„Wer will heute noch an Wochenenden arbeiten?“
Die Gastronomie treffen Krisen wie Inflation oder Personalmangel, aber auch die Klimakatastrophe stark – wie sieht ein Urgestein der Szene das? Jahrhundertkoch Eckart Witzigmann im Gespräch.
Vor ein paar Wochen hat man ins Ikarus im Hangar-7 am Salzburger Stadtrand geladen, um den Launch des achten Bandes der Kulinarikbuchreihe Die Weltköche zu Gast im Ikarus zu zelebrieren. Doch alle Aufmerksamkeit war auf Eckart Witzigmann gerichtet. Der 81-jährige Jahrhundertkoch und Patron des Lokals war extra aus München angereist. Wir haben mit ihm über die Personalkrise, unsere Essgewohnheiten und darüber gesprochen, ob es in schweren Zeiten wie diesen nicht verwerflich ist, fein essen zu gehen.
Krieg, Klima, Wirtschaft – diese Krisen betreffen so gut wie alle Bereiche. Wo sehen Sie diese Entwicklungen in der Gastronomie?
Ich glaube, die Gastroszene wird im Moment am allermeisten durch die Personalknappheit bedroht. Es fehlt an Kellnern, Köchen und Hilfskräften in den Restaurants. Wenn das nicht besser wird, werden mehr und mehr Restaurants ihre Arbeit einstellen müssen.
In den letzten Wochen hörte und las man, dass immer weniger Menschen im Gastgewerbe arbeiten möchten – wegen schlechter Arbeitsbedingungen oder mieser Bezahlung. Haben Sie Verständnis dafür?
Wer will heute noch an Wochenenden oder bis spät in die Nacht arbeiten? Freizeitgestaltung ist heute wichtiger als mehr Geld, da haben sich die Proportionen verschoben. Die Denkmuster aus der Vergangenheit funktionieren offensichtlich nicht mehr, die Veränderungen in der Gesellschaft sind gewaltig, und in der Gastronomie ist das jetzt deutlich zu spüren.
In Zeiten steigender Inflation können sich viele Menschen das Leben nicht mehr leisten. Ist es nicht moralisch verwerflich, fein essen zu gehen?
Die Welt war noch nie gerecht, warum sollte sie es heute sein? Der Kommunismus hat versucht, alle Menschen gleichzumachen, das hat letztlich nicht funktioniert. Ich halte es nicht für verwerflich, in ein gutes Restaurant zu gehen. Das nicht zu tun verändert nichts im Leben der Leute, die sich das nicht leisten können.
Kann man die Gastronomie überhaupt dahingehend gestalten, dass sie für viele leistbar ist, ohne schlechte Produkte vorgesetzt zu bekommen?
Ich will jetzt keine Namen nennen, aber schlechte Produkte erfreuen sich großer Beliebtheit und werden konsumiert. Zum einen, weil das Einkommen nichts anderes zulässt, zum anderen, weil Geiz geil ist. Und essen gehen heißt ja nicht, nur Hummer, Kaviar und Gänseleber zu vertilgen. Ich predige seit Jahrzehnten, dass ein frischer Salat, eine Forelle oder ein vernünftig gehaltenes Huhn den gleichen Reiz haben können. Wer sich den großen Luxus leisten kann, soll das tun, aber leistbar heißt nicht automatisch, sich schlecht bis gefährlich zu ernähren.
Müssen wir unsere Essgewohnheiten – in puncto Klimakrise – ändern?
Das hätten wir schon lange tun sollen. Die Klimakrise ist nicht über Nacht gekommen, darüber reden wir schon seit Jahrzehnten, aber wir haben das vielleicht nicht ernst genug genommen. Wir müssen mit den Ressourcen der Erde sehr sorgsam umgehen. Bisher war alles erlaubt, was geht, aber das ist vorbei. Erlaubt ist, was keinen Schaden anrichtet.
Kochen Sie zum Beispiel mit Fleischersatzprodukten, oder können Sie sich vorstellen, Fleisch aus dem Labor zu verwenden?
Ich bin mir sicher, dass Fleischersatzprodukte kommen werden, in Singapur gibt es bereits ein Restaurant dafür. Ich esse lieber gar kein Fleisch oder weniger davon, als mir das anzutun.
Was vermissen Sie in der heutigen Gastronomie?
Köche und Kellner.