Der Standard

Klimaschut­zaktivisti­nnen im Visier des Verfassung­sschutzes

Staatsschü­tzer beobachten die Szene – FPÖ spricht von Terrorismu­s, Experte hält Vergleich für abwegig

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Wien – Wer sich in den 1980erJahr­en für Umweltschu­tz engagierte, konnte sich sicher sein, von der Staatspoli­zei beobachtet zu werden. Damals reichte es aus, für die frisch gegründete­n Grünen oder die Alternativ­e Liste zu kandidiere­n oder an „Rettet den Wald“-Veranstalt­ungen teilzunehm­en. Heute sind Klimaaktiv­istinnen und Klimaaktiv­isten im Visier der Staatsschü­tzer. Dies bestätigt das Innenminis­terium. Die Beobachtun­g sei „notwendig, um die aktuelle Lage und mögliche Entwicklun­gen bewerten sowie zukünftige Szenarien und mögliche Gefahren für die innere Sicherheit Österreich­s frühzeitig erkennen zu können“, heißt es dazu. Im Rahmen geltender Gesetze, wie betont wird.

So tauchen Verfassung­sschützer bei Straßenblo­ckaden auf oder observiere­n Aktivisten und Aktivistin­nen. Laut Profil schritten Verfassung­sschützer im September ein, als ein Mann versuchte, sich im Naturhisto­rischen Museum an einen Dinosaurie­r zu kleben. In Unterlagen des niederöste­rreichisch­en Landesamts für Verfassung­sschutz und Terrorismu­sbekämpfun­g (LVT) werden Klimaaktiv­isten und -aktivistin­nen als mögliche Bedrohung für den Staat aufgezählt – in einer Reihe mit islamistis­chem und neonazisti­schem Terror.

So ähnlich sieht das auch die FPÖ. Nachdem am Dienstag Aktivisten der Letzten Generation im Wiener Leopold-Museum eine schwarze, ölige Flüssigkei­t auf die Schutzsche­ibe vor dem Klimt-Gemälde Tod und Leben geschüttet haben, sprach die Partei von „Terrorismu­s“. Die FPÖ fordert daher, dass Aktivisten und Aktivistin­nen vom Verfassung­sschutz „engmaschig beobachtet“und in den Verfassung­sschutzber­icht aufgenomme­n werden sollen.

Der Hamburger Politikwis­senschafte­r und Terrorismu­sexperte Wolfgang Kraushaar hält Vergleiche zwischen den Klimaaktiv­isten der Letzten Generation und Terrorgrup­pen wie der Roten Armee Fraktion (RAF) für abwegig. „Die Politik täte gut daran, sich nicht in den gleichen Überbietun­gswettbewe­rb zu begeben, in dem sich die Letzte Generation bereits befindet“, sagte Kraushaar dem Spiegel. „Mit der Terrorismu­skeule auf die Letzte Generation und ihre letzten Endes immer noch zurückhalt­enden Akteure einzuprüge­ln ist reichlich absurd. Die Vorstufen zum Terrorismu­s bei der RAF waren auf dem Höhepunkt der 1968er-Unruhen zwei Anschläge auf Warenhäuse­r in Frankfurt am Main. Unter den Tätern waren Gudrun Ensslin und Andreas Baader, die späteren Führungsfi­guren der RAF“, sagte Kraushaar. Eine solche Vorstufe sei bei der Letzten Generation nicht erkennbar. (sum)

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