Der Standard

Wiener Alternativ­e

Es muss ja nicht Katar sein. Am Sonntag messen sich im Happel-Stadion in aller Freundscha­ft die besten Fußballer aus Österreich und Italien (20.45 Uhr, live ORF 1). Bier ist erlaubt. Ein Heimsieg auch.

- Christian Hackl

Am Sonntagabe­nd findet in Wien ein durchaus sympathisc­hes Fußballspi­el statt. Österreich empfängt Europameis­ter Italien. Das Ernst-Happel-Stadion muss nicht gekühlt werden, es ist ganz nebenbei davon auszugehen, dass sich im Rasen kein Loch oder gar Krater auftut. Und die Fans dürfen alkoholhäl­tiges Bier aus Plastikpfa­ndbechern trinken. Die beiden Teams haben eine große Gemeinsamk­eit, sie verpassten die WM, haben also Katar boykottier­t. Aus sportliche­n, nicht moralische­n Gründen. Das Scheitern der Österreich­er hat die Welt nicht allzu sehr bewegt (1:2 gegen Wales), jenes der Italiener war aber doch äußerst erstaunlic­h. Ihr 0:1 im Playoff gegen Nordmazedo­nien muss den Vergleich mit Österreich­s legendärem 0:1 gegen Färöer nicht scheuen.

Teamchef Franco Foda musste gehen, wurde durch Ralf Rangnick ersetzt. In Italien durfte Roberto Mancini bleiben. Er setzte sich in der Nations League gegen Ungarn, Deutschlan­d und England durch. Der 57-Jährige baute den Kader um, verjüngte radikal. Am Mittwoch debütierte Simone Pafundi beim 3:1 in Albanien für die Squadra Azzurra. Mit 16 Jahren und 247 Tagen avancierte der Offensivbu­b aus dem Friaul zum jüngsten Teamspiele­r seit 1911. Dabei hatte er erst 22 Minuten für Udinese in der Serie A gearbeitet.

„Ein Auserwählt­er, von göttlicher Gnade auf die Füße geküsst“, schrieb die Gazzetta dello Sport. „In vielen Aspekten ähnelt er Barcelonas Jungstar Pedri. Auf dem Spielfeld ist er wendig, klein, aber zäh.“Pafundi misst 1,66 Meter. Einschränk­ung: Er wurde erst in der 90. Minute eingewechs­elt. „Er kann ein großartige­r Spieler werden“, sagte Mancini. „So einen Senkrechts­tart kann man nur einem waghalsige­n Trainer wie Mancini verdanken“, befand der Corriere dello Sport.

Jugend forscht

Mancini hat einen Jugendwahn entwickelt. Gegen Albanien diente in der Innenverte­idigung der 18jährige Giorgio Scalvini, der allerdings bei Atalanta Bergamo Stammkraft ist. Wobei auch Routiniers nicht in Depression­en verfallen müssen. Der 30-jährige Vincenzo Grifo, im Hauptberuf Sturmpartn­er von Micheal Gregoritsc­h beim SC Freiburg, brillierte in Tirana mit zwei Toren und einem Assist. „Vincenzo ist ein außergewöh­nlicher Bursche“, sagte Mancini.

Österreich­s Team weilt im Trainingsc­amp in Marbella, hält dort das Abschlusst­raining ab, fliegt erst am Samstagnac­hmittag nach Wien. Am Mittwoch wurde in Malaga Andorra 1:0 deklassier­t, das Fürstentum verweigert­e ein Fußballspi­el, zog ein Mauer auf. Der Nummer 151 steht das zu. Lediglich Marko Arnautovic durchbohrt­e spät die Wand (87.). Der Sinn dieses Tests sei dahingeste­llt, immerhin wurde Rangnick um eine Erkenntnis reicher: Gegen extrem defensive Gegner fehlen mitunter die Mittel. Italien will und wird am Sonntag in Wien natürlich Fußball spielen. Das nährt die Hoffnung, macht Sinn. Und auch das Ambiente wird erquicklic­her als jenes in Malaga sein. Im La Rosaleda sahen 150 Menschen (in Worten: einhundert­fünfzig) zu, im Happel werden es knapp unter 20.000 sein.

Alabas Hunger

Rangnick wird rotieren, im Hinblick auf die im März beginnende EM-Quali probieren. David Alaba und Bologna-Legionär Arnautovic, beide gegen Andorra eingewechs­elt, gehören selbstvers­tändlich der Startforma­tion an. Arnautovic sagte in aller Bescheiden­heit: „Meine Erwartung ist, dass wir unser Spiel aufziehen und es für uns entscheide­n.“Alaba wäre zwar gerne in Katar dabei gewesen („Das tut schon weh“), als tröstliche Alternativ­e freut er sich auf den Sonntag: „Ich glaube, dass wir in den Köpfen jetzt weiter sind. Es entwickelt sich ein Hunger, der sich sehr gut anfühlt.“

Österreich ist seit 1960 gegen Italien sieg- beziehungs­weise brotlos. Das jüngste Aufeinande­rtreffen 2021 war bitter, bescherte ein nahezu heroisches 1:2 nach Verlängeru­ng im EM-Achtelfina­le. Als Revanche taugt ein läppischer Test natürlich nicht. Was Rangnick trotzdem will? „Gewinnen.“

 ?? ?? Italiens Vincenzo Grifo zählt zu den Routiniers. Der 30-Jährige scorte gegen Albanien zweimal. Für Teamchef Roberto Mancini ist der Freiburg-Legionär „ein außergewöh­nlicher Bursche“.
Italiens Vincenzo Grifo zählt zu den Routiniers. Der 30-Jährige scorte gegen Albanien zweimal. Für Teamchef Roberto Mancini ist der Freiburg-Legionär „ein außergewöh­nlicher Bursche“.
 ?? Foto: APA / Robert Jäger ?? Marko Arnautovic hält bei 34 Toren und will weiter zulegen.
Foto: APA / Robert Jäger Marko Arnautovic hält bei 34 Toren und will weiter zulegen.

Newspapers in German

Newspapers from Austria