedriger geraten als bei anderen Marken gebräuchli­ch. Das ist kein Nachteil. Mit Strom sind wir immer noch vorzugswei­se in der Stadt unterwegs, da helfen kompakte Abmessunge­n, und so ist der Stromer-Mégane sogar 16 Zentimeter kürzer als der Verbrenner-Mégane, dessen Namen er trägt.

Erster Eindruck von außen: fesch. Dynamisch geschnitte­n, fast ein wenig bullig. Das ist der Kompromiss, wenn man SUV sein will, sich aber duckt, um sich dem Coupé anzunähern. Hohe Schultern, die nach hinten hin abfallen, die Fenster werden weniger, verschwind­en fast, die Heckscheib­e ist jedenfalls sehr niedrig geraten, das hilft nicht unbedingt bei der Rundumsich­t vom Fahrersitz aus, hat man erst einmal auf diesem Platz genommen.

Abhilfe schafft jedenfalls der digitale Rückspiege­l, möchte man meinen. Der gibt nämlich nicht den tatsächlic­hen Blick durch die schmale Luke nach hinten wieder, sondern ein Bild von einer rückwärtig angebracht­en Kamera. Das irritiert erst einmal, wie alles, was neu ist. Der digitale Innenspieg­el ist aber tatsächlic­h hilfreich, vor allem dann, wenn der Blick nach hinten durch zusätzlich­e Passagiere oder grobe Gepäckbela­dung bis unters Dach behindert ist. Der Rückspiege­l zeigt ein klares Bild, allerdings muss man sich daran erst gewöhnen. Das Auge fokussiert anders, wenn man in einen Spiegel oder in das Bild einer Kamera blickt. Die Tiefe ist anders, da muss das Auge erst nachjustie­ren. Und wenn die Lichtverhä­ltnisse ganz blöd sind, dann legt sich über das Kamerabild tatsächlic­h auch das Spiegelbil­d der glatten Oberfläche. Ist aber mit Sicherheit Gewöhnungs­sache.

Was auch gleich einmal auffällt: Hier im Inneren schaut es nach Plastik aus. Was riecht wie Plastik, was sich anfühlt wie Plastik, ist tatsächlic­h auch Plastik, wie bei fast jedem anderen Auto in dieser Preisklass­e auch. Tatsächlic­h ist dieser erste Eindruck aber unfair, wie ein weiterer Blick ins Auto und ein vorsichtig­es Abtasten zeigt: Hier werden viele recycelte Materialie­n verwendet, auch Stoffe, sehr angenehm zum Anschauen und Angreifen, das ist nicht nur umwelttech­nisch lobenswert, sondern auch sehr angesagt.

Das Lenkrad (schauen Sie einmal genau hin) ist in diesem Sinne kein Rad, sondern fast schon eckig, es gibt jedenfalls ideal den Blick auf die dahinterli­egenden Armaturen frei. Die Anzeigen sind schnörkelf­rei klar, da findet man sich rasch zurecht. Und irgendwie findet man dann auch seinen Radiosende­r und, noch viel wichtiger, die Reichweite­nanzeige.

Das ist schließlic­h die Kernkompet­enz bei den Elektroaut­os. Renault verspricht im Mégane in der stärkeren Variante, die 218 PS und einen 60-kWh-Akku aufbietet, 450 Kilometer, was sehr anständig wäre. Wir haben das jetzt nicht bis zur bitteren Neige ausgeteste­t, aber bei unbeschwer­tem Fahrstil erscheint uns die Hälfte ein realistisc­her Wert. Aber natürlich kann man das selbst sehr maßgeblich beeinfluss­en. Mit sportlich-aggressive­m Fahrstil wird die Reichweite irgendwo bei 200 Kilometern liegen, bei bedachtem Fahrstil sind 300 Kilometer möglich. 450 Kilometer? Nur in der Theorie.

Und wie fährt er sich? Cool. Gute Beschleuni­gung, aber wir wollen ja den Saft sparen, also versuchen wir zu gleiten, das tut uns und der Umwelt gut, auch unserer Umgebung. Das

Schöne an Elektroaut­os ist ja das, was man nicht hört: den Motor und den Lärm. Der Mégane ist zudem wirklich gut gedämmt, auch bei höherer Geschwindi­gkeit bleibt es angenehm leise, da entspannt das Gemüt gleich mit.

Jetzt ist der Mégane kein Sportwagen, will es auch nicht sein. Aber wenn es einmal wirklich pressiert, dann ist auch eine flottere Gangart möglich. Das Fahrwerk und die Lenkung sind in erster Linie auf Komfort ausgelegt, haben aber auch mit sportivem Zugang kein Problem. 7,8 Sekunden von null auf hundert sind ein passabler Wert, allerdings ist bei 160 km/h Schluss, also Aus die Maus. Und das ist gut so, weil in diese Verlegenhe­it sollten wir erst gar nicht kommen. Eine andere Verlegenhe­it kann allerdings passieren: Wer den Wagen auf Eco-Modus einstellt, um die Reichweite zu schonen, der kann die 100-km/hMarke nicht passieren. Da fahren dann schon einmal auf der rechten Spur die Lastwägen auf. Das ist also Einstellun­gssache, auch sprichwört­lich.

Der Kofferraum ist okay, die Ladekante allerdings ziemlich hoch. Platz ist mit 440 Litern unter der Kofferraum­abdeckung ausreichen­d vorhanden.

Wir ziehen ein grundsätzl­ich positives Fazit, der Elektro-Mégane wird seinen Platz unter den Kompakten behaupten, er sieht gut aus, ist (halbwegs) leistbar, praktisch, fährt sich anständig. Die Schwachste­lle könnte die Reichweite sein, aber da tut sich ohnedies ständig etwas, nicht nur bei Renault.

 ?? ?? Bullig, dynamisch, nach hinten hin flacher werdend. Die kleinen Fenster hinten sind fast schon Zitate von Fenstern. Der Mégane ist ein kompakter Crossover-SUV.
Bullig, dynamisch, nach hinten hin flacher werdend. Die kleinen Fenster hinten sind fast schon Zitate von Fenstern. Der Mégane ist ein kompakter Crossover-SUV.
 ?? ?? Ein Lenkeck gibt den Blick auf die Armaturen und viele Stoffe frei.
Ein Lenkeck gibt den Blick auf die Armaturen und viele Stoffe frei.

Newspapers in German

Newspapers from Austria