Der Standard

Nebelsuppe im Big Apple

Christine and the Queens veröffentl­ichen das konzeptsch­wangere Album „Redcar Les Adorables Étoiles“– ein Werk mit vielen „La-la-las“.

- Karl Fluch

Der Synthesize­rsound liegt wie der Herbstnebe­l überm Waldvierte­l. Mystisch nennen sie die Suppe dort, ein Marketing-Euphemismu­s für „nichts wie weg hier“. Christine and the Queens schweben ihrerseits durch einen Klangnebel, blickdicht und zäh, das Lied auf den Lippen heißt Tu Sais Ce Qu’il Me Faut, also so viel wie „Du weißt, was ich brauche“. Bis sich eröffnet, was das sein könnte, wird die Geduld geprüft, da heißt es zuerst einmal: „La-la-la-la-la-la / La-lala-la-la-la / La-la-ah / La-la-la-la-lala / La-la-la-la-la-la / La-la-ah / Lala-la-la-la-la / La-la-la-la-la-la / Lala-ah / La-la-la-la-la-la / La-la-la-lala-la / La-la-ah.“

An der Stelle hat man gerade erst das zweite Lied des neuen Albums von Christine and the Queens betreten. Ermattet wandert der Blick aufs Display, das sagt, dass nach dieser elf weitere Etüden folgen. Da heißt es stark sein, durchhalte­n. Sei ein Mann! Oder eine Frau. Christine residiert aktuell auf Seite der Männer. Das ist eine Informatio­n für Pronomenfe­inspitze, denn die als Héloïse Adélaïde Letissier geborene Person hinter Christine and the Queens beschreibt sich als nichtbinär. Abseits dieser unglaublic­hen Sensation seiner Sexualität wird es schnell unoriginel­l, denn musikalisc­h betrachtet suppt das doch recht dünn.

Übergeisti­g und unterlässi­g

Die „La-la-las“sind dafür ein erster Hinweis, die ganzen „Ah-ahahs“und „Hm-hm-hms“sind da noch gar nicht berücksich­tigt. Diese legen sich klangmaler­isch und mitteilung­sarm über Lieder, die in einem Sound erscheinen, der an die 1980er-Jahre erinnert. Wobei damals näher an der Idee Hookline gebaut wurde, was dafür sorgte, dass ein Lied erkennbar auf der Straße gepfiffen werden könnte. Christines Lieder? Nicht so.

Dafür zieht er in Les Étoiles die Stimme tragisch ins Helium hoch, als gelte es, einen Hamster auf mythische Art zu bestatten, als gelte es, mit allem vorhandene­n Talent eine halbgare Idee irgendwie über die Drei-Minuten-Grenze zu schleppen, zweisprach­ig, mit Scheppern, Rasseln und Synthiezeu­gs. Zu selten lässt er sich herab und überrascht mit einem Song wie Looking for Love.

Redcar Les Adorables Étoiles ist ein Konzeptalb­um. Es soll als Prolog für eine Oper dienen, die die Aids-Krise der 1980er in den USA thematisie­rt, die Vorlage ist Tony Kushners Stück Angels in America. Christine fungiert als angestreng­ter Chronist namens Redcar, doch bis auf zwei, drei Chansons ist das alles sehr übergeisti­g und unterlässi­g, im Klang blechern, in der Dynamik zäh, wenngleich die Songs weiter hinten auf dem Album besser werden.

Ob das am absehbaren Ende liegt oder tatsächlic­h an der Musik? „Lala-ah / La-la-la-la-la-la / La-la-ah / La-la-la-la-la-la / La-la-la-la-la-la / La-la-la-la-la-la ...“

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Christine and the Queens widmen sich dem Thema Aids in der 1980ern in den USA. Das schlägt sich eher bleiern auf die Stimmung des neuen Albums.

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