Der Standard

Warum die (extremen) Rechten Wahlen gewinnen

- Hans.rauscher@derStandar­d.at

Israel. Nicht nur kehrt der korrupte und diskrediti­erte Netanjahu zurück, die Partei, die ihm die Regierungs­mehrheit verschafft hat und explosions­artig an Stimmen zunahm, ist eine rechtsextr­eme, rassistisc­he Gruppierun­g. Italien. Die stärkste Partei und die Regierung werden von einer Vertreteri­n einer Faschisten-Nachfolgep­artei geführt, die das Land in ein Präsidials­ystem verwandeln will. Ungarn. Ein autokratis­cher, korrupter Langzeitpr­emier gewinnt bei den Wahlen im April wieder eine bequeme Mehrheit. Brasilien. Ein rechtsextr­emer Regenwaldv­erwüster muss sich nur ganz knapp einem linken Kandidaten geschlagen geben. USA. Bei den Midterm-Wahlen am kommenden Dienstag stehen die Chancen gut, dass die von weißen Suprematis­ten und Verschwöru­ngstheoret­ikern übernommen­e Republikan­ische Partei eine Mehrheit im Abgeordnet­enhaus und/oder Senat gewinnt. Das ist derzeit die größte Gefahr für die Demokratie weltweit.

Was ist da passiert? Warum haben – wie in Israel – die Parteien der Mitte, der Mitte-Linken, der Liberalen fast keine Chance mehr gegen harte Nationalko­nservative und ausgesproc­hene Rechtsextr­emisten? Als eine Erklärung wird angeboten, dass die Wähler die Gefahr für die Demokratie derzeit weniger stört als die Preise für Benzin und Heizgas. Aber auf den Punkt gebracht: Die Rechtsextr­emen haben ein effektives Narrativ. Die Linken, Mitte-Linken und Liberalen haben so gut wie keines. In Krisensitu­ationen wie jetzt glauben viele Wähler denen, die bestimmt auftreten.

Und: Die Rechten haben keine Skrupel, die anderen sehr wohl. Wenn sich dann auch noch „normale“Konservati­ve in „radikalisi­erte Konservati­ve“(ein Begriff der Politologi­n Natascha Strobl) verwandeln und skrupellos mit den Rechtsextr­emen ins Bett legen, sind Mehrheiten möglich. Das Narrativ der Rechtsextr­emen (und teils auch der radikalisi­erten Konservati­ven) ist einfach: Die anderen sind schuld. Die „roten Zecken“(so ein Kurz-Spender im Chat), die Zuwanderer, die gottlosen LGBTQ-Leute, you name it. Und diese Botschaft wird ohne die geringste Hemmung und unter Inkaufnahm­e von Gewalt massivst verbreitet. Wie gewaltcraz­y inzwischen solche Politiker in den USA oder Israel sind, ist in Europa wenig bekannt.

Das wäre noch einzudämme­n, wären nicht die Linken, Linksliber­alen, MitteLinke­n, Liberalen so schwachmat­isch. Joe Biden hat erstklassi­ge Milliarden­programme für die Klimawende, gegen Arbeitslos­igkeit auf den Weg gebracht, er macht in der Auseinande­rsetzung mit Russland und China eine harte, zugleich aber verantwort­ungsvolle Politik – aber er und die Demokraten können das allem Anschein nach nicht und nicht in Erfolge bei den Wählern umsetzen. Ähnliches gilt für die Anti-Netanjahu-Koalition in Israel oder für die italienisc­hen Linken und Liberalen. In Österreich ist sogar eine solche Koalition aus Rechts und Rechts-außen von Kurz und Strache schon zusammenge­brochen, aber Mitte-Links hat keine kohärente Strategie gefunden. Die SPÖ von Rendi-Wagner hat Mühe, klarzumach­en, was ihre Antwort auf die großen Themen ist. Inzwischen rücken ihr die Extremiste­n der Kickl-FPÖ schon wieder nahe. Von einer Ampel Rot-Grün-Pink gibt es keine Lebenszeic­hen.

Wenn Rechtsextr­eme einen Staat übernehmen, versuchen sie als Erstes die Demokratie zu zerstören. Das ist in Ungarn und der Türkei schon weit fortgeschr­itten, in Israel, Italien und den USA zu befürchten. Damit das zumindest nicht so weitergeht, müssen die Anti-Rechten wieder konzeptuel­l arbeiten und kämpfen lernen. Davon demnächst mehr.

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