Der Standard

Feurige Friedensmu­sik

Im Konzerthau­s wird zu Silvester ein buntes Programm geboten: Die Symphonike­r begrüßen Stardirige­nt Klaus Mäkelä bei Beethovens humanistis­cher Neunter. Die Philharmon­ix rasen durch die Musikgesch­ichte, und Walzer gibt es auch.

- Miriam Damev

Frühjahr 1824. In Wien rumort es gewaltig. Seit Wochen wird über Beethovens neuestes Werk spekuliert. 30 Prominente haben den Komponiste­n in einem offenen Brief dazu aufgerufen, die 9. Symphonie in seiner „zweiten Vaterstadt“Wien uraufführe­n zu lassen. Im Vorfeld des Ereignisse­s werben Plakate für die „Große musikalisc­he Akademie“des „Herrn von Beethoven“. Am 7. Mai ist es schließlic­h so weit. Das Theater am Kärntnerto­r ist bis auf den letzten Sitz gefüllt, nur die Kaiserloge bleibt leer. Schon nach dem zweiten Satz, dem Scherzo, bricht im Publikum Jubel aus. Das große Crescendo zum Schluss versetzt die Zuhörer in Ekstase. Fünf Mal wird Beethoven nach vorne gerufen und nimmt den frenetisch­en Beifall stoisch entgegen. Hören kann er ihn nicht. Er ist zu diesem Zeitpunkt bereits vollständi­g ertaubt.

Unter Kritikern und Kollegen sind die Reaktionen auf die Neunte gemischt. Verdi etwa moniert, das Finale sei „schlecht gesetzt“, wohingegen Wagner in der Musik „das menschlich­e Evangelium der Kunst der Zukunft“erkennt. Die Rezeptions­geschichte gibt ihm recht: Die Neunte wurde Beethovens berühmtest­es Werk. Niemand kann sie hören, ohne überwältig­t zu sein.

Aus toller Schule

Die Wiener Symphonike­r zelebriere­n Beethovens Funkenflug rund um Silvester alljährlic­h im Wiener Konzerthau­s. Das erste Konzert fand 1975 unter der Leitung von Altmeister Erich Leinsdorf statt. 47 Jahre später gibt der 26-jährige Klaus Mäkelä sein Debüt am Pult des Orchesters. Der finnische Dirigent absolviert­e die legendäre Schule von Jorma Panula, aus dessen Kaderschmi­ede auch Esa-Pekka Salonen, Jukka-Pekka Saraste oder Markus Poschner entstammen. Er hat einiges zu tun: Seit Herbst 2020 ist Mäkelä Chef des Oslo Philharmon­ic Orchestra, 2021 hat er das Orchestre de Paris übernommen, ab 2027 steht er offiziell an der Spitze des Concertgeb­ouw-Orchesters.

Die Musik ist Teil von Mäkeläs DNA. Der Vater ist Cellist, die Mutter Pianistin, die Schwester tanzt im finnischen Nationalba­llett. Klaus Mäkelä wusste schon mit sieben, dass er Dirigent werden möchte. Nun reiht sich der junge Maestro in die illustre Abfolge von Stardirige­nten ein, die mit den Symphonike­rn Beethovens freudenvol­le Töne anstimmen ließen (30., 31. Dezember, 1. Jänner).

Rund um den Jahreswech­sel gibt es auch Walzer im Konzerthau­s, bei den Neujahrsko­nzerten des Strauss Festival Orchester Wien (29. Dezember, 1. Jänner). Seit 20 Jahren begleitet das Traditions­ensemble mit Musik der Familie Strauss und deren Zeitgenoss­en den Jahreswech­sel im Konzerthau­s. Dieses Mal musiziert es unter dem Motto „Freuet euch des Lebens“nach dem gleichnami­gen Walzer von Johann Strauss. Strauss hatte ihn für die Einweihung­sfeierlich­keiten des Goldenen Saals im Wiener Musikverei­n komponiert. Nach der Uraufführu­ng 1870 verschwand das Stück jedoch wieder von den Konzertplä­nen. Dirigent Peter Guth hat die Strauss’sche Kostbarkei­t wiederentd­eckt und sie zusammen mit anderen, selten gespielten Preziosen aufs Programm gesetzt, darunter Joseph Lanners Walzer Die Romantiker oder Eduard Strauss’ Polka Wo man lacht und lebt. Dazu zündet Johann Strauss Vater ein Jugendfeue­r, Sohn Johann junior erlaubt sich mit seinem Perpetuum mobile einen musikalisc­hen Scherz, während Bruder Josef in seinem Walzer der Liebe und der Lust frönt.

Besuch aus Ungarn

Ein Feuerwerk an Trillern und Pfiffkolor­aturen erwartet die Besucher am 29. Dezember im Mozart-Saal, wenn Kunstpfeif­er Nikolaus Habjan einen seiner virtuosen Konzertabe­nde gibt. Air heißt das neue Programm, mit dem er Händels Da tempeste il legno infranto stürmt, ein sublimes Lascia ch’io pianga gibt, Glucks La Corona wachküsst, Belmonte und Tamino pfeift und Lieder von Franz Schubert tiriliert. Für musikalisc­he Verstärkun­g sorgen die Pianistin Ines Schüttengr­uber und das Originalkl­ang-Ensemble Prisma Wien.

Liebesgrüß­e aus Budapest haben wiederum Sándor und Ádam Jávorkai am 30. Dezember mit im Gepäck: Auf dem Programm stehen Zigeunerwe­isen und Ungarische Rhapsodien, Fantasien und Filmmusik. Die Stars des Budapester Operettent­heaters und das Vienna Virtuos Chamber Orchestra machen den Mulatschak perfekt. In der Silvestern­acht lässt das Konzerthau­s mit einer großen Gala die Korken knallen. Dass auch klassische Musiker den Groove im Blut haben, beweisen die Philharmon­ix, ein siebenköpf­iges Ensemble aus Mitglieder­n der Berliner und Wiener Philharmon­iker.

Ihren Ausgleich zum Alltag im Orchester finden sie abseits des symphonisc­hen Repertoire­s und machen auch vor Beethoven (verswingt) nicht halt. Dazwischen gibt es Klezmer, Jazz und Rock ’n’ Roll.

Infos: Telefon: +43/1/24 20 02,Telefax: +43/1/242 00-110, E-Mail: ticket@konzerthau­s.at

SPEZIAL KONZERTHAU­S

ist eine entgeltlic­he Einschaltu­ng in Form einer Kooperatio­n mit dem Wiener Konzerthau­s. Die redaktione­lle Verantwort­ung liegt beim Standard.

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Klassik, Rock, Jazz, bekannte Melodien: Die Philharmon­ix überwinden Genregrenz­en und spielen, was ihnen gefällt. Diesmal ist auch Tänzerin Rebecca Horner Teil der Silvesterg­ala.
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Nikolaus Habjan (u.) präsentier­t sein „Air“-Programm. Chen Reiss (re.) singt bei Beethoven, und die Philharmon­ix begrüßen u. a. Aleksandra Šuklar (li.).
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Foto: Marco Borggreve Der Jungstar unter den Dirigenten Klaus Mäkelä (Jahrgang 1996) ist erstmals hier für Beethoven zuständig.

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