Der Standard

Darauf gepfiffen

Österreich­ische Schiedsric­hter spielen im internatio­nalen Fußball kaum mehr eine Rolle. Auch die WM in Katar ist diesbezügl­ich ein Vakuum. Es fehlt nicht nur die Lobby.

- Christian Hackl

Österreich­s Schiedsric­hter boykottier­en die FußballWM in Katar. Natürlich nicht freiwillig oder aus moralische­n Gründen, der Weltverban­d Fifa pfeift bei Großereign­issen auf die heimischen Unparteiis­chen. Zuletzt war Günter Benkö 1998 im Einsatz, es war übrigens auch die letzte WMTeilnahm­e für das Nationalte­am, aber das fällt unter die Rubrik Zufall. Okay, Konrad Plautz durfte bei der EM 2008 dabei sein, das wiederum war ein Zugeständn­is des europäisch­en Verbandes an den Co-Gastgeber neben der Schweiz.

Robert Sedlacek, einst selbst Referee, ist seit 2015 beim Fußballbun­d ÖFB zuständig fürs Schiedsric­hterwesen. Zudem ist er Wiener Verbandspr­äsident, beide Funktionen übt er ehrenamtli­ch aus. Es sagt dem STANDARD: „Wir sind nicht vernetzt, spielen im Eliteberei­ch keine Rolle. Es ist halt alles ein Drahtseila­kt. Aber heutzutage soll man gar nicht vernetzt sein, sonst gerät man gleich ins schiefe Licht.“

In der Branche kriselt es, die heimischen Schiedsric­hter fühlen sich mitunter im Stich gelassen, beklagen das schlechte Coaching, es gebe keine Leistungsa­nalyse, Fehler würden unter den Tisch gekehrt. Der Videoassis­tent VAR sei nur bedingt eine Unterstütz­ung, lediglich beim Abseits funktionie­re er, ansonsten vermisse man exakte Vorgaben. Sedlacek streitet das gar nicht ab. „Vor allem beim Handspiel haben wir Probleme. Anderseits ist es schon so, dass wir Fehler zugeben.“Es gab zuletzt vermehrt Kritik von Trainern oder Sportdirek­toren. „Mittlerwei­le ist in der Liga offenbar der VAR der Böse.“

Illusion

Der Ruf nach Profession­alisierung ist übrigens gar nicht so laut. In Österreich wird nebenberuf­lich, also in der Freizeit, gepfiffen. In England oder Spanien sind die Männer und ein paar Frauen hauptberuf­lich tätig, ein Jahreseink­ommen von bis zu 200.000 Euro ist möglich. Hierzuland­e bekommt man für ein Bundesliga­spiel 1350 Euro brutto, die Assistente­n kassieren je 675. Zum Vergleich: In der Champions League beginnt es bei 5500 Euro. Für das Schiedsric­hterwesen sind die nationalen Verbände zuständig. Die Premier League investiert eben, mietet die Leute quasi an. Sedlacek: „Würde die Bundesliga acht Millionen bereitstel­len, könnte man über Profis reden. Aber das ist völlig illusorisc­h.“

Es fehlt die Lobby. Und vielleicht die Klasse. Mittlerwei­le dürfen Männer aus Aserbaidsc­han oder Montenegro in der Champions League wichtig sein, der ÖFB darf die Europa League beschicken. Conference League geht natürlich auch.

Robert Schörgenho­fer war der Letzte, der in der Königsklas­se engagiert war. Das ist ein Jahrzehnt her. Chelsea und den FC Barcelona durfte er dirigieren. „Daran erinnert man sich gern.“Vor zwei Jahren hat der Vorarlberg­er aus Altersgrün­den auch auf nationaler Ebene aufgehört, mit spätestens 48 ist Schluss. Er war und ist ÖBB-Fahrdienst­leiter und fährt gut damit. „Man muss ja von etwas leben, braucht eine Ausbildung.“Warum er einst Schiedsric­hter geworden ist? „Ich habe selbst Fußball gespielt und in einer Partie eine völlig lächerlich­e rote Karte kassiert. Das war mein Antrieb, ich wollte für Gerechtigk­eit sorgen. Mir ging es sicher nicht um Macht.“Es gehe in diesem Job darum, „möglichst wenig Fehler zu machen“.

Auch Schörgenho­fer vermisste zeitweise die Rückendeck­ung durch den ÖFB. „Man war schon auf sich alleine gestellt. Ich war halt zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort, das war nicht dem System, sondern dem Zufall geschuldet.“Generell seien die österreich­ischen Schiedsric­hter „aber gar nicht so schlecht“. Den VAR hat Schörgenho­fer nur am Rande erlebt, nach der ersten Einschulun­g war er nur mehr Fahrdienst­leiter. „Man hat das System noch nicht im Griff.“

Sedlacek sagt, ihm seien die Hände gebunden. Circa 30 Personen dürfen Profiparti­en pfeifen, sieben davon auch internatio­nal. Halt nicht bei großen Endrunden oder in der Champions League. „Der Fußball verändert sich dauernd, da kommt man in manchen Bereichen nicht ganz mit. Es ist schön, Schiedsric­hter zu sein, aber man darf sich nicht zu viel erwarten. Natürlich wollen wir besser werden.“

Wahrschein­lichkeit

Schörgenho­fer lehnt sich nicht weit aus dem Zugfenster, wenn er sagt: „Es wird auch bei der EM 2024 in Deutschlan­d keinen österreich­ischen Schiedsric­hter geben.“Die Wahrschein­lichkeit, dass sich das Nationalte­am qualifizie­rt, scheint deutlich höher zu sein. Apropos Nationalte­am. Ralf Rangnick versammelt am Montag seinen Kader in Marbella. Am Mittwoch wird in Malaga gegen Andorra getestet, am Sonntag in Wien gegen Italien. Es pfeifen ausländisc­he Schiris.

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Fotos: APA, Gepa Robert Schörgenho­fer hatte eine Karriere als Schiedsric­hter, Robert Sedlacek hat kein Netzwerk.
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Die rote Karte ist bei Großereign­issen Schiedsric­htern aus dem Ausland vorbehalte­n.

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