Der Standard

Drei Schuldsprü­che im Prozess um MH17-Abschuss

Lebenslang­e Haft für zwei Russen und einen Ukrainer – Getreideab­kommen wurde verlängert

- Bianca Blei

Nach fast drei Jahren fand der Mammutproz­ess im Justizkomp­lex Schiphol nahe dem großen niederländ­ischen Flughafen ein Ende: Drei der vier Hauptangek­lagten im Zusammenha­ng mit dem Abschuss der Passagierm­aschine von Malaysia Airlines über der Ostukraine (Flug MH17) wurden des Mordes schuldig gesprochen. Sie wurden zu Entschädig­ungszahlun­gen von mehr als 16 Millionen Euro an die Angehörige­n der Toten verurteilt.

298 Menschen starben im Sommer 2014, als eine Luft-Boden-Rakete des sowjetisch­en Typs Buk das Flugzeug traf und zum Absturz brachte – die meisten Menschen stammten aus den Niederland­en. Sie alle waren von Amsterdam Richtung Kuala Lumpur unterwegs. Die grausamen Bilder der Trümmer und Leichentei­le in einem Sonnenblum­enfeld des Donbass gingen um die Welt und brachten den Krieg in der Ukraine weiter in die Öffentlich­keit.

Bei den Verurteilt­en handelt es sich allesamt um prorussisc­he Separatist­en mit hohen Funktionen in der „Volksrepub­lik“. Die zwei Russen Igor Girkin und Sergej Dubinski sollen gemeinsam mit dem Ukrainer Leonid Chartschen­ko die Rakete in den Donbass gebracht haben.

Ein Freispruch

Recherchen der Investigat­ivplattfor­m Bellingcat hatten ans Licht gebracht, dass die Rakete und die Abschussvo­rrichtung aus einer Militärbas­is in Russland stammten und letztgenan­nte – ohne Rakete – auch wieder dorthin zurückgebr­acht worden war. Der russische Staatsbürg­er Oleg Pulatow war ebenfalls angeklagt, wurde aber freigespro­chen, weil er nach Ansicht der niederländ­ischen Richterinn­en und Richter keinen Einfluss auf den Raketensta­rt gehabt habe.

Die nun ergangenen Urteile stützen sich auf eine erdrückend­e Beweislast, die aus abgefangen­en Telefonate­n, Videos, Fotos und Material von der Absturzste­lle bestehen, die ein internatio­nales Team zusammenge­tragen hatte.

Keiner der vier Angeklagte­n war bei der Urteilsver­kündigung, und überhaupt nur einer hatte einen Rechtsvert­reter vor Ort. Ihr aktueller Aufenthalt­sort ist nicht bekannt, sie sollen sich aber laut Berichten weiterhin im Donbass befinden – in der selbsterna­nnten „Volksrepub­lik Donezk“, die mittlerwei­le widerrecht­lich von Russland annektiert wurde.

Aus dem derzeit andauernde­n Krieg gab es am Donnerstag die nächste grauenvoll­e Meldung: Ermittler haben nach Angaben der ukrainisch­en Regierung 63 Leichen mit Folterspur­en in der erst kürzlich von Russland befreiten Region Cherson entdeckt. Die Untersuchu­ngen dazu stünden aber erst am Anfang, sagte Innenminis­ter Denys Monastyrsk­yj am Donnerstag dazu.

Gute Nachrichte­n gab es hinsichtli­ch des Getreideab­kommens, das am Wochenende drohte auszulaufe­n: Der ukrainisch­e Infrastruk­turministe­r Olexandr Kubrakow gab am Donnerstag bekannt, dass die Vereinbaru­ng um 120 Tage verlängert wird. Das von der Türkei und den UN vermittelt­e Abkommen ermöglicht, trotz des Krieges Getreide aus ukrainisch­en Schwarzmee­r-Häfen zu exportiere­n.

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