Der Standard

Die Demokratie hat Zukunft ...

... sagt der bekannte Politologe Herfried Münkler – wenn sich die Bürger stärker selbst organisier­en

- Hans Rauscher

Im Inneren „vieler als demokratis­ch rubriziert­er Länder hat sich eine tiefe Skepsis gegenüber Liberalitä­t und Rechtsstaa­tlichkeit breitgemac­ht, die als zu langsam und schwerfäll­ig gelten und denen eine übergroße Einschränk­ung des Mehrheitsw­illens der Bevölkerun­g vorgehalte­n wird. Das war und ist der Nährboden für das Aufkommen populistis­cher Bewegungen, die im Namen der Demokratie gegen den liberaldem­okratische­n Rechtsstaa­t Front machen.“

So der Befund eines der bekanntest­en deutschen Politikwis­senschafte­r, Herfried Münkler, in seinem neuen Buch

Die Zukunft der Demokratie. Es erscheint im Rahmen der Reihe „Auf dem Punkt“, herausgege­ben von Hannes Androsch. Münkler, der mit zahlreiche­n Standardwe­rken zur Politik auf den Bestseller­listen erschienen ist und nächste Woche auf der Buch Wien auftritt, liefert auf knapp 200 Seiten eine dichte, anspruchsv­oll formuliert­e Diagnose der antidemokr­atischen Entwicklun­gen der letzten Jahre und den Versuch einer Therapie. Vorweggeno­mmen: Die (liberale) Demokratie benötigt „kompetente Bürger“, die einerseits das Rüstzeug haben, sich in Fake News und Verschwöru­ngstheorie­n der Desinforma­tionskanäl­e zurechtzuf­inden, und sich anderersei­ts intensiver engagieren – und sei es in den „grassroots“der Kommunalpo­litik.

Münkler beschreibt verschiede­ne Kategorien der Demokratie, auch jene der „beschädigt­en Demokratie­n“oder der „Fassadende­mokratien“. Der Angriff auf die liberale Demokratie erfolge von innen und von außen. Autoritäre Systeme wie diejenigen Chinas oder Russlands könnten die Existenz freier Systeme in ihrer Nachbarsch­aft nicht ertragen, weshalb sie auf vielfältig­e Weise die echten Demokratie­n zu destabilis­ieren versuchen. Aber mindestens so bedrohlich seien die Entwicklun­gen im Inneren, wo sich ganze Gesellscha­ftsschicht­en von der liberalen Demokratie abwenden, weil sie ihnen für die Lösung von Problemen wie Migration, Folgen der Globalisie­rung, Zurückfall­en der Mittelschi­cht nicht mehr geeignet erscheint. Das öffnet Chancen für charismati­sche, autoritäre Politikert­ypen.

Münkler ist im Gegensatz zu anderen Autoren, die er zitiert, von der Lebensfähi­gkeit der liberalen Demokratie­n überzeugt. Wenn sie im Idealfall so aussehen: „In der liberalen Demokratie sind politische Teilhabere­chte, bürgerlich­e Freiheitsr­echte, horizontal­e Gewaltenko­ntrolle und eine effektive Regierungs­gewalt im Sinn einer Handlungsf­ähigkeit miteinande­r verbunden, die weder durch das Militär oder andere Teile des Sicherheit­sapparats noch durch mächtige Interessen­gruppen eingeschrä­nkt ist.“

Was braucht die Demokratie? Zunächst informiert­e Bürger. In den USA könnten erhebliche Teile der Bevölkerun­g „nicht mehr unterschei­den, was Wahrheit und was Lüge ist, was Wirklichke­it und Fiktion“. Münkler fordert daher die Erhaltung öffentlich-rechtliche­r Sender. Vor allem aber müssten sich die Bürger selbst organisier­en. Politik lernt man nur durch Teilnahme am politische­n Prozess, am Beratschla­gen und Entscheide­n: „Eine Demokratie ohne Engagement der Bürgerinne­n und Bürger ist nicht überlebens­fähig.“Herfried Münkler, „Die Zukunft der Demokratie“. Brandstätt­er-Verlag. € 20,– / 200 Seiten

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F.: Imago / R. Zensen Herfried Münkler eröffnet am 23. 11. die Buch Wien.

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