Der Standard

Land für digitale Nomaden

Portugal wirbt mit einem Visum für qualifizie­rte „Heimarbeit­er“um gut ausgebilde­te Fachkräfte

- Reiner Wandler aus Madrid

Portugal wirbt um digitale Nomaden. Ob am Strand unten an der Algarve, in den Cafés der Hauptstadt Lissabon oder an der schroffen Atlantikkü­ste ganz im Norden. Wer im Südwesten Europas sein Homeoffice betreiben will und nicht EU-Bürger ist – bekommt jetzt eine Aufenthalt­s- und Arbeitserl­aubnis von einem Jahr. Die sozialisti­sche Regierung unter Antonio Costa hat dazu ein „Visum für digitale Nomaden“eingeführt, das seit Ende Oktober beantragt werden kann.

Einzige Bedingung, der Fernarbeit­er muss mindestens 2800 Euro im Monat verdienen – viermal so viel wie der portugiesi­sche Mindestloh­n. Ein entspreche­nder Einkommens­nachweis der letzten drei Monate ist zu erbringen.

Portugal reiht sich damit in die Liste der EU-Länder ein, die qualifizie­rten Heimarbeit­ern einen neuen Standort anbietet. In Kroatien, Griechenla­nd, Ungarn, Malta und in den Niederland­en gibt es bereits Sonderbedi­ngungen für digitale Nomaden. Spanien und Italien sind dabei, ein ähnliches Visum auszuarbei­ten. Wer das neue Nomaden-Visum hat, kann ungehinder­t im Schengenra­um – 26 EU-Länder – reisen. Einmal in Portugal mit dem Visum ansässig, kann außerdem ein Antrag auf eine Verlängeru­ng der Aufenthalt­serlaubnis auf bis zu fünf Jahre beantragt werden.

Mildes Klima

Portugal hat viel zu bieten. Das Land gilt als eines der sichersten in Europa, das Klima ist das ganze Jahr über mild, also auch für die Arbeit vom Campervan aus geeignet, die Infrastruk­tur ist modern, und die Lebenshalt­ungskosten sowie die Tarife fürs Internet sind deutlich geringer als im restlichen Westeuropa. Vielerorts gibt es kostenlose Stellplätz­e in landschaft­lich schöner Umgebung.

„Portugal ist ein sehr attraktive­s Land für Nomaden“, warb Premier Costa auf dem vor gut einer Woche zu Ende gegangenen Web Summit in Lissabon. Das neue Visum soll „Möglichkei­ten für digitale Nomaden und Investoren schaffen“, fügte der Sozialdemo­krat hinzu.

Portugal liegt tatsächlic­h im digitalen Trend. 70.000 Teilnehmer waren dieses Jahr auf den Web Summit gekommen. Das Treffen in Lissabon ist damit überhaupt das größte seiner Art in Europa.

Costa kennt das Internet- und Informatik­milieu gut. Bevor er im Jahr 2015 zum Ministerpr­äsidenten gewählt wurde, war der Sozialist acht Jahre lang Bürgermeis­ter der Hauptstadt Lissabon. Er förderte ab 2012 die Ansiedlung von Start-ups. „Heute gibt es praktisch keine Stadt in Portugal, die keine Start-ups hat“, erklärte Costa auf dem Web Summit und legte stolz Zahlen vor. Insgesamt gibt es im Land 160 Inkubatore­n – also Start-up-Zentren. In Portugal sind laut Costa sieben sogenannte­n „Unicorns“ansässig – Start-ups mit einem Unternehme­nswert von über einer Milliarde Euro. Alleine 2021 flossen immerhin 1,5 Milliarden Euro an Investitio­nen in die Branche. Portugal lockt Investoren aus Nicht-EULändern gezielt an.

Aussichten auf Jobs

Seit 2012 bekommt derjenige eine Aufenthalt­sgenehmigu­ng, der ein Unternehme­n mit mindestens zehn Arbeitsplä­tzen im Land gründet. Seit 2017 gibt es außerdem ein Startupund ein Tech-Visum. Das Startup-Visum kann beantragen, wer ein solches Unternehme­n in Portugal gründen möchte oder ein bestehende­s Start-up nach Portugal verlegt.

Um dieses Visum zu beantragen, muss ein solider Geschäfts- und Finanzplan vorgelegt werden. Es muss das Potenzial für die Schaffung hochqualif­izierter Arbeitsplä­tze bestehen und die Chance auf einen Jahresumsa­tz von mindestens 325.000 Euro nach den ersten fünf Jahren. Das Tech-Visum gibt es für hochqualif­izierte Arbeitskrä­fte aus Nicht-EU-Ländern. In der ITBranche ist längst vom „nächsten Kalifornie­n“die Rede, wenn es um Portugal geht.

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