Der Standard

HALLO, WAS LESEN SIE?

- fragt Manfred Rebhandl

Clara Gallistl hat sich schon als Kind immer in dicke Bücher vertieft: „Harry Potter, Thomas Brezina, Wolfgang Hohlbein – heute würde man dazu ‚binge reading‘ sagen.“Diese Bücher stehen immer noch in Oberösterr­eich bei ihren Eltern herum, die sie immer wieder mal daran erinnern, dass sie ausmisten soll. Als Absolventi­n einer Adalbert-Stifter-Hauptschul­e und eines Adalbert-Stifter-Gymnasiums hat sie später natürlich auch den Biedermeie­rklassiker gelesen, ihre Maturaarbe­it aber schrieb sie über Thomas Mann. „Deutsch hat mich immer so sehr fasziniert, dass ich danach ganz selbstvers­tändlich Germanisti­k und Literaturw­issenschaf­ten studiert habe.“

Das Buch Identitti ist passend dazu ein Universitä­tsroman: „Es geht darin natürlich um Identität, darum, wer ICH sagen darf und wer für andere reden. Es ist der erste Roman der Autorin, und ich vermute mal, dass sie diese Erzählform gewählt hat, um dem sehr ernsten und schwierige­n Thema eine gewisse Freiheit zu geben.“Die Hauptfigur ist eine Professori­n für Postcoloni­al Studies an der Universitä­t Düsseldorf namens Dr. Saraswati, die sich selbst als Person of Colour bezeichnet, aber – Skandal! – in Wirklichke­it weiß ist. „Es folgen Shitstorms und Demonstrat­ionen, der Roman geht damit aber sehr lustvoll um. Zahlreiche Figuren vertreten ihre Standpunkt­e, als Leserin kann ich da einfach mitschwimm­en. Und als Geisteswis­senschafte­rin finde ich dieses Pingpong der Perspektiv­en sowieso geil, weil man sich kein ethisches Urteil bilden muss.“Das Lustige: „Auch ich verstehe dabei natürlich nicht alles, was aber egal ist, weil zwei Sätze weiter die Diskussion schon wieder ganz woanders angekommen ist. So wie wenn man um einen Tisch herum sitzt mit anderen Leuten, da muss man auch nicht alles verstehen!“

Unterm Strich, so der glühende RapidFan, werde dabei die Frage gestellt, wie eine liebevolle und friedliche Gesellscha­ft möglich ist. „Und eine Antwort dieses sehr guten Buches darauf lautet: Lassen wir uns doch alle ein bisserl in Ruhe, dann kann jeder so sein, wie er will.“

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Clara Gallistl (34) ist Strategin für PR und Community-Building.

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