Warum die (extremen) Rechten Wahlen gewinnen
Israel. Nicht nur kehrt der korrupte und diskreditierte Netanjahu zurück, die Partei, die ihm die Regierungsmehrheit verschafft hat und explosionsartig an Stimmen zunahm, ist eine rechtsextreme, rassistische Gruppierung. Italien. Die stärkste Partei und die Regierung werden von einer Vertreterin einer Faschisten-Nachfolgepartei geführt, die das Land in ein Präsidialsystem verwandeln will. Ungarn. Ein autokratischer, korrupter Langzeitpremier gewinnt bei den Wahlen im April wieder eine bequeme Mehrheit. Brasilien. Ein rechtsextremer Regenwaldverwüster muss sich nur ganz knapp einem linken Kandidaten geschlagen geben. USA. Bei den Midterm-Wahlen am kommenden Dienstag stehen die Chancen gut, dass die von weißen Suprematisten und Verschwörungstheoretikern übernommene Republikanische Partei eine Mehrheit im Abgeordnetenhaus und/oder Senat gewinnt. Das ist derzeit die größte Gefahr für die Demokratie weltweit.
Was ist da passiert? Warum haben – wie in Israel – die Parteien der Mitte, der Mitte-Linken, der Liberalen fast keine Chance mehr gegen harte Nationalkonservative und ausgesprochene Rechtsextremisten? Als eine Erklärung wird angeboten, dass die Wähler die Gefahr für die Demokratie derzeit weniger stört als die Preise für Benzin und Heizgas. Aber auf den Punkt gebracht: Die Rechtsextremen haben ein effektives Narrativ. Die Linken, Mitte-Linken und Liberalen haben so gut wie keines. In Krisensituationen wie jetzt glauben viele Wähler denen, die bestimmt auftreten.
Und: Die Rechten haben keine Skrupel, die anderen sehr wohl. Wenn sich dann auch noch „normale“Konservative in „radikalisierte Konservative“(ein Begriff der Politologin Natascha Strobl) verwandeln und skrupellos mit den Rechtsextremen ins Bett legen, sind Mehrheiten möglich. Das Narrativ der Rechtsextremen (und teils auch der radikalisierten Konservativen) ist einfach: Die anderen sind schuld. Die „roten Zecken“(so ein Kurz-Spender im Chat), die Zuwanderer, die gottlosen LGBTQ-Leute, you name it. Und diese Botschaft wird ohne die geringste Hemmung und unter Inkaufnahme von Gewalt massivst verbreitet. Wie gewaltcrazy inzwischen solche Politiker in den USA oder Israel sind, ist in Europa wenig bekannt.
Das wäre noch einzudämmen, wären nicht die Linken, Linksliberalen, MitteLinken, Liberalen so schwachmatisch. Joe Biden hat erstklassige Milliardenprogramme für die Klimawende, gegen Arbeitslosigkeit auf den Weg gebracht, er macht in der Auseinandersetzung mit Russland und China eine harte, zugleich aber verantwortungsvolle Politik – aber er und die Demokraten können das allem Anschein nach nicht und nicht in Erfolge bei den Wählern umsetzen. Ähnliches gilt für die Anti-Netanjahu-Koalition in Israel oder für die italienischen Linken und Liberalen. In Österreich ist sogar eine solche Koalition aus Rechts und Rechts-außen von Kurz und Strache schon zusammengebrochen, aber Mitte-Links hat keine kohärente Strategie gefunden. Die SPÖ von Rendi-Wagner hat Mühe, klarzumachen, was ihre Antwort auf die großen Themen ist. Inzwischen rücken ihr die Extremisten der Kickl-FPÖ schon wieder nahe. Von einer Ampel Rot-Grün-Pink gibt es keine Lebenszeichen.
Wenn Rechtsextreme einen Staat übernehmen, versuchen sie als Erstes die Demokratie zu zerstören. Das ist in Ungarn und der Türkei schon weit fortgeschritten, in Israel, Italien und den USA zu befürchten. Damit das zumindest nicht so weitergeht, müssen die Anti-Rechten wieder konzeptuell arbeiten und kämpfen lernen. Davon demnächst mehr.