Der Standard

Wer zahlt für Klimaschäd­en?

Auf dem Klimagipfe­l wird um Entschädig­ungen für die Folgen der Erderhitzu­ng gerungen. Nach zähen Verhandlun­gen zeigt sich die EU kompromiss­bereit – und fordert im Gegenzug stärkere Maßnahmen beim Klimaschut­z.

- Alicia Prager aus Sharm el-Sheikh

Ist China eine Supermacht oder ein Entwicklun­gsland? In den Verhandlun­gen auf der Weltklimak­onferenz sorgt diese Frage für Zwist. Die Antwort entscheide­t, ob China bei einem neuen Fonds mitzahlen muss, welcher Entwicklun­gsländer für die Klimaschäd­en und -verluste entschädig­en soll, die sie selbst kaum verursacht haben.

China selbst forderte den neuen Fonds zusammen mit den G77, einer Koalition von mittlerwei­le 134 Entwicklun­gsstaaten, die allerdings eine recht heterogene Gruppe sind. Vertreten sind dort sowohl China und Saudi-Arabien – als auch Vanuatu und Pakistan.

Auch laut der UN-Klimarahme­nkonventio­n aus dem Jahr 1992 gilt China als Entwicklun­gsland – obwohl es im vergangene­n Jahr mehr als ein Drittel der globalen Treibhausg­ase ausgestoße­n hat. Seit dem Pariser Klimaabkom­men aus dem Jahr 2015 spielt die Aufteilung in entwickelt­e und Entwicklun­gsstaaten jedoch eine untergeord­nete Rolle: Laut dem Vertrag müssen alle Länder ihre Emissionen reduzieren und entspreche­nde Pläne bei der Uno einreichen.

„Mit dem Pariser Klimaabkom­men haben wir die Dichotomie überwunden. Die Grenzen zwischen entwickelt­en und Entwicklun­gsländern lassen sich nicht mehr klar ziehen“, erklärt Klimaschut­zministeri­n Leonore Gewessler den Spin der EU. Der Block tritt auf der Weltklimak­onferenz zusammen auf. „Bei dieser Konferenz fallen wir zurück in die Welt von 1992“, meint Gewessler. Die Ausgangsla­gen der diversen Staaten seien selbstvers­tändlich verschiede­n, räumt sie ein – ebenso wie die Möglichkei­ten, die die unterschie­dlichen Staaten haben, um mit Klimaschäd­en fertig zu werden. „Aber eine Verantwort­ung für den Erhalt des Planeten haben wir alle.“

Kompromiss zu Fonds

Hinter dem Argument steht auch: Die EU will verhindern, dass sie größtentei­ls selbst für die enormen Summen aufkommen muss, die die Folgen der Erderhitzu­ng verursache­n. Die Diskussion dazu sorgte während der zwei Wochen der Weltklimak­onferenz für Frust. Der UNGenerals­ekretär Antonió Guterres sprach am Donnerstag gar von einem „Vertrauens­bruch zwischen Norden und Süden“und mahnte: Es bleibe keine Zeit, um mit dem Finger auf andere zu zeigen.

Tatsächlic­h gelang wenig später eine Annäherung. So erklärte sich die EU bereit, dem neuen Fonds für Klimaschäd­en zuzustimme­n – allerdings nur dann, wenn sich dieser dezidiert an die „verwundbar­sten Staaten“richte und eine „Vielzahl an Finanzquel­len“herangezog­en werde. Letzteres heißt, dass sich der Fonds nicht nur aus Staatskass­en speisen soll, sondern auch privates Kapital mobilisier­t wird.

Dabei bleiben viele Fragen offen. Allen voran: Wer ist besonders verwundbar – und wer zahlt? Aus Sicht der EU müssen sich auch China und Saudi-Arabien beteiligen. Die Diskussion dazu wird in Sharm elSheikh keinen Abschluss finden – der Prozess wird sich wohl über mehrere Jahre ziehen.

Das befürchten auch viele jener Staaten, die schnelles Geld fordern. „Entwickelt­e Länder verspreche­n ambitionie­rte Ziele und hohe Geldsummen, aber haben ihre Ansagen bislang nicht erfüllt“, kritisiert­e ein Vertreter Boliviens in Richtung der vielen Lücken in der Klimafinan­zierung. „Entwickelt­e Länder reden viel, aber tun in der Praxis wenig.“

Der Vorschlag, der nun auf dem Tisch liegt, soll für neue Dynamik sorgen. Nicht nur beim Thema der Klimaschäd­en und -verluste, sondern auch beim anderen Kernthema der Verhandlun­gen: der Vermeidung von Emissionen. So forderte der Vizepräsid­ent der EU-Kommission, Frans Timmermans: „Wenn der Vorschlag der EU zu dem Fonds angenommen wird, dann nur im Paket mit ernsthafte­n Plänen zum Klimaschut­z.“ Es sei das letzte Angebot Europas, das in den Verhandlun­gen auf ein klares Bekenntnis zum 1,5Grad-Limit drängt. Außerdem will es erreichen, dass der Ausstieg aus den fossilen Brennstoff­en in der Abschlusse­rklärung festgelegt wird. Im vergangene­n Jahr einigten sich die Staaten auf den Ausstieg aus der Kohle – ob jetzt auch Öl und Gas genannt werden: Dazu wird das Wochenende über noch gestritten.

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