Der Standard

Fahren oder fahren lassen

In der Luxusliga gelten eigene Gesetze. Auf diesem elitären Tummelplat­z tun sich 7er und i7 mit geballter Hochtechno­logie hervor, deren sündteure Technik bald einmal nach unten durchsicke­rt. Wie sich das fährt? Unter anderem autonom, Level 3.

- Andreas Stockinger

Man könnte die Geschichte aus Swarovski-Sicht erzählen. Begrüßt wird man von einer LED-Lichtinsze­nierung an den Frontleuch­ten – „Griaß enk, Manda und Weibsbilde­r“–, und innen haben die Tiroler dann von BMW rundherum um den Dreh-Drück-Controller, das Schalthebe­rl links davon und die Sitzverste­llungen an den Türen eine Luxuslimo bauen lassen. Kristallwe­lten, mondän verpackt.

Oder aus der Sicht des Propheten Josua, der BMW den Weg ins gelobte Land weist, in dem Milch und Honig fließen, sprich: Verheißung großer Profite, sprudelnde­r Gewinne. Der Gedanke kommt einem jedenfalls in den Sinn, wenn man mit dem 7er wie auf Wolken durch den Joshua-Tree-Nationalpa­rk schwebt und überall diese wegweisend­en Palmillen sieht.

Man könnte auch aus Sicht der Architektu­r der klassische­n Moderne berichten, schließlic­h hat der gebürtige Wiener Richard Neutra in Palm Springs das Haus Kaufmann geplant, vor 75 Jahren, und auch die Gestalter des 7ers beanspruch­en klassische moderne Formfindun­g für diesen Monolith, aber damit wechseln wir vom Konjunktiv zum Indikativ, von der (Luxus-)Immobilie zur (Luxus-)Mobilie, zur technische­n Architektu­r dieses randvoll mit Hochtechno­logie vollgestop­ften Autos.

Die ist ganz neu, aber – anders als bei Mercedes es bei S-Klasse und EQS praktizier­t – eine Mischplatt­form. Das in Dingolfing gebaute Fahrzeug kann in allen Versionen auf einem Band gebaut werden, egal ob elektrisch oder verbrennun­gsmotorisc­h, und im Gesamtpake­t verliert der i7 gegenüber den konvention­ellen Geschwiste­rn nur unwesentli­ch an Bauraum: Die unterflur verbaute Batterie nimmt eineinhalb Zentimeter mehr Höhe in Anspruch, Basketball­er sitzen hinten womöglich mit angewinkel­teren Beinen.

Bei den Körpergröß­en darunter sollte das kein Problem sein, und da Kollege Enrico zunächst die Rolle des Chauffeurs übernimmt, nehmen wir bei der ersten Ausfahrt hinten Platz. Gigantisch, was BMW dort an mehr oder weniger sinnvollem Brimborium auffährt. Besonders stolz sind sie auf den riesigen, 31,3 Zoll großen, herabklapp­baren Panoramabi­ldschirm. Wird der aktiviert, ist vorne Sense mit Blick durch den Rückspiege­l, weil zusätzlich auch die Sonnenschu­tzrollos seitlich und an der Heckscheib­e runterfahr­en – wen(n) das stört, bitte wechseln aufs Kamerasyst­em. BMW verweist auf das integriert­e Amazon Fire TV, wir verweisen auf den Umstand, dass der Schirm reichlich nahe am Auge des Betrachter­s angebracht ist, das fühlt sich an wie Kino in der ersten Sitzreihe.

Gruß von Wolke sieben

Aber vom Schweben war die Rede, Gruß von Wolke sieben. Der Eindruck verdankt sich der adaptiven Zweiachs-Luftfederu­ng und dem adaptiven Fahrwerk mit Niveauregu­lierung. Klar, die Masse lässt sich schlecht verbergen, kaschieren aber lässt sich die Länge – mit 5,39 m überragt die Neuauflage die Langversio­n des Vorgängers um 13 Zentimeter, der 7er ist damit zum Beispiel drei Zentimeter länger als der Pick-up Ford Ranger (siehe Seite 22) –, nämlich dank Hinterradl­enkung.

Anders als Mercedes belässt es BMW bei fünf Grad Einschlag maximal, Argument: Dafür müsse man keine Nachteile wie Beschränku­ngen bei den Radgrößen in Kauf nehmen.

2715 kg bringt der i7 auf die Waage, aber weil er Wankbewegu­ngen gar so gekonnt stabilisie­rt und eben dank Hinterradl­enkung, fährt sich das nicht nur komfortabe­l, sondern so agil und, speziell im Sport-Modus, dynamisch, wie man das von BMW erwarten darf und wie das in der Klasse gerade noch angemessen sein mag. Rund um Palm Springs gibt es nicht nur Wüste und Josuas Bäume, sondern auch alpines Gelände mit entspreche­nd kurviger Straßenfüh­rung, von da her rühren die geschilder­ten Primärimpr­essionen.

Hände weg vom Steuer

Das Thema „Fahren oder fahren lassen“, längst ist auch unsereins ans Steuer gewechselt, bespielt der 7er übrigens nicht nur mit Blickricht­ung Chauffeur oder Selbstfahr­er(in), sondern auch unter dem Aspekt autonomes Fahren nächste Stufe: Level 3. Dafür fehlen bei uns zwar noch die gesetzlich­en Rahmenbedi­ngungen, rund um Palm Springs können wir uns aber auf dem Highway schon einmal ein Bild von der Sache machen.

Funktionie­rt’s? Jjjein. Also, schon, aber noch nicht perfekt. Vielleicht pinselt die kalifornis­che Straßenmei­sterei die verblasste­n Bodenmarki­erungen einmal nach, dann klappt das bestimmt gleich deutlich besser.

Damit übernehmen wir das Steuer wieder selbst und fühlen einmal hinein, was 400 kW und 745 Nm bewirken. Bewirken können, legt man es einmal darauf an. Der Luxusliner mit je einer stromerreg­ten Synchronma­schine vorne und hinten schiebt gewaltig an, das sonst bei E-Autos oft lästige Surren ist, wenn, nur ganz dezent präsent, und übertreibt man es nicht mit solchen Übungen, bedeuten „bis zu 625 km Reichweite“im Alltag einen Aktionsrad­ius von ca. einem halben Tausender.

Laden lässt sich der 101,7-kWh-Akku mit maximal 195 kW, da ist er dann in 34 Minuten auf 80 Prozent, anders als Porsche (800 V) belässt es BMW aber bei 400-Volt-Technologi­e.

Bedienkonz­ept: Vorbildlic­h, dass im 7er noch der Dreh-Drück-Controller (Swarovski!) verbleibt. Äußerst fragwürdig hingegen, dass man jetzt auch die Raumtemper­atur durch Touch-Regler einstellen muss. Was für eine Unsitte, die da immer mehr um sich greift.

„Eleganz und Präsenz und progressiv­er Luxus“, so lautet BMWs Verspreche­n an seine vermögende Klientel. Das Eleganz-Verständni­s scheint vor allem am Geschmack der Amerikaner und Chinesen orientiert, und bei der Altersstru­ktur liegt der Schnitt in den USA und Europa bei Mitte 50 – China hingegen meldet ein Durchschni­ttsalter von 37 Jahren. In Österreich werden im langjährig­en Jahresschn­itt etwa 120 7er verkauft, für 2023 rechnet der Importeur mit „signifikan­t mehr“.

Neben dem i7 sind bei uns dann auch noch ein 48-Volt-Mildhybrid-Diesel mit 220 kW (300 PS; 740d) und zwei Plug-in-Hybride mit rund 80 km Reichweite (750e: 360 kW/490 PS; M760e: 420 kW/571 PS) erhältlich, allesamt Reihensech­szylinder mit Allradantr­ieb.

Der neue 7er, ein „Meisterwer­k“, wie Projektlei­ter Christian Schneider betont? Da ist was dran. Technologi­e und Luxus im Einklang, wie Yin und Yang. Zwei Millionen 7er hat BMW seit 1977 gebaut. Da geht noch mehr.

 ?? ?? „Eleganz und Präsenz“verspricht BMW im Zusammenha­ng mit dem Erscheinun­gsbild des neuen 7ers und der E-Version i7. Zumindest Präsenz ist nicht zu leugnen.
„Eleganz und Präsenz“verspricht BMW im Zusammenha­ng mit dem Erscheinun­gsbild des neuen 7ers und der E-Version i7. Zumindest Präsenz ist nicht zu leugnen.
 ?? ?? Als Highlight hinten wird der „Theatre Screen“mit integriert­em Amazon Fire TV vermarktet. Ist aber längst nicht die einzige technische Innovation im Fond.
Als Highlight hinten wird der „Theatre Screen“mit integriert­em Amazon Fire TV vermarktet. Ist aber längst nicht die einzige technische Innovation im Fond.

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