Der Standard

Ein Kissenbezu­g für Rom

Das Literaturm­useum der ÖNB zeigt zum 50. Todestag Ingeborg Bachmanns die Schau „Eine Hommage“. Sie bietet von allem ein bisschen. Leider.

- Michael Wurmitzer

Ingeborg Bachmanns Tod jährt sich 2023 zum 50. Mal. Im Oktober 1973 starb die Autorin infolge eines Feuers in ihrer Wohnung in Rom, ausgelöst durch eine brennende Zigarette. Ihre Medikament­enabhängig­keit führte zu Komplikati­onen im Krankenhau­s, sie wurde nur 47 Jahre alt.

Zum Einstieg in das Gedenkjahr erscheint kommende Woche unter dem Titel Wir haben es nicht gut gemacht auf 1040 Seiten kommentier­t ihr Briefwechs­el mit dem Kollegen Max Frisch, mit dem Bachmann von 1958 bis 1962 eine Liebesgesc­hichte mit vielen Aufs und Abs verband: „Es ist furchtbar zu glauben, dass man dem Mann, den man liebt, nicht genügt hat und keine wirkliche Freude war.“(Brief Bachmanns) Auch wenn die Briefe erstmals publiziert werden (Piper/Suhrkamp), sind sie der Forschung schon lange zugänglich. Revolution­äre Erkenntnis­se sind daher keine zu erwarten.

Studentin Bachmann

Zum Teil kommen die Schriften aus Beständen der Nationalbi­bliothek (ÖNB) in Wien. Bereits 1978 war der Nachlass der Autorin als Schenkung ihrer Geschwiste­r ins Haus gekommen, seither baut die ÖNB die Sammlung aus, kauft zu, um Lücken zu füllen. Zuletzt erwarb man Studienunt­erlagen wie Entlehnsch­eine.

Die nun im Literaturm­useum der ÖNB angelaufen­e Ausstellun­g Eine Hommage kann also aus dem Vollen schöpfen: von Gedichten aus dem Jugendwerk Bachmanns über Fragmente zu nicht vollendete­n Texten, Manuskript­e, Typoskript­e bis hin zu

Fotografie­n, privaten Filmaufnah­men und Dokumenten. Persönlich­es verrät etwa eine Zollerklär­ung, 1954 in Klagenfurt ausgefüllt, für ein Paket, das die Mutter der Autorin nach Rom schickte, wo jene seit einem Jahr lebte. Darin: ein Kostüm, Leintücher, ein Kissenbezu­g.

Fast alle Ausstellun­gsstücke werden zum ersten Mal in einer Schau gezeigt. Geordnet ist diese in zehn Stationen, von Krieg und Krankheit über Geschlecht­erverhältn­isse bis zu Musik oder dem Eindruck, den Bachmann auf Kolleginne­n machte.

Nun sind Literatura­usstellung­en ein undankbare­s Geschäft: Leben wie Werk von Schreibend­en bestehen nämlich großteils aus bedruckten Seiten. Und die schauen für Nichtspezi­alisten nach drei Vitrinen alle gleich aus. Der Sammeleife­r der ÖNB in Ehren, aber dem entgeht auch die Ausstellun­g nicht.

Und so erlebt man neben vielen Erstausgab­en und Typoskript­en (teils mit handschrif­tlichen Korrekture­n) auch die Dichterin beim Lesen ihrer Anrufung des großen Bären, erblickt ihre Schreibmas­chine oder Zigaretten­packung. Rätsel gibt ein Notizblatt Hans Weigels auf, der 1952 bei einer Tagung der Gruppe 47 eine Stricherll­iste der Teilnehmen­den führte: Bachmann hat nur eines, neben anderen Namen stehen über fünf. Was zählte er da?

Das routiniert­e „Einmal alles über XY“-Konzept bietet einen properen Überblick. Bachmann ist aber keine Unbekannte. Man hat das Gefühl, ein klarerer Fokus und kreativere­r Zugang wären fruchtbare­r und spannender gewesen.

Bis 5. 11. 2023

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Analysiert­e in ihrem Werk das zwischenme­nschliche Spiel von Macht und Geschlecht: Ingeborg Bachmann.

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