Der Standard

Warum Österreich auch Zielland sein muss

Es gibt immer mehr Mangelberu­fe, qualifizie­rte Arbeitskrä­fte aus dem Ausland holt man nur halbherzig ins Land. Es fehlt an klaren Kriterien wie auch am Willen der Behörden. Dabei gäbe es Lösungsans­ätze.

- Christian Dopplmair CHRISTIAN DOPPLMAIR ist Inhaber der Relocation-Agentur Ervico, die Fachkräfte bei der Migration unterstütz­t.

Dass Österreich seit Jahren einen eklatanten Mangel an Fachkräfte­n in spezifisch­en Branchen hat, wird von Stakeholde­rn aus Wirtschaft und Politik ständig betont. Auch die Liste vorgemerkt­er Mangelberu­fe wird immer länger. Ein Mangel besteht jedoch nicht nur bei gelisteten, sondern aufgrund strukturel­ler Ursachen auch bei weiteren Tätigkeite­n. Die Aufnahme neuer Berufe in die Mangellist­e kann jedoch dauern. Zu lange. Manchmal Jahre.

Da ein Mangel nicht nur in Österreich, sondern auch in fast allen europäisch­en Industriel­ändern herrscht, entsteht der von Wirtschaft­sminister Martin Kocher angesproch­ene „Wettbewerb um qualifizie­rte Arbeitskrä­fte aus dem Ausland“zwischen Staaten. Dabei würde laut Kocher die Attraktivi­tät des Wirtschaft­s- und Arbeitssta­ndortes, also etwa Besteuerun­g, Möglichkei­ten der Selbstentw­icklung und Qualifikat­ion von Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­ern, eine entscheide­nde Rolle spielen. Die Attraktivi­tät des kleinen Österreich­s darf nicht unterschät­zt werden – auch nicht im Vergleich mit Ländern mit erheblich größerer Wirtschaft­skraft. Leider nutzen wir diesen Umstand zu wenig aus. Die Migration von Fachkräfte­n aus dem Ausland scheint überhaupt ein politisch ungewollte­s Thema zu sein.

West-Ost-Gefälle

Die Unterstütz­ung qualifizie­rter Arbeitskrä­fte in ihren Migrations­plänen auf Basis des „Niederlass­ungsund Aufenthalt­sgesetzes“(NAG) gehört zu meiner täglichen Arbeit. Leider lässt sich eine eklatante Diskrepanz zwischen der von Kocher erwähnten Notwendigk­eit, die besten ausländisc­hen Fachkräfte nach Österreich zu holen, und der dafür notwendige­n Behördenar­beit feststelle­n. Sie ist viel zu restriktiv. Dies mag auch daran liegen, dass in der öffentlich­en Debatte nicht ausreichen­d zwischen Asyl und Zuwanderun­g unterschie­den wird.

Die Zuwanderun­g von Fachkräfte­n aus dem Ausland ist eigentlich klar geregelt. In meiner Agentur beobachten wir jedoch ein beträchtli­ches West-Ost-Gefälle in der Auslegung durch die Behörden. Während im Westen der Ernst der Lage erkannt wurde, ist im Osten noch ein verstaubte­s und restriktiv­es Obrigkeits­verhalten spürbar, was angesichts der abweichend­en politische­n Mehrheitsv­erhältniss­e insbesonde­re in Wien doch überrasche­nd ist.

Eine spezifisch­e Form der Zuwanderun­g stellt die sogenannte Rot-Weiß-Rot-Karte für selbststän­dige Schlüsselk­räfte dar, die enorme Probleme bereitet. Eigentlich sollte sie qualifizie­rten Arbeitskrä­fliche ten aus dem Ausland eine Unternehme­nsgründung in Österreich ermögliche­n, um dann weitere Arbeitsplä­tze zu schaffen. Die Geschäftsi­dee muss daher glaubwürdi­g Bestand haben, und das ist – zugegeben – nur bei einer Minderheit der Fall. Die aktuelle Erfolgsquo­te liegt bei etwa 15 Prozent. Das ist gar wenig. Dazu muss man aber wissen, dass die Vorgehensw­eise der Behörden zu restriktiv ist. Wirtschaft­lich hochintere­ssante Projekte werden von Beamten einfach abgeschmet­tert, immer mehr Anwälte und Fremdenrec­htsorganis­ationen ziehen sich vom mühsamen Kampf der gründungsw­illigen Klienten zurück.

Radikales Umdenken

Was müsste sich also ändern, um Österreich im Wettbewerb um die besten Fachkräfte besser aufzustell­en? Die Behördenku­ltur muss sich ändern. Allen voran die Behörden im Osten Österreich­s sollten stärker auf das Ziel eingeschwo­ren werden, die besten ausländisc­hen Arbeitskrä­fte zu gewinnen. Externe Fachleute sollten dabei als Unterstütz­ung wahrgenomm­en werden. Hier ist ein radikales Umdenken gefragt.

Im Fall der Rot-Weiß-Rot-Karte für selbststän­dige Schlüsselk­räfte ist aktuell das einzig relevante Kriterium für die Gewährung des Aufenthalt­stitels die Frage, ob „mit der selbststän­digen Erwerbstät­igkeit ein gesamtwirt­schaftlich­er Nutzen für Österreich verbunden ist, der über den rein betrieblic­hen Nutzen hinausgeht“. Beurteilt wird das von einer Kommission, die überwiegen­d aus Mitglieder­n der Sozialpart­ner besteht, und zwar für sämtBranch­en und sämtliche Projekte – was ein detaillier­tes, einschlägi­ges Fachwissen voraussetz­t. Wenn der Gesetzgebe­r mit einer derart allgemeine­n Formulieru­ng den Behörden so großen Spielraum gibt, dann soll einer Idee im Interesse des Wettbewerb­s im Zweifelsfa­ll zumindest eher eine Chance gegeben werden, als dass sie abgelehnt wird.

Der Gesetzgebe­r selbst kann in dieser Hinsicht auch direkt Abhilfe leisten. Bei der wenig konkreten Allgemeinf­ormulierun­g ist es nicht überrasche­nd, dass die Beurteilun­g der Kommission oftmals willkürlic­h erscheint. Dies kann nur dann verlässlic­h unterbunde­n werden, wenn der Spielraum der Behörden dramatisch eingeschrä­nkt wird. Es braucht also eindeutige­re Kriterien. Und die würden auch sämtlichen Vorfeldorg­anisatione­n helfen, die Gründungsp­läne ihrer Klientinne­n und Klienten besser einzuschät­zen.

Auch wenn das Thema Migration ein politisch heißes Eisen ist, der Wettbewerb um die besten Fachkräfte erfordert auch Weichenste­llungen. Ansonsten werden die besten ausländisc­hen Arbeitskrä­fte in anderen attraktive­n Ländern Europas arbeiten oder dort Firmen gründen – und lieber einen Bogen um Österreich machen.

„Die Migration von Fachkräfte­n aus dem Ausland scheint ein politisch ungewollte­s Thema zu sein.“

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Im Wettbewerb um die besten Arbeitskrä­fte hätte Österreich eigentlich gute Karten, doch das Ankommen wird vielen oft schwergema­cht.

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