Wir in Katar Warum ein Boykott der Fußball-WM für uns keine Option ist
Werden Sie die Fußball-WM in Katar boykottieren? Nun, es gäbe gute Gründe dafür. Bei der Vergabe ging es nicht mit rechten Dingen zu. Tausende Gastarbeiter sind ums Leben gekommen. Ein WM-Botschafter bezeichnete Homosexualität als „geistigen Schaden“. Sie wissen das alles, weil Sie sich in den vergangenen Jahren informiert haben. Weil Ihnen die Grundlage für einen legitimen Boykott geliefert wurde. Von NGOs, von Experten, von den Medien. Auch DER STANDARD berichtet seit Jahren über die Begleitumstände der Endrunde.
Im Jänner 2015 richtete Katar die Handball-Weltmeisterschaft aus. Das hat für keinen großen Wirbel gesorgt. Auch damals war im Emirat nicht alles eitel Wonne, aber Handball läuft in der öffentlichen Wahrnehmung unter dem Radar. Fritz Neumann war für uns in Doha, um zu berichten. Vom Sport und von den Rahmenbedingungen. Katar lud Journalisten ein – DER STANDARD lehnte ab und beglich seine Kosten selbst.
In der Reportage Katar zahlt, Katar kauft war bereits vor sieben Jahren von verstorbenen Gastarbeitern, der Diskriminierung von Homosexuellen und der eingeschränkten Meinungsfreiheit zu lesen. Über diese Themen wird auf der Halbinsel nicht so gern gesprochen. Aber Journalismus darf sich nicht von prächtigen Stadien blenden lassen, er muss hinterfragen. Und er sollte jede Gelegenheit nutzen, um Informationen aus erster Hand zu liefern.
Eben aus diesem Grund sind wir auch 2022 in Katar vertreten. Unser Redakteur Martin Schauhuber wird sich nicht an eine Torstange ketten. Schauhuber ist kein Aktivist, er ist Journalist. Seine Aufgabe ist es, Sie bestmöglich zu informieren. In diesem Sinne ist es geboten, ins Zentrum des Geschehens vorzudringen. So wie bei der WM 2018 in Russland und bei Olympia 2022 in China. Ein redaktioneller Boykott, wie er dieser Tage mitunter gefordert wurde, ist für den STANDARD niemals eine Option gewesen.
Wie werden wir über das Turnier berichten? Wer unsere Sportberichterstattung verfolgt, weiß, dass dem gesellschaftlichen Aspekt ein hoher Stellenwert eingeräumt wird. Das wird diesmal nicht anders sein. Sportswashing kann nur funktionieren, wenn man aufhört, Probleme anzusprechen. Das wird nicht passieren. Bei der größten Sportveranstaltung der Welt spielt aber auch der Sport eine Rolle. DER STANDARD wird wie gewohnt von den Spielen berichten. Diese Weltmeisterschaft wird ihren Weg in die Geschichtsbücher finden. Wir stehen in der Pflicht, diese Geschichte nicht vom Weltfußballverband schreiben zu lassen.