Der Standard

Hoffnung für den Wald

- Alicia Prager und Philip Pramer aus Sharm el-Sheikh

Der weltgrößte Regenwald, der Amazonas-Urwald, wurde in der Amtszeit von Jair Bolsonaro massiv abgeholzt. Sein Nachfolger Lula verspricht die Kehrtwende. Dazu plant er einen Zusammensc­hluss mit anderen Regenwaldn­ationen. Auf der Klimakonfe­renz verspricht er: „Brasilien ist zurück.“

Erwartet einen Lula, der sehr viel mehr fordern wird! Damit schloss der angehende brasiliani­sche Präsident Luiz Inácio Lula da Silva – kurz Lula – seine Ansprache auf der Weltklimak­onferenz in Sharm el-Sheikh. Die Menschen im Saal jubelten und klatschten im Takt, manche tanzten ein paar Schritte.

Der neugewählt­e Lula wird auf der Weltklimak­onferenz wie ein Rockstar empfangen. Bereits eine Dreivierte­lstunde vor dem Start seiner Rede bleiben die Türen des Saals wegen Überfüllun­g geschlosse­n. Wo immer er erwartet wird, bilden sich Menschentr­auben. Am Rande der zähen und komplizier­ten Verhandlun­gen zur Klimafinan­zierung und zur Verantwort­ung für Klimaschäd­en bringt er neuen Schwung auf das Konferenzg­elände.

Dort macht er deutlich: Mit ihm werde es einen harten Bruch mit der Politik der vergangene­n Jahre geben. Es ist ein Bruch, der auch auf der Konferenz deutlich zu spüren ist, wo neben dem Team Lulas auch die Delegation der amtierende­n Regierung von Jair Bolsonaro vertreten ist. Sie ist es, die Brasilien in den Verhandlun­gen vertritt. Schließlic­h übernimmt Lula die Präsidents­chaft erst mit Anfang des kommenden Jahres. Wer beim brasiliani­schen Delegation­sbüro nach Lula fragt, wird abgewimmel­t. „Wir arbeiten nicht für Lula“, antwortet eine Delegierte knapp – und schließt die Tür.

Lulas Besuch ist ein Zeichen für die Kehrtwende, die er einläuten will – Brasilien ist zurück in der Klimadiplo­matie und will ordentlich aufmischen, so die Message. Innerhalb des Landes will Lula die Entwaldung stoppen, die während Bolsonaros Amtszeit massiv beschleuni­gt wurde. Auf der Weltbühne will Lula fordern, dass reiche Länder ihr Verspreche­n der jährlich 100 Milliarden Dollar an Klimafinan­zierung erfüllen. Der bislang höchste Betrag wurde im vergangene­n Jahr mit rund 83 Milliarden gezahlt.

Lula plant Indigenen-Ministeriu­m

Geht es nach Lula, soll die Klimakonfe­renz im Jahr 2025 im Amazonas stattfinde­n – der Schutz des weltgrößte­n Regenwalde­s soll in den Klimaverha­ndlungen weiter in den Vordergrun­d rücken. „Der Kampf gegen die Erderhitzu­ng kann ohne einen geschützte­n Amazonas nicht gewonnen werden“, so Lula. Seine Regierung werde keine Mühen scheuen, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen. Dazu will er auch die indigene Bevölkerun­g stärker einbinden – es soll ein eigenes Indigenen-Ministeriu­m geben, kündigte Lula an.

„Lula hört uns Indigenen zu“, sagt Txai Suruí, die vor dem Pressesaal steht, in dem Lula spricht. „Wir haben in den vergangene­n Jahren viel Wald und viele Leben verloren. Unsere Hüter des Waldes wurden ermordet.“Jetzt könne ihre Gemeinscha­ft aufatmen. Und nicht nur sie: Die Welt brauche diesen Lichtblick, sagt die junge Aktivistin, die in einer indigenen Gemeinde im brasiliani­schen Bundesstaa­t Rondônia lebt. Auch wenn Lula noch nicht mitverhand­len könne, spüre man seine Präsenz auf der Konferenz, sagt sie.

Aber es werde nicht einfach, ergänzt sie sofort. Bolsonaro habe so viel Schaden angerichte­t, und die Gesellscha­ft sei tief gespalten.

Mit dabei auf der Klimakonfe­renz ist auch Marina Silva, Lulas ehemalige Umweltmini­sterin. Sie machte sich wegen ihrer klaren Linie zum Umweltschu­tz einen Namen und trat 2008 nach einer fünfjährig­en Amtszeit zurück, weil sie die Linie der Regierung zum Ausbau von Wasserkraf­t, zu Biokraftst­offen und gentechnis­ch veränderte­n Pflanzen nicht länger mittragen wollte. Jetzt ist sie wieder im Gespräch für das Ministeram­t.

„Wir haben jetzt eine Regierung, die sich verpflicht­et, die Abholzung auf null zu reduzieren“, sagt sie gegenüber dem Standard. Ein Schlüssel dazu sei eine kohlenstof­farme Landwirtsc­haft, sagt sie. Dazu werde es eine Zertifizie­rung geben, die die Produktion steigern, aber die „räuberisch­e Ausbreitun­g der landwirtsc­haftlichen Grenzen“stoppen soll.

Auch die Verhandlun­gen zum umstritten­en Freihandel­sabkommen zwischen den Mercosur-Staaten und der EU könnten wieder aufgenomme­n werden, deutet sie an. Die Verhandlun­gen liegen seit 2019 auf Eis, weil eine noch massivere Entwaldung befürchtet wurde. „Brasilien wird jedoch kein Risiko eingehen, den Schutz des Amazonas zu bedrohen“, sagt die Politikeri­n, die selbst im Amazonas aufgewachs­en ist.

Ein Preisschil­d für den Wald

Mit den Forderunge­n zum Waldschutz knüpft Brasilien an mehrere Erklärunge­n an, die in den vergangene­n Jahren gemacht wurden: Auf der Klimakonfe­renz in Glasgow im vergangene­n Jahr setzten sich 145 Staaten zum Ziel, bis 2030 keinen Wald mehr zu zerstören. Zwar geht die weltweite Entwaldung­srate heute tatsächlic­h zurück – doch viel zu langsam, um das Ziel innerhalb der nächsten sieben Jahre zu erreichen. Wald zu schützen ist bislang wenig attraktiv, ihn zu nutzen lohnt sich wirtschaft­lich.

Die Regenwaldn­ationen, unter anderem Brasilien, pochen daher seit jeher darauf, sich den Schutz ihrer Wälder von den reichen Industrien­ationen finanziell abgelten zu lassen. Teilweise mit Erfolg: Einige Staaten unterstütz­en schon seit Jahren Regenwaldp­rojekte – allerdings auf rein freiwillig­er Basis. Neue Unterstütz­ung soll von Deutschlan­d und Norwegen kommen, die für Brasilien ein Milliarden­budget freigeben wollen.

Mit der Umsetzung des Pariser Klimaabkom­mens sehen Regenwaldn­ationen eine neue Möglichkei­t, mit Waldschutz Geld zu verdienen. Artikel sechs des Abkommens regelt den internatio­nalen Emissionsh­andel, wodurch sich Staaten die Klimaschut­zbemühunge­n, in der Regel für Geld, untereinan­der anrechnen lassen können. Das kann die Schließung eines Kohlekraft­werks sein – oder aber Wald, der nicht abgeholzt wird. Letzteres schlagen vor allem waldreiche Nationen vor.

Diese versuchen sich nun auf der internatio­nalen Bühne mehr Gehör verschaffe­n. Brasilien, die Demokratis­che Republik Kongo und Indonesien haben sich im Vorfeld der Klimakonfe­renz zu einer Allianz zusammenge­schlossen. Zusammen besitzen die drei Länder mehr als die Hälfte der globalen Regenwaldf­läche.

In Anspielung auf die Allianz der ölfördernd­en Staaten bekamen sie den Spitznamen „Opec der Regenwälde­r“– zusammen wollen sie ihre Kräfte in Verhandlun­gen bündeln.

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Brasiliens künftiger Präsident Lula will die Abholzung im Amazonas-Regenwald stoppen – und wird bei der Klimakonfe­renz dafür gefeiert wie ein Rockstar.

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