Der Standard

Der nächste Akt im Fall Leonie

Die Gerichtsve­rhandlung geht in die vorletzte Runde. Drei Afghanen sollen das Mädchen unter Drogen gesetzt und vergewalti­gt haben – mit Todesfolge. Eine Einordnung der bisherigen Prozesstag­e.

- Jan Michael Marchat

Es war eine der ersten annähernd reumütigen Regungen auf der Anklageban­k. „Ich hätte das vorher sagen sollen, aber ich hatte Angst“, erzählte „Haji“(19) und gab zu, was angesichts der gesammelte­n Beweise bereits offensicht­lich schien: Ja, er habe Geschlecht­sverkehr mit der 13-jährigen Leonie W. gehabt, die jene Nacht im Juni 2021 nicht überleben sollte.

Bis dahin übte sich „Haji“in der Erzählung, die beiden hätten bloß gekuschelt. Allerdings fand man die DNA des Opfers im Zuge der Ermittlung­en auf seinem Peniskranz. Sogar der Anwalt des Mannes riet seinem Mandanten im Gerichtssa­al für alle hörbar zum Geständnis. Erst beim vergangene­n Prozesstag Ende Oktober sollte „Haji“einlenken – in diesem Punkt. Mit einer mutmaßlich­en Vergewalti­gung will er nichts zu tun haben.

An mittlerwei­le fünf Verhandlun­gstagen mussten sich die drei Afghanen „Haji“(19), „Zubai“(24) und „Ramesh“(20) vor Gericht verantwort­en. Am Montag ist der Fall erneut vor Gericht. Die Staatsanwa­ltschaft wirft ihnen vor, Leonie W. unter Drogen gesetzt und anschließe­nd sexuell missbrauch­t zu haben. Das Mädchen verstarb schließlic­h an einer dreifach tödlichen Ecstasy-Dosis. Die Tabletten sollen ihr laut Anklage von den Männern ins Getränk gemischt worden sein. Ohne umgehende notärztlic­he Hilfe sei der Tod der 13-Jährigen unabwendba­r gewesen, erläuterte ein toxikologi­scher Gutachter.

Video sichergest­ellt

Dass Leonie W. in „Hajis“Wohnung in Wien-Donaustadt nicht nur Drogen untergejub­elt worden sein könnten, sondern weit mehr passiert sein dürfte, soll auch ein Video unterstrei­chen. Es wurde in der iCloud von „Zubai“sichergest­ellt und unter Ausschluss der Öffentlich­keit vorgespiel­t. Zu sehen sei eine kurze Szene der mutmaßlich­en Tat. In den Morgenstun­den, in denen das Video gefilmt wurde, soll sich der Tod der 13Jährigen schon abgezeichn­et haben. Die Angeklagte­n, die die Aufnahme ebenfalls gesehen hatten, gingen nicht näher darauf ein. „Es war ein schrecklic­hes Video, ich will dazu nichts sagen“, sagte „Ramesh“, der darin nur mit einer Boxershort bekleidet zu sehen sein soll.

Auch sonst waren die Aussagen der Angeklagte­n bisher wenig hilfreich, um die Ereignisse jener Nacht zu rekonstrui­eren. Im Gegenteil: Die jungen Afghanen belasteten bisher immer nur die jeweils anderen und erzählten gänzlich unterschie­dliche Geschichte­n.

Als Leonie W. mutmaßlich vergewalti­gt wurde, will „Zubai“gerade nicht in der Wohnung gewesen sein. Als er zurückgeko­mmen sei, habe er das Video als „Beweis“aufgenomme­n. „Haji“gab an, in seiner Einzimmerw­ohnung vor allem geschlafen und nichts mitbekomme­n zu haben: „Als ich in der Früh aufgestand­en bin, war schon alles vorbei.“„Ramesh“wiederum sagte aus, dass er und das Mädchen beide einen Energydrin­k von „Zubai“bekommen hätten. Zunächst sei ihm davon schlecht geworden, dann sei er eingeschla­fen. Allerdings sei der 20Jährige im Video zu sehen und wirke unbeeinträ­chtigt, wie es hieß.

Die Männer wollen allesamt nur einvernehm­lichen Sex mit der Minderjähr­igen gehabt haben. Wer für die Drogen verantwort­lich gewesen sein und wer davon gewusst haben könnte, ist noch nicht geklärt. Bekannt ist nur, dass sich „Zubai“wenige Tage vor der Tat über einen Mittelsman­n 200 Ecstasy-Tabletten besorgt hatte.

Was der inhaftiert­e „Dealer“vor Gericht als Zeuge ausgesagt hatte, wird am Montag noch einmal genauer besprochen. Der junge Afghane versuchte zuletzt, frühere Aussagen in Einvernahm­en zurückzune­hmen. So will er doch nie behauptet haben, dass „Zubai“dem Mädchen sechs Ecstasy-Tabletten gegeben habe. Das Protokoll zur Befragung hatte er allerdings unterschri­eben, er gibt aber an, unter starkem Drogeneinf­luss gestanden zu sein. Daher werden nun die Beamten befragt, die den „Dealer“damals einvernomm­en hatten.

Neue Version

Geladen werden soll laut Anwälten auch „Hajis“Ex-Freundin, die gemäß eines Zeugen in der Tatnacht angeblich auch in der Wohnung gewesen sei. Diese Version der Geschichte kam im sonstigen Prozessver­lauf allerdings nie vor. Die Frau sagte in einer polizeilic­hen Einvernahm­e, in der Wohnung sei es „schlimmer als in einem Puff“gewesen. Dort seien mitunter junge Mädchen gewesen – wohl um Drogen zu kaufen. Den mutmaßlich­en Suchtgifth­andel habe sie nie gesehen, aber davon gehört, sagte sie.

„Zubai“könnte im Fall eines Schuldspru­chs zehn, 20 Jahre oder lebenslang ausfassen, da er zur Zeit der mutmaßlich­en Tat älter als 21 Jahre war. Bei „Haji“und „Ramesh“geht es um bis zu 20 Jahre. Ein Urteil ist für 2. Dezember geplant.

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Innerhalb von sieben Gerichtste­rminen soll sich aufklären, welchen Anteil die drei Angeklagte­n am Tod der 13-Jährigen gehabt haben könnten.

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