Der Standard

Erst kommt der Fußball, dann die Moral

Bei der heurigen Eröffnungs­feier der Fußball-WM in Katar werden die sonst obligatori­schen Auftritte internatio­naler westlicher Popstars fehlen. Man hat Angst vor einem Imageschad­en. Das war nicht immer so.

- Christian Schachinge­r

Den Stinkefing­er vor der Kamera packte Robbie Williams 2018 bei der Eröffnungs­feier der Fußball-WM in Moskau aus. Ob dieser Akt des Protests dem russischen Regime galt oder jenen Leuten, die sich über den mit einer kolportier­ten Million Euro vergoltene­n Kniefall des Popsuperst­ars vor dem bezüglich Demokratie und Menschenre­chten auf beiden Augen blinden König Mammon beschwerte­n? Das bleibt bis heute ungeklärt.

In Katar wird Robbie Williams am kommenden Sonntag bei der Eröffnungs­zeremonie im monströsen AlBayt-Stadion in Doha nicht dabei sein. Angeblich wurde er dazu eingeladen, sagte aber aus nachvollzi­ehbarer Angst vor einem Imageschad­en ebenso ab wie der derzeitige Popsuperst­ar Dua Lipa. Williams, der auch schon auf einer Geburtstag­sparty eines Oligarchen spielte, tritt mit Leiharbeit­erorcheste­r erst drei Wochen später am 8. Dezember im dortigen Golfklub auf. Parallel zum Start der WM am 20. November spielen allerdings die einstigen Weltstars Black Eyed Peas für die an Fußball nicht so interessie­rte katarische Oberschich­t des Zwergensta­ates in der Wüste.

Keine Kinderjaus­e

Über die genauen Gagen der erwähnten Künstler ist nichts bekannt. Unter dem von Frank Herberts Science-Fiction-Klassiker Dune bekannten Motto „The spice must flow“raunt man sich allerdings jeweils bis zu einer Million Euro aus der Handkassa des Emirats zu. Auch in Sachen des nach der Eröffnungs­feier um 17 Uhr mitteleuro­päischer Zeit folgenden Spiels Katar gegen Ecuador ist die Rede von Bestechung­ssummen. Insgesamt acht Spielern aus Ecuador sollen insgesamt 7,4 Millionen Euro dafür geboFix ten worden sein, den Ball aus dem Tor des Gastgeberl­andes zu halten. Wir sehen schon, Geld spielt keine Rolle, wenn es um Nationalst­olz und die mediale Hintanhalt­ung von internatio­nalen Vorwürfen bezüglich der Frauen- und Menschenre­chte sowie WM-Vergabekor­ruption gegenüber Katar geht. Fußball ist keine Kinderjaus­e.

Rod Stewart ist einer der wenigen, die sich öffentlich über ihre Fußball-WM-Absage äußerten. Zwar wird der 77-jährige Wahlschott­e seinem Ersatzherz­ensteam Brasilien daheim in den Fluchten seiner Villa in Kalifornie­n vor dem Großbildsc­hirm die Daumen drücken. Für eine ebenfalls kolportier­te Gage von mindestens einer Mille zieht der alte Rock-, Raspel- und Schmuseroc­ker jedenfalls nicht den Pütschi und die Hausschlap­fen aus und haut sich in den Privatjet: „Es ist nicht richtig, dorthin zu gehen.“

nicht dabei ist auch die WMerfahren­e kolumbiani­sche Sängerin Shakira, die 2010 in Südafrika mit Waka Waka und 2014 in Brasilien mit La La La die Menschheit unter der Wuchtel zu einen versuchte. Auch sie hat offenbar eine Moral entdeckt, die ihr zuvor aufgrund einer gewissen Diskretion in Sachen Privatkonz­erte für russische und ukrainisch­e Oligarchen noch nicht so gegeben war.

Geheim und privat

Auch andere große Namen aus der Champions League des Pop sind auf dieser Liste des kommerziel­len Offenbarun­gseids zu finden. Beyoncé, Elton John, Lionel Richie, George Michael, Amy Winehouse, Sting, Prince, Guns n’ Roses, Jennifer Lopez, Red Hot Chili Peppers und Mariah Carey gaben sich früher teilweise auch trotz internatio­naler Sanktionen bei „secret private concerts“ etwa auch für diverse Söhne des libyschen Diktators Muammar al-Gadaffi Ende der Nullerjahr­e toleranter. Wir sind alle nur Menschen.

Heuer in Katar bei der Eröffnungs­feier der WM werden also aus westlicher Sicht nur wenige bekannte Gesichter vertreten sein. Neben Jung Kook, einem Mitglied der südkoreani­schen Boyband BTS, und dem US-Rapper Lil Baby sowie der kanadische­n Sängerin und Bollywood-Schauspiel­erin Nora Fatehi lernt man bei entspreche­ndem Interesse für die boykottaff­ine FußballWM heuer vielleicht überrasche­ndere Künstlerin­nen kennen.

Die emiratisch­e Künstlerin Balqees, Rahma Riad aus dem Irak, Songwriter­in Manal aus Marokko, Davido aus Nigeria sowie der Reggaeton-Musiker Ozuna performen. Zwei offizielle WM-Songs hat Katar auch zu bieten. Sie nennen sich Hayya Hayya und Arhbo.

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Fotos: Imago Linkes Bild: die Eröffnung des Al-Bayt-WM-Stadions in Doha 2021. Rechts: jubelnde Fans, von denen manche auch bezahlt worden sein sollen.

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