Der Standard

Lust & Frust mit

Am Samstag ist es wieder so weit: Thomas Gottschalk lädt um 20.15 Uhr in ORF und ZDF zu „Wetten, dass..?“. Ist die Show eines der letzten Lagerfeuer der TV-Unterhaltu­ng oder die peinliche Selbstdars­tellung eines alten weißen Mannes?

- Birgit Baumannn Doris Priesching

Lust

Die ersten und wichtigste­n Fragen am Samstagabe­nd werden natürlich sein: Was trägt Thomas Gottschalk diesmal? Und hat er die Haare schön?

Weil: Es soll, für ein paar Stunden wenigstens, wieder so sein wie früher. Chips in der Bleikrista­llschüssel, dazu irgendein zuckerhalt­iges Getränk, Augen zu und durch. Als Kind, auch noch als älteres, fand ich die Sendung fasziniere­nd, und ja, das hatte auch mit Thomas Gottschalk zu tun. Dieses Selbstbewu­sstsein! Der kannte jeden und wusste alles.

Der Begriff „Altherrenw­itz“sagte mir damals noch nichts, was sich aber rasch änderte und fast zum Bruch geführt hätte. Aber da waren ja noch die Wetten. Einmal stapelten fünf Männer 55 Waschmasch­inen zu einer Pyramide. Ein andermal quetschten sich fünf Leute mit ihren Instrument­en in eine Telefonzel­le und spielten I Will Survive.

Diese Ideen musste man erst einmal haben – und dann noch den Mut, damit ins Fernsehen zu gehen. Ich fieberte mit vielen dieser Helden und Heldinnen mit, erst recht, wenn es Kinder waren. Schon klar, auch manche Wetten ließen irgendwann zu wünschen übrig. Mais in den Nasenlöche­rn und Katzenfutt­er zwischen den Zehen, das brauchte keiner.

Aber da war Wetten, dass..? schon längst zu einer bequem-wohligen Gewohnheit­sberieselu­ng geworden. Als Gottschalk aufhörte, endete eine Ära. Es war schade und gut zugleich. Die Fernsehwel­t drehte sich weiter, Neues und Besseres kam und ging auch wieder. Trotzdem: Wenn er jetzt wiederkomm­t, bin ich natürlich dabei. Hoffentlic­h stellt sich das Gefühl von damals wieder ein. Nostalgie darf sein.

Frust

An das erste Wetten, dass..? erinnere ich mich, als wäre es gestern gewesen. 14. Februar 1981, Europahymn­e, Frank Elstner begrüßte das Publikum. Ein Kandidat blies eine Wärmeflasc­he auf und brachte sie zum Platzen. Boah! Elsner überzog 43 Minuten. Das durfte nur Wetten, dass..?, Gigant der Fernsehunt­erhaltung. Wir fühlten uns gut unterhalte­n.

1987 übernahm Thomas Gottschalk. Der Lange mit dem schrillen Outfit und den frechen Sprüchen. „Die Oberweite von Sophia Loren trägst du um die Hüfte“, sagte er zu einem etwas beleibtere­n Kandidaten. Ich lachte. Er fragte, ob „Chinesen lustige Menschen“seien und ob „die Italiener auch recyceln? Ich dachte, die schmeißen alles aus dem Fenster?“Ich lachte. Zu Schauspiel­erin Inge Meysel sagte er: „Andere Frauen, auch in relativ jungen Jahren, lassen ja heute schon an sich herumbaste­ln. Ich glaub, bei Ihnen ist bis auf die Zähne noch alles echt.“Ich lachte. Ein Mann wettete, dass er 25 BHs mit handelsübl­ichen Essstäbche­n öffnen könne. Das war 2009. Ich lachte nicht mehr.

Die Zeiten haben sich geändert, Humor geht anders. Was früher lustig war, wirkt heute ranzig und albern. Sicher, ein gewisses Publikum bringt Gottschalk mit seinem sexistisch­en und rassistisc­hen Schmäh zum Brüllen wie eh und je. Dass er damit das Klischee vom alten weißen Mann erfüllt, ist eine Lektion im Fremdschäm­en. Wer das nicht glaubt, schaue sich das Comeback – ja, es gab bereits eines – von 2021 an.

Michael Bublé riet seinen Kollegen, vor Wetten, dass..? einen Joint zu rauchen, um die Sache besser durchzuste­hen. Das soll keine Empfehlung sein. Aber eine Überlegung ist es wert.

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 ?? ?? Thomas Gottschalk moderiert am Samstag wieder „Wetten, dass..?“. Das Comeback 2021 sah in Österreich knapp eine Million Menschen.
Thomas Gottschalk moderiert am Samstag wieder „Wetten, dass..?“. Das Comeback 2021 sah in Österreich knapp eine Million Menschen.

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