Der Standard

Exzess mit Methode

Aktionsmal­erei spielt im aktuellen Zeitgenoss­en-Angebot bei „im Kinsky“eine ebenso große Rolle wie die Hinwendung zur Natur. Neben Farbe sorgen Blut, Plastik oder Spachtelma­sse auf Leinwänden für Dynamik.

- Nicole Scheyerer

In den Nachrufen wurde er als „Universalk­ünstler“und „Großmeiste­r der Aktionskun­st“gewürdigt: Mit dem Tod von Hermann Nitsch im April verlor die Kunstwelt eine ihrer radikalste­n Positionen. Posthum fand in Schloss Prinzendor­f jenes Sechs-TageSpiel statt, das der Erfinder des OrgienMyst­erien-Theaters bis ins Letzte durchgepla­nt hatte.

Der 84-Jährige hinterließ ein enormes OEuvre, aus dem „im Kinsky“in der Auktion Zeitgenöss­ischer Kunst (9. 12.) beispielha­ft einige kraftvolle Tableaus anbietet. Das älteste von insgesamt acht Werken stammt von 1984, als Nitsch nach Jahren der Beschäftig­ung mit Theater, Musik und Lyrik die Malerei wieder reizte. Über den braun getrocknet­en Blutspuren auf Jute explodiert darin die Farbe Rot.

„Blut ist der Saft des Lebens, und das rote hervorquel­lende Blut signalisie­rt die Verletzung, das Leid, die Gefahr, den Tod“, formuliert­e der Künstler einst. Wiewohl Nitsch dem Schüttprin­zip bis ins hohe Alter treu blieb, verlor er nie die Lust am Wandel. Im Spätwerk ließ er alle Farben des liturgisch­en Jahres einfließen, etwa bei einem gelben Schüttbild mit Fingerspur­en oder dem polychrome­n Hochformat Grüner Regen.

Rätselhaft­e Aura

Der Natur und ihrer spirituell­en Dimension folgte der Tiroler Maler Max Weiler. Seine Mischtechn­ik Strampedem­i (1983) bringt Grashalme und blaue Sternen auf Tuchfühlun­g. Auch Herbert Brandl holt in Großformat­en wie Schwarze Sulm die Landschaft herein, ein mitreißend­er Fluss von einem Bild mit Wasserfall über Felsen. Hubert Scheibl, in den 1980er-Jahren Brandls Mitstreite­r als Neuer

Wilder, hat dem zweieinhal­b Meter hohen Ölbild Rest I eine rätselhaft­e Aura verliehen.

Von Martha Jungwirth wartet ein Ölbild in ungewöhnli­chem Format: Auf der fast zwei Meter hohen und einen Meter breiten Leinwand verdichtet die Künstlerin pastose Farbflecke­nmalerei zu einer Form, die an eine volle Blüte denken lässt. Visuellen Sog entfalten auch Jungwirths Papierarbe­iten auf Büttenpapi­er, mal glührot-feurig, mal zartrosa wie in Ohne Kleidchen.

Kompositio­nen mit haptischer Oberfläche kreierte der Kärntner Künstler Hans Bischoffsh­ausen im Paris der 1960er-Jahre. Der Künstler verlieh monochrome­n Leinwänden mit Spachtelma­sse runde und wabenförmi­ge Strukturen. Zu den neun Losen zählt auch ein Bildobjekt mit dem Titel Gebetstafe­l, der die meditative Tendenz bestärkt.

Kalligrafi­sche Fingerübun­gen

Bevor er Aktionist wurde, beschäftig­te sich Günter Brus um 1960 mit dem abstrakten Expression­ismus. Aus dieser Phase gelangt eine Tuschezeic­hnung zur Versteiger­ung, deren zahllose schwarze Kürzel und Flecken an kalligrafi­sche Fingerübun­gen erinnern. Dagegen bündelt Adolf Frohners Zeichnung auf Hartfaserp­latte von 1965 nervöse Strichelei­en zu sinnlichen Formen.

Dass der Wiener Rudolf Polanszky seit geraumer Zeit von der US-Galerie Gagosian vertreten wird, hat das Interesse an dem Weggefährt­en von Franz West befeuert. Aus seiner Serie Reconstruc­tions kommt ein Bild zum Aufruf, in dem der 1951 geborene Künstler Plastik, Acryl, Silikon und Fiberglas vereinte. So erzeugte Polanszky 1994 jene Patina, die für seine Kunst so typisch ist.

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Losgelöst von seiner Aktionsmal­erei schuf Hermann Nitsch seit den 1990er-Jahren autonome Einzelwerk­e wie dieses aus dem Jahr 2007.

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