Exzess mit Methode
Aktionsmalerei spielt im aktuellen Zeitgenossen-Angebot bei „im Kinsky“eine ebenso große Rolle wie die Hinwendung zur Natur. Neben Farbe sorgen Blut, Plastik oder Spachtelmasse auf Leinwänden für Dynamik.
In den Nachrufen wurde er als „Universalkünstler“und „Großmeister der Aktionskunst“gewürdigt: Mit dem Tod von Hermann Nitsch im April verlor die Kunstwelt eine ihrer radikalsten Positionen. Posthum fand in Schloss Prinzendorf jenes Sechs-TageSpiel statt, das der Erfinder des OrgienMysterien-Theaters bis ins Letzte durchgeplant hatte.
Der 84-Jährige hinterließ ein enormes OEuvre, aus dem „im Kinsky“in der Auktion Zeitgenössischer Kunst (9. 12.) beispielhaft einige kraftvolle Tableaus anbietet. Das älteste von insgesamt acht Werken stammt von 1984, als Nitsch nach Jahren der Beschäftigung mit Theater, Musik und Lyrik die Malerei wieder reizte. Über den braun getrockneten Blutspuren auf Jute explodiert darin die Farbe Rot.
„Blut ist der Saft des Lebens, und das rote hervorquellende Blut signalisiert die Verletzung, das Leid, die Gefahr, den Tod“, formulierte der Künstler einst. Wiewohl Nitsch dem Schüttprinzip bis ins hohe Alter treu blieb, verlor er nie die Lust am Wandel. Im Spätwerk ließ er alle Farben des liturgischen Jahres einfließen, etwa bei einem gelben Schüttbild mit Fingerspuren oder dem polychromen Hochformat Grüner Regen.
Rätselhafte Aura
Der Natur und ihrer spirituellen Dimension folgte der Tiroler Maler Max Weiler. Seine Mischtechnik Strampedemi (1983) bringt Grashalme und blaue Sternen auf Tuchfühlung. Auch Herbert Brandl holt in Großformaten wie Schwarze Sulm die Landschaft herein, ein mitreißender Fluss von einem Bild mit Wasserfall über Felsen. Hubert Scheibl, in den 1980er-Jahren Brandls Mitstreiter als Neuer
Wilder, hat dem zweieinhalb Meter hohen Ölbild Rest I eine rätselhafte Aura verliehen.
Von Martha Jungwirth wartet ein Ölbild in ungewöhnlichem Format: Auf der fast zwei Meter hohen und einen Meter breiten Leinwand verdichtet die Künstlerin pastose Farbfleckenmalerei zu einer Form, die an eine volle Blüte denken lässt. Visuellen Sog entfalten auch Jungwirths Papierarbeiten auf Büttenpapier, mal glührot-feurig, mal zartrosa wie in Ohne Kleidchen.
Kompositionen mit haptischer Oberfläche kreierte der Kärntner Künstler Hans Bischoffshausen im Paris der 1960er-Jahre. Der Künstler verlieh monochromen Leinwänden mit Spachtelmasse runde und wabenförmige Strukturen. Zu den neun Losen zählt auch ein Bildobjekt mit dem Titel Gebetstafel, der die meditative Tendenz bestärkt.
Kalligrafische Fingerübungen
Bevor er Aktionist wurde, beschäftigte sich Günter Brus um 1960 mit dem abstrakten Expressionismus. Aus dieser Phase gelangt eine Tuschezeichnung zur Versteigerung, deren zahllose schwarze Kürzel und Flecken an kalligrafische Fingerübungen erinnern. Dagegen bündelt Adolf Frohners Zeichnung auf Hartfaserplatte von 1965 nervöse Stricheleien zu sinnlichen Formen.
Dass der Wiener Rudolf Polanszky seit geraumer Zeit von der US-Galerie Gagosian vertreten wird, hat das Interesse an dem Weggefährten von Franz West befeuert. Aus seiner Serie Reconstructions kommt ein Bild zum Aufruf, in dem der 1951 geborene Künstler Plastik, Acryl, Silikon und Fiberglas vereinte. So erzeugte Polanszky 1994 jene Patina, die für seine Kunst so typisch ist.