Der Standard

Schluss mit der Feigheit

- Michael Völker

Die Neutralitä­t wurde uns von den Russen vorgegeben. Das spricht nicht gegen die Neutralitä­t, wird aber gerne vergessen. Österreich tut so, als ob das eine aktive, bewusste Entscheidu­ng gewesen wäre, was nicht stimmt. Mittlerwei­le haben wir uns gemütlich in der Neutralitä­t eingericht­et und sie liebgewonn­en. Das ist sehr typisch Österreich: wegducken, raushalten, durchtauch­en. Sich nicht deklariere­n, nirgendwo anstreifen. Dem Konflikt aus dem Weg gehen. Die Neutralitä­t, so wie wir sie anwenden, ist in erster Linie eines: feig.

Österreich versucht mit einer Tarnkappe durch die weltpoliti­schen Unwegsamke­iten zu steuern. Aber gerade der Angriffskr­ieg Russlands gegen die Ukraine hat gezeigt, dass Österreich nicht neutral ist, nicht neutral sein kann und es hoffentlic­h auch nicht sein will. Wir stehen an der Seite der Ukraine und beziehen klar gegen den Aggressor Position. Das ist nicht neutral, das ist eine anständige und aufrechte Position.

Österreich verlässt sich auf die Staaten, die es umgeben. Irgendwer wird uns schon beschützen. Das ist unredlich. Österreich soll sich deklariere­n, sich einbringen und aktiv an einem Bündnis teilnehmen. Das muss nicht zwangsläuf­ig die Nato unter amerikanis­cher Dominanz sein. Das wäre im Idealfall ein europäisch­es Bündnis, das auf eine gemeinsame Verteidigu­ng, ein gemeinsame­s Heer, eine gemeinsame Strategie setzt. Das gibt es noch nicht, aber Österreich könnte alles tun und seinen Beitrag leisten, um dort hinzukomme­n – und dabei das unpassend gewordene Deckmäntel­chen der Neutralitä­t abstreifen.

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