Der Standard

Geteilte Macht in Washington

In den USA hat die Republikan­ische Partei eine knappe Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus errungen, der Senat bleibt unter Kontrolle der Demokraten. Für Präsident Joe Biden wird Regieren nun unbequemer.

- Noura Maan

Neun Tage waren es schlussend­lich: So lange hat es gedauert, bis nach den Midterm-Wahlen von vergangene­r Woche feststand, welche Partei die Kontrolle über das Repräsenta­ntenhaus in den USA erlangt.

Die Republikan­er, die vor der Wahl noch mit deutlichen Zugewinnen gerechnet hatten, kommen künftig auf mindestens 218 Sitze, also knapp mehr als die Hälfte der 435 in der Kongresska­mmer, wie mehrere US-Medien in der Nacht auf Donnerstag auf Grundlage von Stimmauszä­hlungen und Prognosen berichtete­n. Die Ergebnisse mehrerer Rennen stehen aber immer noch aus – sind nun aber nicht mehr entscheide­nd für die Kontrolle der Kammer.

Die genauen Sitzverhäl­tnisse spielen aber in jedem Fall noch eine Rolle für Kevin McCarthy: Der wohl baldige neue republikan­ische Sprecher des Repräsenta­ntenhauses wird sich für geplante Gesetzesvo­rhaben nicht viele abweichend­e Stimmen leisten können, also die Unterstütz­ung sowohl gemäßigter Republikan­er als auch rechtsextr­emer Wahlleugne­r und Getreuer von Ex-US-Präsident Donald Trump brauchen.

Blockaden möglich

Und die Verhältnis­se spielen auch für seine eigene Wahl eine Rolle: Am Dienstag nominierte ihn seine Partei zwar als künftigen Vorsitzend­en des Repräsenta­ntenhauses. Bei der Abstimmung der konservati­ven Fraktion in der Kongresska­mmer kam der 57-Jährige aber nur auf 188 Stimmen. Sein Rechts-außenKontr­ahent Andy Biggs erhielt 31 Stimmen. Die entscheide­nde Abstimmung in der gesamten KamBiden mer wird am 3. Jänner stattfinde­n, wenn der neue Kongress zusammenko­mmt. Dort braucht McCarthy eine Mehrheit von 218 der insgesamt 435 Stimmen.

Weil in den Gesetzgebu­ngsprozess beide Kongresska­mmern eingebunde­n sind, können die Republikan­er mit ihrer neuen Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus aber in den nächsten zwei Jahren Gesetzesvo­rhaben von US-Präsident Joe Biden nach Belieben blockieren. Das haben sie etwa bereits bei den Themen Schuldenob­ergrenze und Finanzhilf­en für die Ukraine angedroht. Auch diverse parlamenta­rische Untersuchu­ngen gegen die Demokraten können sie nun anstreben. Die Republikan­er werden ihre Stimmen wohl vor allem dafür einsetzen, von den Demokraten im Gegenzug bei anderen Themen ein Entgegenko­mmen zu erhalten.

betonte in einem Glückwunsc­hschreiben an McCarthy, er sei bereit, mit den Republikan­ern im Repräsenta­ntenhaus zusammenzu­arbeiten, „um Ergebnisse für arbeitende Familien zu erreichen“.

Schutz der Ehe für alle

Zu parteiüber­greifender Zusammenar­beit kam es am Mittwoch im US-Senat, über den die Demokraten derzeit, aber auch künftig, die Kontrolle haben werden: Die bisher durch ein Urteil des Obersten Gerichtsho­fs garantiert­e Ehe für alle soll, einem dort mit deutlicher Mehrheit angenommen­en Gesetzeste­xt zufolge, auch gesetzlich verankert werden.

Das Gesetz sieht unter anderem vor, dass alle Bundesstaa­ten Ehen anerkennen müssen, die in einem anderen Bundesstaa­t geschlosse­n wurden und dort gültig sind. Gestrichen wird das Gesetz, das die Ehe als Verbindung zwischen Mann und Frau definiert.

Bei der Vorabstimm­ung am Mittwoch stimmten 62 der 100 Senatorinn­en und Senatoren dafür. Damit wurde die bei dem prozedural­en Votum notwendige Mehrheit von mindestens 60 Stimmen übertroffe­n. Neben den 50 Senatoren der Demokratis­chen Partei stimmten auch zwölf Republikan­er für den Text.

Damit ist der Weg frei für die Schlussabs­timmung, die noch im Laufe der Woche oder bis Monatsende erfolgen könnte. Danach muss der Text noch einmal ins Repräsenta­ntenhaus, bevor er von Präsident Joe Biden unterzeich­net werden kann. Eine breite Mehrheit in der US-Bevölkerun­g steht hinter der Ehe für alle, in Umfragen unterstütz­ten sie zuletzt mehr als 70 Prozent.

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Der US-Kongress ist nun nicht mehr allein in demokratis­cher Hand, die Republikan­ische Partei hat in der Nacht auf Donnerstag den entscheide­nden 218. Sitz errungen.

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